Wohlstand geht mit Klimaschutz zusammen

Können wir uns teure Investitionen in den Klimaschutz wirklich leisten? Oder geraten dadurch Arbeitsplätze und Wirtschaft in Gefahr? Die Frage ist falsch gestellt, sagt Prof. Dr. Barbara Praetorius. Denn zu einer soliden Gesamtrechnung gehören nach Ansicht der Volkswirtin und Politikwissenschaftlerin auch jene Kosten, die anfallen, wenn man nicht (!) in den Klimaschutz investiert. Im Interview erläutert die Wissenschaftlerin, warum sie die Transformation hin zu einer grünen Wirtschaft für unabdingbar hält. Prof. Dr. Praetorius forscht seit vielen Jahren zu den Themen Umwelt-, Nachhaltigkeits-, Klima- und Energieökonomie. Sie war 2018 bis 2019 eine der Vorsitzenden der sogenannten Kohlekommission der Bundesregierung.

Geht Klimaschutz auf Kosten von Wohlstand?

Prof. Dr. Praetorius: Das war bis vor einiger Zeit noch der übliche Narrativ, weil man nur die Kosten des Klimaschutzes gesehen hat. Doch inzwischen dreht sich die Wahrnehmung:  Heute werden die Risiken des Klimawandels und die Folgekosten der ungebremsten Umweltverschmutzung und Ressourcenknappheit von der Wirtschaft zunehmend als Bedrohung wahrgenommen. „Extremwetter“ stand zuletzt auf Platz 1 des „Global Risk Report 2021“, den das Davoser Weltwirtschaftsforum herausgibt. Und wenn beispielsweise wichtige Wasserstraßen aufgrund von extremer Trockenheit nicht mehr benutzt werden können, hat das bereits heute erhebliche wirtschaftliche Folgen. Das Thema ist in der Wirtschaft angekommen und allen ist klar: Klimaschutz und Wirtschaft müssen zusammengehen. Die Frage ist nicht mehr „ob“, sondern „wie“!

Von welchen Größenordnungen reden wir da eigentlich?

Der britische Ökonom Sir Nicholas Herbert Stern, der die englische Regierung berät, hat im so genannten Stern-Report 2006 dargelegt, dass Klimaschutz nur etwa ein Fünftel dessen kostet, was wir bei ungebremstem Klimawandel in Form von Folgekosten zu tragen hätten. Wirklich teuer wird für uns also der Klimawandel. Diese Größenordnung lässt sich auch für Deutschland belegen: Wenn man als Indikator für die Klimaschutzkosten die Investitionssummen nimmt, die zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) für eine erfolgreiche Energiewende erwartet, und diese mit den Folgekosten des Klimawandels abgleicht, die das Umweltbundesamt auf 195 Euro je Tonne Kohlendioxid schätzt, dann liegt das Verhältnis hier ebenfalls in etwa bei 1:5.

Also bleibt gar keine Wahl?

Wir können und müssen in der Tat in den Klimaschutz investieren, aber das heißt nicht, dass wir vollständig auf Wohlstand und Wachstum verzichten müssen. Denn “grüne“ Technologien schaffen neue Märkte – das Exportgeschäft für solche innovative Anlagen und Techniken entwickelt sich schon heute deutlich dynamischer als andere Branchen. Denn weltweit wächst die Nachfrage nach CO2-neutraler Energieerzeugung, Energieeffizienz und den zugehörigen Dienstleistungen. Und natürlich muss man zugleich sehr vorsichtig an das Thema Wachstum herangehen, denn auch grüne Technologien verbrauchen Ressourcen und sind dadurch klimarelevant. Doch es ist definitiv möglich, anders als bisher zu wirtschaften.

Was muss sich ändern?

Wir brauchen ein neues Leitbild für die Wirtschaft. Das Umweltbundesamt nennt es „Green Economy", in anderen Konzepten ist von einer „Doughnut Economy" die Rede, also einem Wirtschaften im Rahmen der planetaren Grenzen, das allen ein gutes Leben erlaubt. Weitere Konzepte sind zum Beispiel die Postwachstumsökonomie oder Gemeinwohlökonomie. Wie auch immer: Die Wirtschaftsweise der Zukunft muss im Einklang mit Natur und Umwelt stehen.

Aber ist die Industrie bereit dazu?

Definitiv ja. Früher gab es Blockaden, aber selbst die energieintensiven Industrien wissen, dass es nicht weiter gehen kann wie bisher. Man arbeitet schon seit Längerem an Projekten und Prozessen, wie bspw. die Stahlproduktion CO2-neutral gelingen kann. Die Zeit drängt dabei doppelt, denn Unternehmen stehen im Wettbewerb. Je früher man innovative Technologien anbieten kann, desto besser für den Wirtschaftsstandort Deutschland und seine Position auf dem Weltmarkt.

Welche staatlichen Anreize soll es geben?

Verschiedene. Wenn man die Kosten weitergibt wie derzeit beispielsweise über den Emissionshandel oder den CO2-Preis, dann merken die Verbraucher_innen, dass sich Klimaschutz lohnt. Man kann auf diese Weise die externen Kosten internalisieren, aber auch beispielsweise die öffentliche Beschaffung verpflichten, nachhaltige Produkte zu kaufen und die Unternehmen bei der Umstellung der Produktion unterstützen. Auch der Gesetzgeber ist gefragt, denn vieles wird nicht von selbst passieren. Wir brauchen Änderungen von Baunormen und Vorschriften, also neue Standards für eine Kreislaufwirtschaft. Auch mit unseren Abfällen müssen wir anders umgehen. Das alles muss selbstverständlich von Anbeginn auch zum Beispiel für Elektroautos und Batterien mitgedacht werden.

Wird das ausreichen?

Meines Erachtens wird das alles nicht genügen. Vielmehr muss sich die Art unseres Wirtschaftens grundlegend verändern. Wir müssen Konsum anders bewerten. Es ist ein langer Weg, aber wir müssen ihn gehen. Uns bleibt keine Alternative als die Transformation zu einer grünen Wirtschaft hinzubekommen, denn wir müssen unsere Lebensgrundlagen schützen.