Wärme muss bei Bedarf zur Verfügung stehen

Man denkt an Magie, doch es ist Chemie: Prof. Dr. Asnakech Laß-Seyoum gibt eine Handvoll Kügelchen in einen Plastikbehälter, besprüht sie mit Wasser, und schon beginnt der Becher, Wärme in der Hand zu verbreiten. Thermochemische Speicherung heißt das Prinzip, das Wissenschaftler*innen in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern im Forschungsprojekt „Heat2Share“ in Brandenburg erproben werden. Das Ziel: Wärme soll nicht nur zur Verfügung stehen, wenn sie erzeugt wird, sondern auch dann, wenn Bedarf besteht: eine noch nicht ausreichend gelöste Herausforderung bei der Nutzung von regenerativen Wärmequellen.

Komposite sind besonders vielversprechend

„Wir begannen mit dem Technologie-Reifegrad 1, also ganz unten“, blickt Prof. Dr. Laß-Seyoum zurück. Im Labor galt es erst einmal herauszufinden, welches Material sich für die thermochemische Speicherung eignet, und zwar für den Niedertemperaturbereich unter 100 Grad; für höhere Temperaturen sind sogenannte Zeolithe – die erwähnten Kügelchen - bereits hinreichend gut erforscht. Als vielversprechend erwiesen sich Komposite, ein Verbund aus porösem Trägermaterial und Salzhydrat.

Das System funktioniert

Von den ersten Materialexperimenten hat sich das Team zu den nächsten Technologie-Reifegraden (TLR) hochgearbeitet. Auf dieser als ISO-Norm etablierten Skala werden in Europa Forschungsprojekte und Zukunftstechnologien bewertet. Von den insgesamt neun Stufen haben die HTW-Wissenschaftler*innen inzwischen TLR 6 erreicht. „Unser System funktioniert“, erklärt Prof. Dr. Laß-Seyoum. Damit meint sie auch das technische System und die dazugehörige intelligente Mess- und Regelungstechnik, die dafür sorgen soll, dass Wärme auf Wunsch und bedarfsgerecht „ausgespeichert“ wird, es in der Fachsprache heißt. An deren Entwicklung und Erprobung sind ihre Kollegen Prof. Dr. Joachim Twele und Prof. Dr. Mikro Barz beteiligt.

Praktische Erprobung in Brandenburg

Im brandenburgischen Barenthin wird nun unter realen Bedingungen, aber ohne Gefahr für die Versorgung der ca. 30 Wohneinheiten erprobt, ob und mit welchen Resultaten das Konzept in das Energienetz integriert werden kann. Wärme wird dort derzeit von einem Blockheizkraft erzeugt, dass seinen Brennstoff von einer Biogasanlage bezieht. Vier Speichermodule mit einem Volumen von insgesamt ca. zwei Kubikmetern sollen die Wärme als Puffer zwischenspeichern und bei Bedarf wieder abgeben. „Das funktioniert im Idealfall auch nach drei Jahren ohne Verluste“, sagt Prof. Dr. Laß-Seyoum.

Technologiereife im Zuge des nächsten Projekts

Eine ausgereifte Technologie gibt es derzeit nur als Wasser-Pufferspeicher. Ihr Manko: starke Wärmeverluste und eine geringere Energiedichte. Ziel des Teams ist es daher, eine effiziente und flexibel einsetzbare Technologie, die thermochemischen Speicher, zu entwickeln und auf einen Technologiereifegrad von TRL 8 zu überführen. Der Antrag für das Folgeprojekt ist schon gestellt. Speichern wird das A und O für das Gelingen der Energiewende sein.