Gründerinnen ermutigen und ihre Selbstwirksamkeit stärken

Aus der deutschen Startup-Szene ist es nicht mehr wegzudenken: das Förderprogramm „EXIST – Existenzgründungen aus der Wissenschaft“. Jetzt hat es eine Schwester bekommen: EXIST-Women. Die neue Förderlinie richtet sich speziell an gründungsinteressierte Frauen. Mehr als 100 Hochschulen bundesweit, darunter auch die HTW Berlin, haben sich darum beworben, Stipendien über EXIST-Women ausreichen zu dürfen. Prof. Dr. Heike Hölzner, Expertin für Entrepreneurship, hat maßgeblich am - erfolgreichen - Antrag der Hochschule mitgewirkt. Im Interview spricht sie darüber, warum sie die neue Förderlinie für sinnvoll hält und was sich dahinter verbirgt.

Warum eine eigene Förderlinie für gründungsinteressierte Frauen?

Prof. Dr. Heike Hölzner: Ich begrüße es sehr, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die neue Förderlinie aufgelegt hat. Denn der im September 2023 erschienene Deutsche Startup Monitor zeigt, dass der Frauenanteil im Bereich technologieorientierter Startups bei etwa 20 Prozent stagniert. Nach einem langsamen, aber immerhin stetigen Wachstum zwischen 0,5 und 0,8 Prozent in den letzten Jahren, bewegt sich nun von allein einfach nichts mehr.

Wo setzt das Programm an?

Tatsächlich ist es nicht einfach, ein kluges Programm zu konzipieren. Denn das Problem liegt nicht darin, dass Frauen weniger Know-how oder ein geringeres Interesse haben, sich selbstständig zu machen. Der Punkt ist vielmehr, dass sie ihre Chancen auch bei vergleichbaren Fähigkeiten schlechter einschätzen als Männer. Frauen stellen ihre Qualifikation und ihre Ideen öfter in Frage. Diese Erfahrung zieht sich wie ein roter Faden durch meine Arbeit als Startup-Coach und das beobachte ich auch in meinen Lehrveranstaltungen in der Vertiefung Entrepreneurship. Es wäre also kontraproduktiv, wenn die Förderlinie wie eine Art Nachhilfe daherkäme. Die brauchen Frauen nämlich nicht.

Das Ministerium war sich der Zweischneidigkeit des Themas zum Glück bewusst und hat bei der Ausarbeitung der Förderrichtlinie die Erfahrungen der Hochschulen einbezogen. Auch ich hatte die Gelegenheit, meine Gedanken zu äußern und mich für eine potenzial- statt defizitorientierte Förderung stark zu machen. Im Ergebnis setzt EXIST-Women in einer sehr frühen Phase der Existenzgründung an, wenn Ideen noch nicht vorhanden oder nicht ausgereift sind. Dann gilt es, Frauen in geeigneter Form zu ermutigen den nächsten Schritt zu gehen, ihre Selbstwirksamkeit zu stärken und Zugang zu starken Netzwerken zu ermöglichen.

Was bietet EXIST-Women konkret?

Gründungsinteressierte Frauen können drei Monate lang ein Stipendium bekommen, erhalten außerdem einmalig Sachmittel und haben die Möglichkeit, ein ganzes Jahr Coaching in Anspruch zu nehmen. Sie erhalten Zugang zur Infrastruktur der Hochschule rund um das Thema Existenzgründung, zu unseren Netzwerken und bekommen eine Mentorin zur Seite gestellt. An der HTW Berlin haben wir in den letzten Jahren enorm viel aufgebaut. Gut für potenzielle Gründerinnen, aber auch gut für uns, denn diese exzellente Gründungsstruktur wird uns bei der praktischen Umsetzung der Förderlinie helfen. Die Hochschule muss so ein Programm ja managen, aus dem Nichts kann man das nicht stemmen. Die Verwaltungspauschale für die betreuende Einrichtung ist mit 10.000 Euro recht knapp bemessen. Das Gros der insgesamt 6,5 Millionen Euro, die das Ministerium für alle Hochschulen zur Verfügung stellt, kommt den potenziellen Gründerinnen zugute.

Wie wird die Förderlinie praktisch umgesetzt?

Das Team „HTW Startup“ und ich werden einige gründungsinteressierte Frauen gezielt ansprechen. Andere hoffe ich als Professorin in Lehrveranstaltungen zu finden, vermutlich im Tandem mit einer Gründerin, die von ihren Erfahrungen berichtet. Und wir werden ganz klassisch kommunizieren, also in Beratungen und auf unserer Webseite über die Förderlinie informieren.

Für die - hoffentlich zahlreichen - Bewerberinnen planen wir einen zweistufigen Auswahlprozess. Zunächst wollen wir in einem Workshop mit allen Kandidatinnen über ihre Gründungsideen sprechen. Jede Teilnehmerin soll Gelegenheit bekommen, ihre Idee zu reflektieren, sie weiterzuentwickeln und persönlich voranzukommen. Ein vierköpfiges Auswahlgremium wird dann darüber entscheiden, wer die insgesamt zehn Stipendien bekommt, die wir als HTW Berlin vergeben dürfen.

Wie bewerten Sie EXIST-Women als Expertin für Entrepreneurship?

In der Gesamtschau sehr gut, da waren Überzeugungstäter*innen am Werk, wie ich auch aus persönlichen Gesprächen weiß. Das Ministerium hat die Hürden für Bewerberinnen bewusst niedrigschwellig gehalten und die Richtlinie sehr flexibel gestaltet. Gefördert wird themen- und technologieoffen, Bewerberinnen können nebenbei arbeiten und studieren, auch darf das Stipendium mit weiteren Förderprogrammen verbunden werden. Man will wirklich Gründungspersönlichkeiten entwickeln, keiner starrt darauf, ob eine vorgegebene Anzahl an Gründungen erfolgt. Das alles ist aus meiner Sicht einzigartig und nach meiner Erfahrung im Bereich Entrepreneurship auch erfolgversprechend. Auf die Evaluation der Förderlinie bin ich trotzdem gespannt. Es ist ja ein Pilot, dessen Laufzeit vorerst auf ein Jahr begrenzt ist.

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