Informatik Festival: Mehr als eine Zukunft

Die 53. Jahrestagung der GI präsentiert sich im neuen Gewand als Informatik Festival. Was steht hinter dem neuen Konzept?

Unsere Jahrestagung hat eine lange Tradition und wird von den Mitgliedern sehr geschätzt. In diesem Jahr haben wir uns zum Ziel gesetzt, damit auch noch mehr junge Menschen anzusprechen. Neben einem attraktiven Rahmenprogramm, zu dem auch einige Abendveranstaltungen in typisch Berliner Locations gehören, bieten wir mehr als 50 Workshops an, die die Informatik in ihrer ganzen Vielfalt zeigen: von ethischer KI bis zur Karriereplanung für Nachwuchswissenschaftler*innen. Für noch mehr Abwechslung sorgen unsere Partnerkonferenzen, die Studierendenkonferenz SKILL und die Deutsche Konferenz für Künstliche Intelligenz (KI2023). Aber wir haben uns nicht nur inhaltlich, sondern auch organisatorisch Gedanken gemacht, wie wir das Event neu denken können.

Inwiefern?

Wer nicht vor Ort in Berlin sein kann, hat dieses Jahr die Möglichkeit, das Hauptprogramm und einige Workshops hybrid über unsere Festival-Plattform zu verfolgen. Die Inhalte sind bis zu vier Wochen nach der Veranstaltung abrufbar. Zudem ermöglicht es die neue Plattform, gezielt Kontakte zu knüpfen und sich mit der Community zu vernetzen. Was uns darüber hinaus noch am Herzen liegt, ist das Thema Nachhaltigkeit. Bei der Auswahl des Kaffees haben wir zum Beispiel auf eine nachhaltige Lieferkette geachtet, es gibt öffentliche und kostenlose Wasserspender und das Catering ist ausschließlich vegetarisch.

Das Leitthema der Tagung ist „Designing Futures – Zukünfte gestalten“. Warum im Plural?

Wenn wir von Zukunft sprechen, dann gibt es nicht die eine Zukunft, das würde der Vielfalt der Perspektiven und der Lebenswelten in unserer Zeit einfach nicht gerecht werden. In der Zukunftsforschung hat es sich daher etabliert, von Zukünften im Plural zu sprechen. Mit „Designing Futures“ setzen wir einen Impuls, um die großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen wie die Dekarbonisierung oder den demografischen Wandel anzugehen, bei denen die Digitalisierung – und somit die Informatik – eine entscheidende Rolle spielt. Gemeinsam wollen wir der Frage nachgehen, wie die Gestaltung von und durch Technologien aussehen kann, um diesen Herausforderungen zu begegnen.

Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte der Tagung?

Der erste Tag steht gemeinsam mit der Konferenz KI2023 ganz im Zeichen der künstlichen Intelligenz. Wie können KI-Projekte für und mit den Bereichen Medizin, Verkehr und Justiz transparent gestaltet werden? Wie kann KI die Forschung in den Geisteswissenschaften unterstützen? In unserem Hauptprogramm widmen wir uns dem Thema aus der Perspektive von Bildung und Politik: Wie verändert generative KI unser Bildungssystem? Wie sieht die Zukunft des KI-Standorts Deutschland aus? Mit unserer Fachgruppe Frauen und Informatik diskutieren wir in einem Panel die Ergebnisse der Studie #FrauWirktDigital, die untersucht hat, wie es gelingen kann, mehr Frauen für die Informatik zu gewinnen. Auch das Thema Nachhaltigkeit wird beleuchtet, unter anderem mit dem Projekt Climate Data Entrepreneurial Club, das jungen Menschen Data Science anhand von Satellitendaten näherbringt.

Wer sind die Teilnehmer*innen?

Für mich ist es immer wieder schön zu sehen, wie auf dieser Veranstaltung ganz unterschiedliche Menschen aus der Community, von Praxis über Forschung bis hin zum Nachwuchs, also Studierende, ins Gespräch kommen. Deshalb freue ich mich, die GI-Mitglieder dort wiederzusehen und auch viele neue Gesichter aus der Informatik-Community und von unseren Industriepartnern kennenzulernen.

Erstmals findet die GI-Jahrestagung an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften statt. Warum haben Sie sich für die HTW Berlin entschieden?

Es ist uns wichtig zu betonen, dass Informatik nicht nur an Universitäten stattfindet – wir wollen alle erreichen und gleichermaßen einbinden. Die HTW Berlin bietet eine sehr praxisnahe Forschung und steht mit ihren 80 Studiengängen für eine vernetzte Zusammenarbeit. Der tolle Campus direkt an der Spree, das gute Verhältnis zum Team und der Standort Berlin haben uns die Entscheidung leicht gemacht. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei den Mitarbeitenden der HTW Berlin, insbesondere bei Volker Wohlgemuth, und beim Studierendenwerk bedanken. Die Vorbereitungen laufen wie geschmiert und wir freuen uns schon sehr auf die Veranstaltung!

Der Fachkräfte-Mangel trifft alle Branchen und Bereiche, Informatiker*innen werden seit Jahrzehnten jedoch besonders gesucht. Sehen Sie eine Zukunft, in der sich mehr junge Menschen für ein Informatik-Studium begeistern? Wie kann das gelingen?

Dazu brauchen wir vor allem ein eigenes Pflichtfach Informatik an den Schulen. Damit können wir junge Menschen viel besser erreichen und für das Fach begeistern. Daran führt auch kein Weg vorbei, wenn es um Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit geht. Übrigens sollten wir auch mit dem Klischee aufräumen, dass zum Beispiel Softwareentwicklung nur aus Programmieren besteht – in Wirklichkeit ist in diesen Berufen auch immer gute Teamarbeit gefragt. Dafür braucht man viele Fähigkeiten, die wir noch besser vermitteln müssen. Bisher ist das Berufsbild noch nicht so greifbar und klar wie zum Beispiel das einer Ärztin. Übrigens: Auch wer nicht sein ganzes Leben lang den gleichen Job machen will, ist in der IT-Branche genau richtig: Die Berufsbilder ändern sich mit jeder neuen Technologie, alle Branchen und Unternehmen stehen heute bereits durch die Digitalisierung vor großen Veränderungen, es bleibt also immer spannend.

Sie vertreten die Interessen von Informatiker*innen in Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Was sind aktuell besondere Herausforderungen?

Die Förderung der Geschlechter- und Chancengerechtigkeit liegt mir am Herzen, deshalb steht für mich angesichts des großen Fachkräftemangels im MINT-Sektor die Bildung an erster Stelle. Sie ist der Schlüssel, wenn wir in Deutschland Innovationsstandort bleiben wollen. So können wir zum Beispiel ohne mehr Datenkompetenz KI nicht differenziert betrachten, was wiederum die gleichberechtigte Teilhabe erschweren kann.