Film ab für die Komikerin Olga Svendsen

Charlie Chaplin, Buster Keaton sowie Laurel und Hardy kennen wir alle. Doch was ist mit den Komödiantinnen des Stummfilms, die ebenfalls Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt zum Lachen brachten? „Gerade bei Komikerinnen“, sagt Prof. Dr. Ulrich Rüdel, gibt es noch viele filmhistorische Lücken. Eine möchte der HTW-Wissenschaftler schließen, gemeinsam mit dem Stummfilm-Experten Steve Massa und in Zusammenarbeit mit dem Dänischen Filminstitut. Für das renommierte Stummfilmfestival im italienischen Pordenone haben sie zwei Kurzfilme mit der dänischen Komikerin Olga Svendsen ausgewählt. Das Team hofft, damit ihre Wiederentdeckung anstoßen zu können.

Verfolgungsjagd durch Kopenhagen

„Ihre Silberhochzeit“ heißt einer der beiden Filme, in denen die Schauspielerin zu sehen sein wird. Der Inhalt ist schnell erzählt. Am Morgen des Jubiläumstags herzt und küsst sich das Paar, gerät dann aber in einen heftigen Streit, weshalb die Dame des Hauses, dargestellt von Olga Svendsen, schluchzend davonstürzt. Wenig später betritt ein Anwalt die Szene, mit einem auf 25.000 Kronen ausgestellten Scheck von einem Onkel in Chicago, der allerdings nur unter der Bedingung einer friedlichen, glücklichen Ehe eingelöst werden kann. Der Herr des Hauses versucht daraufhin verzweifelt, seine Frau zu finden und die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Zu sehen ist „eine schön inszenierte und fotografierte Verfolgungsjagd durch Kopenhagen“, schreibt Prof. Dr. Rüdel im Katalog, der zum Festival erscheinen wird.

Vorführung meistens mit Live-Musik

Der promovierte Naturwissenschaftler ist Experte für Filmrestaurierung im Studiengang Konservierung und Restaurierung/Grabungstechnik. Stummfilme mochte er schon als Kind. „Die Visualität von Humor und Handlung, die ohne Sprache auskommen, die explizite Körperlichkeit und der mitunter derbe Humor, bei dem auch mal Backsteine oder Sahnetorten fliegen“, zählt Prof. Dr. Rüdel auf, was ihn an dem Genre so begeistert. Das Pordenone Silent Film Festival ist ein fester Termin in seinem Kalender. Es gilt als wichtigste internationale Veranstaltung, auf der sich in jedem Oktober alles um die ersten dreißig Jahre der Filmgeschichte dreht, als es auf der Leinwand noch stumm blieb. Im Kino übrigens nicht, denn Stummfilme wurden und werden meistens mit Live-Musik vorgeführt. Mal spielen Solisten, mal Ensembles, die improvisieren oder historische musikalische Vorschläge aufgreifen, beispielsweise Schlagzeug zu Verfolgungsjagden.

„Es gibt mehr Komikerinnen, als man denkt“

In den letzten Jahren wird auch Frauen in Stummfilmkomödien größere Aufmerksamkeit geschenkt. „Es gibt mehr Komikerinnen als man denkt“, sagt Prof. Dr. Rüdel. Wer suche, werde fündig, zum Beispiel bei Olga Svendsen: Sie stand von 1911 bis 1936 in mehr als 70 Filmproduktionen vor der Kamera, darunter in vielen Stummfilmen. Das Werk lohnt nach Prof. Dr. Rüdels Meinung eine Entdeckung, auch wenn die dänische Schauspielerin nicht in Anspruch nehmen könne, Gender-Klischees oder gar das Patriarchat unterminiert zu haben, wie etwa die 'Nasty Women' der frühen Komödie, die vor einigen Jahren von Wissenschaftskolleginnen wiederentdeckt worden waren. Diese „frechen“ Damen wagen es unter anderem, Streiks zu organisieren, ungenießbare Desserts zu backen oder die Polizei unter Strom zu setzen.

Olga Svendsen als Vorläuferin von Miss Marple

„Frauen in der Stummfilmkomödie sind oft sehr witzig“, schreibt Prof. Dr. Rüdel im Katalog.  Dies gelte sicherlich für die eher matronenhafte Olga Svendsen. Mit ihrem Typus variiere sie eine warmherzige Figur und nehme Charakterkomödiantinnen wie die als Miss Marple berühmt gewordene Margaret Rutherford vorweg. Und weiter: „Wir hoffen, dass dieses Eintauchen in die bekannten und unbekannten Tiefen und Abschweifungen der stummen Komödie in diesen unruhigen Zeiten inspirierend wirkt und Lust auf mehr macht.“

Noch immer gibt es Neuentdeckungen

Die Filme mit Olga Svendsen werden beim Festival in der Serie „Die Ursprünge des Slapstick“ gezeigt. Möglich ist das, weil sie vom Dänischen Filminstitut bereits digitalisiert wurden. Das schont erstens die wertvollen Originale, die vorzuführen zweitens brandgefährlich wäre, und zwar im eigentlichen Sinne des Wortes. Mehrere hundert akkreditierte Besucher*innen werden hierzu in Pordenone erwartet. Alle Filme laufen in ein und demselben Haus, bereits ab 9.00 Uhr morgens; wer nicht gerade im Kinosessel sitzt, quatscht gegenüber im Café über Filme und darüber, wer gerade wo wieder fündig wurde. „Neuentdeckungen gibt es tatsächlich immer noch“, sagt Prof. Dr. Rüdel. Obwohl das 1982 ins Leben gerufene Festival - Ironie am Rande – inzwischen schon länger existiert als die eigentlich Stummfilm-Ära. Die ging nämlich mit dem Aufkommen der Tontechnik nach etwa 30 Jahren zu Ende.

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