Der Umwelt zuliebe: Waschen statt Wegwerfen

Mit komplexen Stoffgeweben kennt sich Prof. Dr. Elisabeth Eppinger aus. Die Expertin für Fasern und Textilien hat unter anderem schon die Arbeitsbekleidung von australischen Buschfeuerwehrleuten weiterentwickelt. Im Projekt „ReMenTex“ hatte sie Alltäglicheres im Blick: Menstruationsunterwäsche. Was müssen Periodenunterhosen können, die anders als Tampons nach Gebrauch nicht im Müll landen, sondern gewaschen und wieder getragen werden? Und wie lässt sich ihre Qualität genau bestimmen? „Bis heute gibt es keine Prüfnorm für die Funktionsfähigkeit dieser speziellen Slips“, konstatiert die Textilingenieurin im Studiengang Bekleidungstechnik/Konfektion. Außerdem mangele es sowohl an Innovationen als auch an Forschung. Prof. Dr. Eppinger führt das auf eine mangelnde Lobby zurück. Für Frauenthemen gebe es weniger Forschungsprogramme und Kapital für Unternehmensgründungen. Hinzukomme beim Thema Menstruation, dass diese in allen Kulturen als unrein gilt und mit einem Tabu besetzt ist. Mit ihrem Projekt, das vom Institut für angewandte Forschung Berlin (IFAF Berlin) unterstützt wurde, ist sie das Problem wissenschaftlich angegangen.

Jedes Jahr kommt viel Abfall zusammen

Noch ist der Marktanteil der vor wenigen Jahren als umweltfreundliche Alternative zu Einwegprodukten entwickelten Menstruationsunterhosen marginal. Aus Gründen der Nachhaltigkeit sollte das aber nicht so bleiben, findet Prof. Dr. Eppinger. Denn bei 30 Millionen Frauen allein in Deutschland, die jeden Monat menstruieren, kommt viel Abfall zusammen. Tampons bzw. Binden aus Zellstoff bzw. Zellulose werden entweder zusammen mit dem Restmüll auf Deponien verbrannt. Oder sie landen in der Kanalisation, wo sie immer wieder Probleme bereiten.

Unternehmen in der Textilbranche stärken

Mittelfristig verfolgt die Textilingenieurin allerdings noch ein anderes Ziel: Sie will mit ihrer Forschung dazu beitragen, dass die von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) geprägte deutsche Textilbranche in der Lage ist, funktionsoptimierte und nachhaltige Menstruationsunterwäsche auf den Markt zu bringen. Das könnte, so die Vision, die Wettbewerbsfähigkeit der KMU steigern, auf dem Binnenmarkt und auf dem europäischen Markt.

Menstruationswäsche muss alltagstauglich sein

Damit Frauen von Tampons auf Menstruationsunterhosen umsteigen, müssen sie freilich alltagstauglich sein. „Bei dieser Wäsche ist keine geringe Performance gefordert“, sagt Prof. Dr. Eppinger. Die oberste Schicht des mehrlagigen Funktionsstoffs, der in einen herkömmlichen Slip integriert wird, muss durchlässig sein und darf kein irritierendes Feuchtigkeitsempfinden hinterlassen. Die mittleren Lagen hingegen müssen Flüssigkeit für einen bestimmten Zeitraum zuverlässig speichern und einen Auslaufschutz bieten.

Alle testen nach eigenen Verfahren

In den letzten Jahren sind eine Reihe Periodenunterhosen auf den Markt gekommen, die versuchen, diese Anforderungen zu erfüllen. Der Großteil wird von engagierten Gründerinnen im Direktvertrieb vermarktet. „Doch es gibt keine normgerechte Prüfung, mit der sie die qualitativen Eigenschaften beweisen müssen bzw. beweisen können“, beklagt die Textilingenieurin. Vielmehr würden Labore und Unternehmen nach eigenen Verfahren testen, in der Regel nicht unter physiologisch vergleichbaren Bedingungen, sodass ihre Angaben weder vergleichbar noch verlässlich seien.

Eigener Prüfaufbau an der HTW Berlin

So weit, so schlecht. Prof. Dr. Eppinger hat deshalb im Projekt „ReMenTex“ zusammen mit ihrem Laboringenieur Bernd Schmidt und Studierenden einen Prüfaufbau entwickelt und erprobt, um die gängigen Menstruationsunterhosen möglichst realitätsnah testen zu können. Die Charakterisierung der Rezepturen für die Simulation von Menstruationsblut steuerte der Studiengang Life Science Engineering bei, genauer gesagt Prof. Dr. Anja Drews und ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter Tobias Fries. Nach drei Monaten war klar: Alle Produkte haben Verbesserungspotenzial, die Nähte sind oft undicht, ein besonders kritischer Punkt ist der Beinausschnitt. Ein nicht minder wichtiges Ergebnis: Meistens besteht mindestens eine der Textilschichten aus synthetischen Fasern, vor allem aus Polyester, Polyamid und Elastan, also Mikroplastik, das bekanntlich schlecht für die Umwelt ist. Das Fazit von Prof. Dr. Eppinger: „Nur wenn sich Menstruationsunterhosen schneller und länger trocken anfühlen, stellen sie für die breite Masse eine echte Alternative zu Binden und Tampons dar.“

Entwicklung einer Prüfmethode

Die Wissenschaftlerin will es bei diesen Erkenntnissen nicht bewenden lassen, sondern das Projekt „ReMenTex“ nunmehr produktiv machen. In einem Folgeprojekt soll erstens eine valide Prüfmethode für Menstruationsunterhosen entstehen und selbige in eine Norm für deren Beurteilung überführt werden. Immerhin ist Prof. Dr. Eppinger auch stellvertretende Obfrau der deutschen DIN-Arbeitsgruppe im ISO Normausschuss für Menstruationsprodukte.

Slips aus umweltfreundlichen Garnen

Zweitens plant die Textilingenieurin, in Kooperation mit dem Faserinstitut Bremen und dem in Chemnitz ansässigen Sächsischen Textilforschungsinstitut, funktionstüchtigere Menstruationsunterhosen aus umweltfreundlichen Garnmaterialien zu entwickeln, nämlich aus biobasierten synthetischen Garnen. Beide Institute verfügen über einschlägiges Know how zu Fasern und haben selbst diverse Prüfverfahren und -vorschriften entwickelt bzw. etabliert. Mittelfristig, so ihre Überlegung, könnte so ein neues Geschäftsfeld für die von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägte deutsche Textilbranche entstehen. Allein für Deutschland, hat sie errechnet, könnte sich bei einer jährlichen Anschaffung von drei Periodenunterhosen mit einem Durchschnittswert von 20 Euro ein Umsatz von 96 Millionen Euro ergeben. Tendenz steigend.

Auch für andere Produkte interessant

Außerdem könnten die neuen Garne auch für ganz andere Produkte und Unternehmen interessant sein, wagt Prof. Dr. Eppinger einen Blick in die Zukunft. Für Inkontinenzwäsche beispielsweise, für Windeln oder Wundauflagen. Auch bei Sport- und Funktionskleidung sei ein schneller Feuchtetransport von Vorteil, genauso bei Arbeitskleidung. Die Umwelt würde davon profitieren.

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