Wir suchen Verstärkung für ein tolles Team!

Wie beschreibt man treffend die eigenen Fähigkeiten, wie charakterisiert man seinen Führungsstil? Wer einen neuen Job sucht, feilt sorgfältig an den Formulierungen im Bewerbungsschreiben. Denn jede_r weiß, dass die gewählten Worte eine Rolle spielen für das Bild, das in den Köpfen derer entsteht, die Bewerbungen lesen. „Diese Logik gilt auch andersherum“, sagt Prof. Dr. Helena Mihaljević, Expertin für Data Science und Analytics an der HTW Berlin. Das Wording von Stellenanzeigen kann beispielsweise Männer stärker ansprechen als Frauen oder Bewerber_innen mit Migrationshintergrund ausschließen – ohne, dass dies gewollt sein mag. Längst gibt es digitale Technologien, die Arbeitgebern dabei helfen, ihre Ausschreibungstexte in punkto Diversity zu optimieren. Welches Tool was kann und – wichtiger noch - ob sie überhaupt effizient sind, ist eine der zentralen Fragen, welche die Wissenschaftlerin in einem Forschungsprojekt herausfinden will.

Diskriminierungspotenziale im Blick

Dabei werden neue Technologien aus dem Bereich Personalwesen (Human Resources) – man spricht in diesem Zusammenhang von HR 4.0 - in Bezug auf ihre Gleichstellungs- und Diskriminierungspotenziale sowohl qualitativ als auch quantitativ evaluiert. Partner im Forschungsprojekt mit dem Titel "Divers‐AITecHR" sind die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin sowie mit der HOWOGE und der Gewobag zwei landeseigene Wohnungsbaugesellschaften und der Verein BQN Berlin. Für die Finanzierung sorgt das Institut für Angewandte Forschung Berlin (IFAF Berlin).

200 000 Stellenanzeigen werden ausgewertet

Für das Projekt haben Prof. Dr. Mihaljević und ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin Ivana Müller einen Fundus von ca. 200 000 Stellenanzeigen aus dem Internet zusammengetragen. Auf dieser Basis konnten sie die Tools von vier relevanten Anbieter bereits auf Herz und Niere prüfen. Wie konsistent sind die zugrundeliegenden Methoden, wo kommt es warum zu widersprüchlichen Aussagen? Die beiden HTW-Wissenschaftlerinnen konzentrierten sich dabei auf die statistische Analyse und die Usability der Tools; um die qualitative Bewertung der Texte kümmern sich die Wirtschaftswissenschaftler_innen Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok und Katja Dill von der HWR Berlin. Gemeinsam wird das Team die Stellenanzeigen noch nach Branchen untersuchen und dabei auch die Nachwuchsgewinnung der beiden Landesunternehmen in den Blick nehmen.

Handreichung für die Kooperationspartner

Weder die HOWOGE noch die Gewobag nutzen für ihre Ausschreibungen derzeit eine entsprechende Software. Doch beide Landesunternehmen nehmen ihre Diversity-Strategie ernst und haben deshalb Interesse bekundet, ihre Stellenanzeigen mithilfe eines Tools entsprechend anpassen zu wollen, wenn dies nötig sein sollte. Dafür möchten ihnen die Wissenschaftlerinnen eine maßgeschneiderte Handreichung zur Verfügung stellen sowie interessierten Unternehmen allgemeine Handlungsempfehlungen. Denn noch ist das Wissen über einschlägige Technologien in Deutschland recht überschaubar, sagt Prof. Dr. Mihaljević. Anders als beispielsweise in den Vereinigten Staaten, wo sich die Schreibplattform des Start-ups Textio bei den Personalabteilungen großer Unternehmen bereits enormer Beliebtheit erfreut. „It all begins with how you sound“, wirbt Textio auf seiner Webseite. Wer die besten Bewerber_innen für sich gewinnen möchte, dürfe in Stellenanzeigen auf keinen Fall mit den immer gleichen Phrasen und Keywords operieren. Die Software macht deshalb selbstständig Verbesserungsvorschläge, während der/die Personaler_in eine Stellenanzeige verfasst.

Bis dato fehlt eine echte Wirkungsforschung

Das klingt vielversprechend, allein: „Bis dato gibt es in diesem Bereich keine ernst zu nehmende Wirkungsforschung“, weiß Prof. Dr. Mihaljević. Psychologische Studien würden meist experimentell mit kleinen, akademischen Testgruppen durchgeführt, ergänzt Ivana Müller, die dazu intensiv recherchiert hat. Das Forscherinnenteam will das ändern. Das Quartett wird keine studentischen Testpersonen fiktiv befragen, ob er oder sie sich auf diese oder jene Annonce bewerben würde. Stattdessen wollen sie den Rücklauf auf zwei oder drei unterschiedlich formulierte Versionen von echten Stellenausschreibungen der beiden Wohnungsbauunternehmen auswerten. Echte Anzeigen müssen es sein, denn Fake-Annoncen zu verwenden, wäre unredlich“, sind beide fest überzeugt. Schließlich stecken hinter jeder Bewerbung Menschen mit realen Hoffnungen.  

Ergebnisse bis März 2022

Bei der Effektstudie soll sich herausstellen, ob Variante A einer Stellenanzeige tatsächlich mehr Interesse findet als die Varianten B und C. Womöglich bewerben sich auf die eine Version der Ausschreibung nur zwei Prozent mehr Menschen als auf die andere Version? „Dann wüssten wir, ob sich der Einsatz solcher Tools tatsächlich lohnt, und welche Weiterentwicklungen zu empfehlen wären“, schaut Prof. Dr. Mihaljević in die Zukunft. Bis März 2022 will das Team Ergebnisse vorlegen.

Kontrovers diskutiertes Forschungsfeld

Die Wissenschaftlerinnen bewegen sich mit ihrem Projekt in einem kontrovers diskutierten Forschungsfeld. Dass datengetriebene Technologien im Bereich der Human Resources die Gefahr bergen, Verzerrungen aus früheren Entscheidungen fortzuschreiben und zu automatisieren, ist längst erkannt und wird interdisziplinär rege erforscht. Prof. Dr. Mihaljević freut sich deshalb umso mehr, Tools zu untersuchen, die das Ziel verfolgen, die Umsetzung von Diversity-Zielen im Rekrutierungsprozess zu fördern.

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