Das Mathematik-Trainingslager

Mathematik umgibt uns. In jeder Blume und jedem Haus steckt Geometrie, bei jedem Einkauf müssen wir mit Zahlen umgehen, jeder Wetterbericht basiert auf Berechnungen. Für viele andere Studienfächer ist Mathematik ein grundlegendes Werkzeug. 

Vielleicht ist diese Allgegenwärtigkeit einer der Gründe dafür, warum die Professorin Dr. Lucy Weggler so viel Begeisterung versprüht, wenn sie über Ihr Fachgebiet spricht. In jedem Fall ist es die beste Grundlage für ihren Mathematik-Unterricht an der HTW Berlin. 2023 wurde das Lehrkonzept ihrer Veranstaltung im Studiengang Gesundheitselektronik mit dem Preis für gute Lehre ausgezeichnet. Sie selbst sieht es als „Trainingslager“ mit vielen individuellen Übungsmöglichkeiten. Was ihre Lehre neben der offenkundigen Liebe zum Fach noch besonders auszeichnet, verrät Weggler im LEHRGUT Interview.

Warum nutzen Sie ein digitales Notizbuch für ein Tafelbild?

Weggler: Ich habe mich ganz bewusst gegen den Einsatz von fertigen Folien entschieden, weil ich die Studierenden zum Denken anregen möchte. Ich bin überzeugt davon, dass das funktioniert, wenn wir gemeinsam rechnen. Hinzu kommt, dass die Studierenden sehen, an welchen Stellen ich überlege oder mal einen Fehler mache. Das bringt uns auf Augenhöhe und schafft eine gute Lernatmosphäre.

Das heißt, das Dokument sieht jedes Semester anders aus?

Weggler: Genau! Ich habe ein Template mit ein paar Screenshots aus meinem Skript für eine erste grobe Struktur. Das sind aber eher Orientierungspunkte für mich, damit ich das jeweilige Ziel der Lehrveranstaltung im Auge behalte oder beispielsweise daran denke an einer bestimmten Stelle ein Video zu zeigen. Denn hier geht das Notizbuch über einen klassischen Tafelanschrieb hinaus. Es ist ein interaktives Dokument mit vielen Links und Videos, zu dem die Studierenden jederzeit Zugriff haben. Je nach Lernstand und -stil, bietet das Notizbuch Zugang zu weiteren Erklärungen und Materialien, um die mathematischen Zusammenhänge zu verstehen.

Dadurch können Sie Studierende also sehr individuell unterstützen. Wodurch gelingt das noch?

Weggler: Das wichtigste Element jeder Lehrveranstaltung sind Freiarbeitsphasen, die jeweils auf meinen Input folgen. In dieser Zeit gehe ich durch die Reihen, kann die Studierenden kennenlernen und individuelle Fragen klären. Jemanden, der die Inhalte schon gut verstanden hat, ermuntere ich dazu weiterzugehen und komplexere Aufgaben zu lösen. Da, wo es noch Lücken gibt, überlegen wir, wie wir diese schließen können. Auch außerhalb der Veranstaltung ist der Moodle-Kurs ein wichtiges Instrument für individuelles Lernen. Er ist wie ein Trainingslager aufgebaut und die Studierenden können entscheiden, wie viel sie davon nutzen. Rot markierte Aufgaben müssen gelöst werden, blau markierte sind optional. Ich investiere ziemlich viel Zeit in den Aufbau und die Gestaltung meines Moodle-Kurses. Er soll modern und übersichtlich sein, auf keinen Fall langweilig.

Woher wissen die Studierenden, ob sie jeweils richtig gerechnet haben?

Weggler: Früher habe ich die Aufgaben nach der individuellen Rechenzeit der Studierenden im Plenum vorgerechnet. Einige haben die „Auflösung“ abgewartet und in der Freiarbeitsphase gar nicht mehr selbst gerechnet. Um dieses Problem zu lösen und für mich mehr Transparenz über die studentische Mitarbeit zu schaffen, stelle ich die Aufgaben elektronisch über Moodle zur Verfügung. Die Studierenden erhalten nach der Bearbeitung ein Feedback über ihre Leistung und können mit Hilfe eines einsehbaren Lösungsvorschlags den eigenen Lernstatus selbstständig einordnen. Ich formuliere einzelne Aufgaben als kleine Moodle-Tests. Zu jedem Thema gibt es etwa fünfzig Einzelaufgaben.

Wow, das klingt nach viel Arbeit!

Weggler: Ja, das ist wahr. Das Formulieren elektronischer Aufgaben, insbesondere das Erstellen der Musterlösungen, ist aufwändig – den aktuellen Stand habe ich über eine Zeit von etwa vier Jahren erarbeitet. Im nächsten Schritt möchte ich KI nutzen, um die Komplexität der Aufgaben zu analysieren, damit sie aufeinander aufbauend sortiert werden können. Manchmal scheitert jemand daran eine Potenzregel anzuwenden, obwohl es in der Aufgabe um etwas ganz anderes geht. Diesen Frust möchte ich zukünftig vermeiden. Ziel ist es, dass Studierende abhängig von ihrem Wissensstand jeweils die passenden Übungsaufgaben erhalten. Dieses Projekt wird aktuell durch den Lehrinnovationsfonds gefördert.

Der Preis für gute Lehre 2023, eine Förderung durch den Lehrinnovationsfonds 2024 – bleiben da noch Wünsche offen?

Weggler: Natürlich! Was ich mir sehr wünsche, ist noch mehr Vernetzung und Feedback unter den Lehrenden. Ich möchte gerne in anderen Lehrveranstaltungen hospitieren, um mich inspirieren zu lassen und meine eigene Lehre besser reflektieren zu können. Selbstverständlich steht meine Tür auch jederzeit für Kolleginnen und Kollegen offen.

Beratung für Lehrende

Sie haben auch tolle Ideen für die Lehre, aber wissen noch nicht, wie Sie das am besten umsetzen? Das Lehrenden-Service-Center berät Sie bei allen Fragen zu Lehre, Didaktik und Medienproduktion. Kontaktieren Sie uns einfach per Mail unter lehre@htw-berlin.de. Wir freuen uns auf Ihre Anfragen!

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