Ackern neben dem Studium

Ein junger Gärtner neben seinem Hochbeet

Rote Erdbeeren gedeihen im Beet neben tiefgrünem Rucola. Zarte Urmöhrchen wachsen in Eintracht mit buschigen Zucchinipflanzen. Bienen summen umher und lassen sich auf den gelb-lila blühenden Stiefmütterchen nieder. Die Sonne scheint. Und das Bier für den Grillabend steht schon bereit. Klingt nach Sommeridylle in einer deutschen Kleingartenkolonie. Doch Pustekuchen! Diese Oase wurde nicht von Laubenpiepern, sondern von Studierenden auf dem Campus Wilhelminenhof errichtet.

Die Anfänge
Die Idee, einen "Urban Garden" auf der Brache neben Gebäude H direkt an der Spree anzulegen, stammt von Zeki, einem Studenten der Regenerativen Energien. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda fand sich eine Gruppe interessierter Studentinnen und Studenten zusammen. Nachdem die Hochschulleitung grünes Licht gegeben hatte, wurden im Winter 2015 die ersten Hochbeete gebaut – sowohl in Eigeninitiative als auch institutionell verankert im AWE-Fach "Urban Gardening". Im Frühling 2016 kamen vier Bienenvölker mit rund 40.000 Bienen hinzu. Die Grundlagen des Imkerhandwerks können die Studierenden derzeit im AWE-Fach "Bienenwirtschaft" erlernen.

Den Pflanzen beim Wachsen zuschauen
"Ich finde es faszinierend, wie etwas aus dem Nichts entsteht", begründet Ben, Student der Angewandten Informatik, warum er an der HTW Berlin gärtnert. Damit ist er nicht allein: Inzwischen umfasst der Gemeinschaftsgarten 20 Beete, die von rund 50 Leuten gepflegt werden. Darunter sind nicht nur Studierende der HTW Berlin, sondern auch Bewohnerinnen und Bewohner aus dem Kiez. Noch ist Platz für neue Hochbeete: Baumaterial stellen ein Messebauveranstalter und ein Club aus der Umgebung kostenlos zur Verfügung. Werkzeug und Erde wurden vom Studierendenparlament der Hochschule finanziert. Das Saatgut besorgen sich die Urban Gardener selbst. Bevor jemand ein neues Hochbeet anlegen darf, braucht er oder sie allerdings das Okay des Orga-Teams.

Vom Lern- zum Lebensort
Aus den Pflegepartnerschaften für die Beete haben sich inzwischen Freundschaften entwickelt. "Man ist verpflichtet, die Pflanzen zu gießen. Dann grüßt man sich. Irgendwann grillt man zusammen und tauscht sich über die Pflanzen aus", beschreibt Kommunikationsdesign-Studentin Camilla den Prozess. Mit dem Urban Garden ändert sich auch die Atmosphäre auf dem Wilhelminenhof. "Vorher waren wir nur zum Studieren hier. Jetzt entwickelt sich der Campus von einem Lernort zu einem Lebensort", meint Camilla.

Ein Garten auf Zeit
Noch ist nicht klar, wie lange die Urban Gardener das Gelände nutzen und neue Ideen umsetzen können. Zwar werden in direkter Nachbarschaft bald Parkplätze und ein Beachvolleyballfeld gebaut, aber ein Bauvorhaben, das den Gemeinschaftsgarten bedrohen könnte, steht erst einmal nicht an.