Jetzt muss das MAT-CH-Verfahren validiert werden

Prof. Dr. Alexandra Jeberien hat beide Tests nebeneinander aufgebaut. Der Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Equipment springt ins Auge: In dem wackeligen Plastikständer zur Linken befinden sich kleine Reagenzgläser mit gelblichen Silikonstopfen, für die Metallplättchen von Hand zugeschnitten und irgendwie befestigt werden müssen. Im soliden Metallrahmen zur Rechten stehen Kolben von komfortabler Größe mit Glasverschluss und integrierten Glashaken, an denen sich die Testplättchen dank Bohrung einfach aufhängen lassen. „Alles ready to use“, freut sich die Wissenschaftlerin über die erfolgreiche Produktentwicklung. Jetzt muss der Schadstofftest für Museen, Sammlungen und Archive „nur“ noch wissenschaftlich validiert werden. Dafür hat Prof. Dr. Jeberien erneut Fördermittel beantragt.

Emissionen können Kulturgütern schaden

Es geht um nichts Geringeres als um den Schutz von wertvollen Kulturgütern, um archäologische Metalle und Gläser beispielsweise oder naturkundliche Präparate, um Münzen, technische Geräte oder historische Fotos und Filme. Denn sie alle sind in Vitrinen, Schränken oder Verpackungsmaterialien vielfältigen Emissionen ausgesetzt. „Holzvitrinen können beispielsweise organische Verbindungen wie Terpene, Aldehyde sowie Essig- und Ameisensäure an die Exponate abgeben“, sagt Prof. Dr. Jeberien. In Depots wiederum, wo 90 bis 95 Prozent der Bestände in Museen, Sammlungen und Archiven aufbewahrt werden, machen den Objekten oft die Lagerbedingungen oder Verpackungen zu schaffen.

Der bisher genutzte Test hat diverse Schwachstellen

Um die Gefahren einschätzen zu können, nutzen Museumsfachleute seit den 1970-er Jahren den nach seinem Entwickler Andrew Oddy benannten Indikatortest nach Oddy, kurz: Oddy-Test. Doch weil davon inzwischen weltweit über zwanzig Variationen kursieren, sind die Ergebnisse weder vergleich- noch reproduzierbar. Außerdem können die aus den Reinmetallen Silber, Kupfer und Blei bestehenden Plättchen, das Herzstück des Oddy-Tests, nur einmal benutzt werden, was weder nachhaltig noch effizient und außerdem teuer ist. Grund genug für Prof. Dr. Jeberien, das in die Jahre gekommene Testverfahren im Forschungsprojekt MAT-CH weiterzuentwickeln.

Ein neuer Test bringt bessere Ergebnisse und spart Zeit

Die Wissenschaftlerin ist gut vorangekommen. Auf das in Zusammenarbeit mit der Glastechnischen Werkstatt Naskowskientwickelten neue Gefäss hält die HTW Berlin ein Europäisches Patent. Der unpraktische Silikonstopfen wurde durch Glas ersetzt, das Volumen des Kolbens vergrößert, sodass mehr Probenmaterial reinpasst. Dünnmetallisch beschichtete und mit einer Bohrung versehene Indikatorplättchen aus Glas, die man an den Haken der Reaktionsbehälter aufhängen kann, ersetzen die Metallplättchen aus Silber, Kupfer und Blei, die bisher manuell zugeschnitten und vor dem Einsatz aufwendig gereinigt werden müssen. „Dadurch ergibt sich eine enorme Zeitersparnis“, freut sich Prof. Dr. Jeberien, von der größeren Nachhaltigkeit ganz zu schweigen. Außerdem seien die Ergebnisse besser vergleichbar, weil die beschichteten Glasplättchen industriell hergestellt und in Folie eingeschweißt werden.

Probeläufe waren bereits erfolgreich

Probeläufe mit bekannten Testmaterialien haben bereits gezeigt, dass die Beschichtungen der Glasplättchen die richtige Stärke, Dichte und Rauigkeit haben. Sie reagieren auf die beprobten Werkstoffe, tun das aber nicht zu früh, können also in Ruhe vom Museumspersonal bestellt und über bestimmte Zeiträume gelagert werden.

Reihenversuche im Labor für die Validierung

Ehe die Prototypen made @ HTW Berlin in größeren Stückzahlen produziert werden können, muss Prof. Dr. Jeberien den wissenschaftlichen Nachweis antreten, dass das von ihr weiterentwickelte Testequipment zu denselben Ergebnissen kommt wie der praxiserprobte Oddy-Test. Nötig sind dafür Reihenversuche für etwa 200 verschiedene Materialien, und zwar fünf Probebehälter pro Material, um der statistischen Relevanz Genüge zu tun. Die Versuche müssen unter definierten Laborbedingungen stattfinden und die Ergebnisse systematisch ausgewertet werden. „Das ist Grundlagenforschung“, sagt die Wissenschaftlerin. Dafür hat sie auf Basis einer weiteren Patentanmeldung noch einmal Mittel beantragt. Als Kooperationspartner ist wieder das Institut für Hochfrequenz und Halbleiter-Systemtechnologie der TU Berlin sowie der OUT e.V. mit im Boot.

Eine Datenbank soll das Museumspersonal unterstützen

Über die Validierung der Tests hinaus schwebt Prof. Dr. Jeberien die Entwicklung einer Datenbank samt Abbildungen der Korrosionen vor, also eine Art Bild- und Referenzkatalog, der dem Museumspersonal bei der Auswertung der Probenergebnisse helfen soll. Außerdem will sie die jeweiligen Korrosionen und Oxidationen auf den Glasplättchen nicht nur visuell dokumentieren, sondern auch messtechnisch unter die Lupe nehmen. Das sei für die Museumspraxis weniger relevant, aber wissenschaftlich interessant, sagt sie. Auch der Katalog profitiere natürlich von größerer Genauigkeit. Wenn alles gut läuft, kann im Anschluss die Vermarktung des neuen Testequipments starten. Und Prof. Dr. Jeberien wird in einem dritten Teilprojekt das Auswertungsverfahren optimieren. „Auch hier ist noch Luft nach oben“, sagt sie und weiß sich darin mit vielen Kritiker*innen einig.

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