Jörg Maier-Rothe

Jörg Maier-Rothe

Jörg Maier-Rothe kam nach seinem Abitur in München an die Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main, wo er „Visuelle Kommunikation“ mit den Schwerpunkten Film, Fotografie und Raumkonzepte studiert hat. Seit 2012 ist er an der HTW Berlin und hat hier in verschiedenen Bereichen und Projekten gearbeitet. Seit 2020 unterstützt er das Lehrenden-Service-Center, kurz LSC, im Bereich Medienproduktion und -didaktik.

Dein Selbstverständnis von guter Lehre?

Gute Lehre lernt nie aus, sie hinterfragt die eigenen Konzepte und versucht neue Wege zu gehen. Lehren bedeutet auch immer lernen, auch für die Lehrenden. Ich verstehe eine Lehrperson als Begleitung bzw. Coach. Und dies in einem Prozess, wo wir alle miteinander lernen. Für mich ist die soziale Dimension unglaublich wichtig. Deshalb finde ich, dass man Präsenzzeit eher dazu nutzen sollte, Wissen zu diskutieren oder praktisch anzuwenden. Darüber hinaus erscheint es mir wichtig, die Lernenden auch in die Lehre zu integrieren, als Teilhabende in diesem Prozess, dass sie selbst zu Lehrenden werden.

Welchen Themen gilt deine größte Leidenschaft?

Ich bin sehr offen und mag es ganz allgemein sehr, mich in neue Themen einzuarbeiten, immer wieder etwas Neues zu versuchen, auf Experimente einzulassen und Lösungen für Probleme zu finden. Was mich aktuell gemeinsam mit meiner Kollegin Lala sehr umtreibt, ist das Thema „Open Educational Resources“ (OER). Das sind Lehr-Lernmaterialien, die unter offener Lizenz frei zur Verfügung stehen, geteilt und kollaborativ weiterentwickelt werden können, also qualitativ hochwertige, frei verfügbare Bildungsmaterialien für alle. Der Zugang zu Bildung ist ja ein Menschenrecht, aber die soziale Wirklichkeit ist anders, und Bildungschancen sind ungleich verteilt. Hier würde ich mir mehr Offenheit und Sichtbarkeit wünschen. Gerne würde ich für das Thema mehr sensibilisieren, ich denke, dass eine gute Bildung eine Antwort auf viele Probleme in unserer heutigen Gesellschaft bieten kann. Außerdem ließe sich mit OER, durch den gemeinsamen Austausch und der Wiederverwendung von Lehr-Lernmaterialien, insgesamt eine Menge Zeit und Ressourcen sparen.

Inwiefern hat Corona deinen Arbeitsbereich verändert?

Die Entwicklung war krass. Vor der Pandemie habe ich einige Klinken geputzt. Ich bin in den Fachbereichen rumgelaufen und habe das Thema digitale Lehre angesprochen. Viele hatten Lust drauf, haben es aber dann doch nicht weiterverfolgt. Bis dahin war das Thema einfach noch nicht in Lehr- und Lernkonzepte integriert. Das war für mich manchmal schon ein wenig frustrierend. Mit Corona ging das Thema digitale Lehre dann komplett durch die Decke, alle wollten und mussten ja auch was machen. Es war kaum zu bewältigen. Auch mit Blick auf die technische Bereitstellung, das war echt viel. Man kann also sagen, dass Corona ein Booster für das Thema war.

Woran arbeitest du aktuell?

Da gibt’s mehrere Sachen. Das Tagesgeschäft nimmt natürlich viel Zeit in Anspruch, also die Begleitung, das Coaching und die Medienproduktion als solches. Dann wollen wir einen Selbstlernkurs im Bereich Medienproduktion aufbauen, damit Lehrende grundlegende Dinge an die Hand bekommen, bevor sie bei uns aufschlagen. Auch wollen wir das Videostudio in der Treskowallee zum Fliegen bringen. Es soll von Lehrenden eigenständig genutzt werden können, hier fehlt noch der letzte Schliff.

Was würdest du gerne umsetzen, wenn Geld keine Rolle spielen würde?

Da mich die Mediathek, mit der Lehrfilme bereitgestellt werden, schon seit Tag eins einiges an Nerven kostet, fände ich es klasse, im Hochschulverbund eine gemeinsame Plattform aufzuziehen. Dort könnte man dann auch den Gedanken von Open Educational Resources reinbringen. Darüber hinaus würde ich gerne die Architektur der Hochschule umbauen. Weg von der frontalen Lehrsituation hin zu mehr ungezwungenen Lern- und Begegnungsräumen. Ich fände es großartig, Lernräume zu schaffen, die mehr auf Augenhöhe sind, weg von der frontalen „Drucktankbefüllung“. Da gibt es an der Hochschule auch schon ein paar gute Ansätze.

Was bedeutet für dich Diversität?

Soziologisch betrachtet bedeutet Diversität Vielfalt. Das hört sich erstmal schön an. Darin stecken aber auch Gegensätze und Widersprüche. Die sind für mich aber selbstverständlich. Das Schöne ist ja das Spannungsfeld, in dem ein Austausch stattfindet und in dem man gemeinsam wachsen kann. Wenn alles gleich wäre, würden mir vor Langeweile die Füße einschlafen. Diversität ist deshalb für mich die absolute Grundlage für eine gesunde Gesellschaft und Demokratie.

Mit wem würdest du gerne einen Kaffee trinken?

Mit meiner Mutter, die habe ich tatsächlich länger nicht gesehen. Ich versuche eigentlich immer, alle drei Monate meine Eltern zu besuchen.

Jörg Maier-Rothe im LSC Jörg Maier-Rothe vor einem herbstfarbenen Baum auf dem Campus Wilhelminenhof
Jörg Maier-Rothe im Videostudio auf dem Campus Wilhelminenhof

Kontakt zum LSC

Das Lehrenden-Service-Center berät Lehrende der HTW Berlin zu Lehre und Digitalisierung. Sie erreichen das Team unter lehre@htw-berlin.de. Wer das LSC persönlich besuchen möchte, findet es am Campus Wilhelminenhof (Raum WH B 004).

Das Interview führte Hannah Weißbrodt, Team Kommunikation
Fotos: HTW Berlin/Alexander Rentsch

Berlin, 31. Oktober 2023