Immobilienwirtschaft hat bei KI noch Luft nach oben

Nur wenige Unternehmen der Immobilienwirtschaft nutzen derzeit Künstliche Intelligenz. Doch wer sich der Technologie bedient, hat niedrigere Personal- und IT-Kosten und verfügt über effizientere Prozesse als die Konkurrenz. Zu diesem Ergebnis kommen Prof. Dr. Regina Zeitner (HTW Berlin) und Prof. Dr. Marion Peyinghaus (hochschule 21) bei der Befragung für ihre neueste Marktstudie „PMRE-Monitor“. Unter dem Titel „KI – aber wie?“ ist sie am 30. Januar 2024 erschienen. Im Interview sprechen die beiden Wissenschaftlerinnen darüber, welche Einsatzpotenziale die Branche für KI sieht und wo Handlungsbedarf besteht.

Sie haben für Ihre Befragung wieder ein topaktuelles Thema gewählt…

Prof. Dr. Regina Zeitner: Ja, wir wollen mit unseren Marktstudien am Puls der Zeit sein. Künstliche Intelligenz ist spätestens seit ChatGPT in aller Munde und natürlich auch ein Thema in der Immobilienwirtschaft. Das zeigt die große Resonanz auf unsere Befragung. 215 Fach- und Führungskräfte haben geantwortet, außerdem 242 Vertreter*innen der Generation Z, also der Jahrgänge ab 1995. Das waren überwiegend Studierende immobilienwirtschaftlicher Studiengänge aus Deutschland, aber auch viele Studierende übergreifender Fachrichtungen aus dem internationalen Umfeld, also aus Asien, USA oder Europa. Gerade die Generation Z ist für das Thema KI wichtig, denn ihr gehören die Digital Natives an, die eine Übernahme von KI-Anwendungen beschleunigen.

Wie verbreitet ist KI in der Immobilienbranche?

Prof. Dr. Zeitner: Ein Viertel der von uns befragten Immobilienfachkräfte hat bisher keine Erfahrungen mit KI-Lösungen. Ebenfalls ein Viertel befürchtet Risiken, lehnt KI ab oder fühlt sich ohnmächtig. Nur sehr wenige, etwa vier Prozent, setzen KI-Tools im beruflichen Alltag intensiv ein.

Prof. Dr. Marion Peyinghaus: Der aktuelle Umsetzungsstand ist erschütternd niedrig. KI ist nur bei sechs Prozent der Unternehmen im Einsatz. Dabei haben Player, die KI nutzen, signifikant niedrigere Personal- und IT-Kosten, weisen einen höheren Innovationsgrad und eine bessere Prozesseffizienz auf. Das heißt: KI verhilft zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und daher zu einer langfristigen Stabilität im Markt.

Wo genau lässt sich KI in der Immobilienwirtschaft einsetzen?

Prof. Dr. Zeitner: Die Befragten sehen bei immerhin 71 Prozent der täglichen Tätigkeiten das Potenzial zur KI-Unterstützung. Ganz oben auf der Liste stehen das Management von Daten- und Dokumenten sowie das Reporting. Es folgen Buchhaltung & Gebäudeadministration, Bewertung & Finanzen sowie das Strategische Immobilienmanagement. Geringere Einsatzchancen werden in den Bereichen Technisches Immobilienmanagement sowie Projektentwicklung & Bau gesehen.

Hat das Folgen für die Beschäftigten?

Prof. Dr. Peyinghaus: KI wird den Personalbedarf reduzieren. Die Befragten gehen davon aus, dass etwa jeder fünfte Arbeitsplatz wegfallen wird. Besonders betroffen sein dürften Buchhalter, Bewerter und Makler. Geringere Sorgen müssen sich Baufachkräfte machen. Ein Grund, warum die KI-Vorreiter der Branche ihre handwerklichen Fähigkeiten ausbauen möchten. KI ersetzt zwar Arbeitskräfte, sorgt aber damit vielleicht für das erhoffte Revival des Handwerks.

Prof. Dr. Zeitner: Weniger Personal bedeutet für die Immobilienbranche natürlich auch einen geringeren Flächenbedarf. Aus Sicht der Befragten liegt die Reduktion der Büroflächen bei 26 Prozent. Das ist ein herber Schlag, zumal dieser Bereich ohnehin unter dem Trend zum Homeoffice leidet. Ein Lichtblick: Rechenzentren boomen durch KI umso mehr. Was aus ökologischer Sicht natürlich problematisch ist. Der IT-Sektor hat bereits heute einen Anteil am globalen CO2-Aufkommen, das jenem des Flugverkehrs entspricht. Da bedarf es meiner Auffassung nach einer Aufklärung und Sensibilisierung.

Aber in KI muss auch investiert werden, oder?

Prof. Dr. Zeitner: Ja, KI ist kostenintensiv. Die Befragten rechnen mit Investitionen in Höhe von etwa sechs Prozent des Umsatzes. Investiert werden muss in Personal und Prozesse, Daten und Applikationen. Die KI-Pioniere sind sogar noch radikaler. Sie widmen 70 Prozent ihrer Investitionen dem Personal und den Prozessabläufen. Allerdings kalkulieren sie auch damit, dass wie schon erwähnt IT- und Personalkosten sinken werden.

Prof. Dr. Peyinghaus: Die wahren Erfolgskomponenten sind nicht technischer, sondern sozialer Natur. Entscheidend wird die Rolle der Führungskräfte sein, auch weil sich ihr Aufgabenfeld stark verändert. Die KI wird Analysen erstellen und dem Menschen viele Entscheidungen abnehmen. Wir haben bei unserer Befragung drei Gruppen identifiziert: KI-Skeptiker, KI-Experimentierer und KI-Vorreiter. Jede hat ihre eigenen Chancen, Risiken und Bedürfnisse. Führungskräfte müssen sie gut kennen, um ihre Teams zum KI-Einsatz zu mobilisieren. Da sind Sozialkompetenzen gefragt und vor allem Vertrauen. Die digitale Transformation ist eine echte Führungsaufgabe.

Welche Empfehlungen würden Sie der Branche geben?

Prof. Dr. Zeitner: Der noch unzureichende Standardisierungsgrad der Daten in der Immobilienwirtschaft stellt eine große Herausforderung dar. Doch die Branche sollte sich wappnen für die bevorstehenden tiefgreifenden Veränderungen. Ein Kennenlernen, Ausprobieren und Testen hilft den Beschäftigten, Ängste abzubauen. Dazu braucht es positive Visionen und Anwendungsfälle, die den Mitarbeiter*innen aufzeigen, dass ihre Rolle in der neuen Arbeitswelt eine bessere sein kann. Diese Erfahrungen sind in der Immobilienwirtschaft noch nicht breit gestreut.

Prof. Dr. Regina Zeitner (HTW Berlin) und Prof. Dr. Marion Peyinghaus (hochschule 21) forschen gemeinsam unter dem Dach des von ihnen gegründeten Competence Center Process Management Real Estate (CCPMRE). Sie veröffentlichen jährlich den „PMRE Monitor“, in dem sie aktuelle Themen und Fragestellungen für die Immobilienbranche aufbereiten. Zur Seite steht ihnen dabei ein hochkarätig besetzter Steuerungsausschuss. Der PMRE-Monitor 2023 „KI – aber wie?“ steht kostenlos zum Download zur Verfügung: www.ccpmre.de