Nanofasern statt Platin für Brennstoffzellen

Viel Gewicht brachte das Päckchen nicht auf die Waage, das Prof. Dr. Lilia Sabantina an die Universität Malaga schickte. Gerade einmal zwei Gramm wogen die Nanofasermatten, die sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Al Mamun sorgfältig für die weitere Arbeit durch die spanischen Forscher*innen präpariert hatte. Diese extrem dünnen und klitzekleinen Nanofaservliese könnten unter bestimmten Bedingungen in Brennstoffzellen zum Einsatz kommen und dort die teuren, in der Regel platinbasierten Katalysatoren ersetzen. Warum und wie, hat die Professorin im Studiengang Bekleidungstechnik/Konfektion und Expertin für Nanofasern gerade gemeinsam mit Wissenschaftler*innen aus Spanien und Polen in dem renommierten internationalen Wissenschaftsjournal Polymers beschrieben. Die Überlegungen sind deshalb interessant, weil Brennstoffzellen als wichtiger Baustein der Energiewende gelten und ihre Herstellung durch das innovative Material günstiger und nachhaltiger würde.

Geforscht wird international und interdisziplinär

International und interdisziplinär haben sie für ihre Studie geforscht: hier die Materialwissenschaftlerin der HTW Berlin, da eine Gruppe von Chemie-Ingenieur*innen an der Universität von Malaga, außerdem ein Physiker der Silesian University of Technology im polnischen Gliwice. Auch die Hochschule Bielefeld ist mit von der Partie, denn dort leitete Prof. Dr. Sabantina vor ihrem Ruf an die HTW Berlin die Nachwuchsforschungsgruppe „Nanomaterials“. Zu ihr gehörte auch der Experte für Nanofaservliese Al Mamun, mit dem sie noch immer eng zusammenarbeitet. Gemeinsam haben sie die innovativen Materialien für die Brennstoffzellen im Labor produziert und unter die Lupe genommen, genauer gesagt: unter das Mikroskop.

Im Fokus: die Morphologie der Vliese

Im technisch gut ausgestatteten Bielefelder Labor wurden die Nanofaservliese mit magnetischen Partikeln aus Polyacrylnitril (PAN) mit einer sogenannten Elektrospinnmaschine hergestellt, bei 280 Grad oxidativ stabilisiert und anschließend im Ofen bei 800 Grad karbonisiert. Bei diesem Prozess ist viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung gefragt. „Ob sich die gewünschte Morphologie der Nanofaseroberflächen ausgebildet hat, kann nicht mit bloßem Auge, sondern nur mit mikroskopischen Analysemethoden wie dem Konfokalen Laser Scanning Mikroskop (CLSM) und dem Rasterelektronenmikroskop (REM) festgestellt werden.“ sagt Prof. Dr. Sabantina. Denn Nanofasern sind winzig klein. Zum Vergleich: Ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter und verhält sich zu einem Meter wie der Durchmesser einer Haselnuss zu dem der Erde.

Drei Materialproben per Post nach Malaga

Von Interesse für die Materialwissenschaftlerin war die Morphologie der Nanovliese, vor allem die Struktur der Oberfläche. Wie dünn sind die Fäden? Wie stark sind sie miteinander verbunden? Wie genau haben sich die magnetische Partikel verteilt und welche Menge braucht man, damit sie  für den Einsatz in einer Brennstoffzelle hinreichend effizient sein? Drei verschiedene Proben mit unterschiedlich hohen magnetischen Anteilen von 25, 30 und 40 Prozent wurden miteinander verglichen. Stabile Behälter sorgten dafür, dass die  carbonisierten Nanovliese, die so brüchig sind wie getrocknete Blätter eines Baums, auf dem Weg nach Malaga keinen Schaden nahmen.

Ein kleiner Beitrag zur Grundlagenforschung

„Unsere Materialforschung war ein kleiner Beitrag zu einem spannenden Kapitel Grundlagenforschung“, sagt Prof. Dr. Sabantina. Die weiteren Arbeiten werden zeigen, ob sich Nanofaservliese tatsächlich für die Herstellung von Katalysatoren in Brennstoffzellen eignen und dort die noch üblichen, platinbasierten Katalysatoren ersetzen können. In dem schon erwähnten Beitrag, in dem die Wissenschaftler*innen ihre Ergebnisse zum Abschluss öffentlich zugänglich machten, ist auf jeden Fall von „vielversprechenden Eigenschaften“ der Materialien die Rede. Es wäre ein Schritt in Richtung größere Nachhaltigkeit. „Die Kolleg*innen in Malaga wollen an dem Thema dranbleiben“, weiß Prof. Dr. Sabantina.

Im nächsten Projekt geht es um Pilzmyzel

Sie selbst bleibt auch dran am Thema Nachhaltigkeit, allerdings in einem anderen Kontext. Im Projekt "BioFun-C-Fungi" erforscht Prof. Dr. Sabantina mal wieder ihr Lieblingsmaterial Pilzmyzel. Bei Pilzmyzel handelt es sich um einen natürlichen, nachwachsenden Rohstoff, der in der Natur in großen Mengen im Boden vorkommt. In dem vom Institut für Angewandte Forschung Berlin (IFAF Berlin) geförderten Projekt will Prof. Dr. Sabantina prüfen, ob sich das Pilzmyzel des bekannten Austernpilzes Pleurotus Ostreatus auch für die Carbonherstellung eignet bzw. wie es dafür präpariert werden müsste. Die Biotechnologie könnte auch hier völlig neue Perspektiven für umweltfreundliche und ressourceneffiziente Herstellungsverfahren eröffnen.

Der Kühlschrank ist immer gut gefüllt

„Zur Verwendung von Pilzmyzel für die Herstellung von Carbonmaterial gibt es noch kaum Untersuchungen“, freut sich die Materialwissenschaftlerin. Froh ist sie deshalb, weil es ihre erklärte Leidenschaft ist, nach neuen Materialien zu suchen oder den innovativen Einsatz von bekannten Materialien zu erforschen, gerne auch im Team mit Fachkolleg*innen aus anderen Disziplinen. „Dabei kann und muss man auch mal etwas Verrücktes ausprobieren“, lächelt sie. Man wisse schließlich nie, ob daraus nicht eine Innovation entsteht. Deshalb mangelt es im Kühlschrank von Prof. Dr. Sabantina auch nie an flüssigem Pilzmyzel und Petrischalen. Sie könnte es ja jederzeit brauchen, um neue Proben einzuimpfen.

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