Managementberater in Sachen Grüner Ökonomie
Was macht ein Wirtschaftswissenschaftler mit fachlichen Schwerpunkten in Personalmanagement und Organisation während eines Forschungssemesters in Namibia? „Ich wollte meine Kenntnisse in der Berufspraxis aktualisieren“, sagt Prof. Dr. Martin Klaffke. Das südwestafrikanische Land und Deutschland haben eine Partnerschaft zur Entwicklung der namibischen grünen Wasserstoffwirtschaft geschlossen und dabei ist auch ökonomische Expertise gefragt. Genau die brachte der Professor aus dem Fachbereich 3 ein. „Ich arbeitete wieder als Managementberater, so wie vor meiner Berufung an die Hochschule, nur nicht für die Privatwirtschaft, sondern in der Entwicklungszusammenarbeit“, erzählt er. Weil während seines Aufenthalts Präsidentschaftswahlen stattfanden und Prof. Dr. Klaffke grundsätzlich neugierig ist, schlüpfte er außerdem in die Rolle des Wahlbeobachters. Nicht zu vergessen: Sein Vortrag an der Namibia University of Science and Technology, mit der die HTW Berlin eine Partnerschaft pflegt.
Die GIZ als Kooperationspartner
Kooperationspartner des praxisorientierten Forschungsaufenthalts war die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Sie unterstützt die Bundesregierung weltweit bei der Erreichung ihrer entwicklungspolitischen Ziele. Das Land Namibia hatte sich Prof. Dr. Klaffke selbst ausgesucht. Da er im Master-Studiengang Arbeits- und Personalmanagement das Modul „Sustainability & Diversity Management“ lehrt, interessierte den Wirtschaftswissenschaftler, wie der Aufbau einer grünen Wasserstoffindustrie die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschaft vorantreiben kann.
Auf dem Weg zu einer Grünen Ökonomie
Namibia verfügt über eines der größten Potenziale an erneuerbaren Energien weltweit und bietet damit beste Voraussetzungen, grünem Wasserstoff zu niedrigen Kosten zu produzieren. Die Lichtintensität ist hoch, der Wind weht gerade in den Küsten- und Wüstenregionen kräftig. Aufgrund der geringen industriellen Basis Namibias sind für die aufstrebende grüne Wasserstoffindustrie Infrastruktur, Institutionen sowie Standards und Normen noch zu schaffen. „Was in dem Land mit deutscher Unterstützung seit einigen Jahren passiert, wird Wachstum und Beschäftigung stimulieren und die dortige Gesellschaft inklusiver und gerechter machen“, ist der Wissenschaftler überzeugt. Gleichzeitig helfe die Transition zu einer Grünen Ökonomie dabei, den weltweiten Klimawandel zu bekämpfen. Als Pilotprojekt eröffnet beispielsweise in Namibia das erste afrikanische Eisenwerk, das mit erneuerbar produziertem Wasserstoff die Reduktion von Eisenerz betreibt. Die deutsche Stahlindustrie, so die dahintersteckende Überlegung, könnte perspektivisch grünes Eisen als Vorprodukt importieren und dadurch die eigene CO2-Bilanz verbessern.
Je schneller ein Unternehmen am Start ist...
Der Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft in Namibia ist ein dynamischer Prozess, weiß Prof. Dr. Klaffke. Er belas sich gründlich, ehe er nach Namibia aufbrach, und besuchte vor Ort auch eine Masterclass der GIZ, um sich auf seine Mission vorzubereiten. „Zur Demonstration verschiedener Wasserstoff-Wertschöpfungsketten laufen zahlreiche Pilotprojekte, die sich entweder noch in der Planungs- oder bereits der Bauphase befinden“, sagt er. Nur eines sei klar: Je schneller ein Unternehmen am Start ist, desto besser dessen Aussichten, sich durchzusetzen und Marktvorteile zu erringen.
Meetings, Workshops und Stakeholder-Analysen
Über Unterstützung bei den vielfältigen Entwicklungsprozessen einer grünen Ökonomie sei man deshalb froh gewesen. Der erfahrene Managementberater besuchte Meetings und Workshops mit lokalen Akteur*innen, machte mit ihnen Stakeholder-Analysen, hinterfragte Positionen und erarbeitete kooperativ Strategien sowie zweckmäßige Umsetzungsmaßnahmen. „Ich habe Fragen gestellt und gemeinsam haben wir pragmatisch nach adäquaten Lösungen gesucht“, erzählt er von seinem Alltag vor Ort. „Im Prinzip kaum anders als das, was ich vor meiner Berufung an die HTW Berlin bei der Strategieberatung Roland Berger gemacht habe.“
Kluge Konzepte für die Energiewende
Wiewohl das deutsche Engagement um die namibische Wasserstoffwirtschaft bisweilen auch kontrovers diskutiert wird, ist der Ökonom vom deutschen Förderansatz überzeugt. „Es gibt tatsächlich eine Diskrepanz zwischen der mit deutscher Hilfe im Entstehen befindlichen Zukunftstechnologie einerseits und andererseits schwierigen Lebensbedingungen in Namibia, wo angesichts der Größe und der extrem dünnen Besiedelung des Landes nicht einmal die Hälfte der Menschen an das Stromnetz angeschlossen sei“, räumt er ein. Doch Namibia mit seiner jungen Bevölkerung brauche dringend Perspektiven und Jobs, denn Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit seien hoch. Die Energiewende werde nicht zuletzt neue Arbeitsplätze für Fachkräfte schaffen und damit Teilhabe der lokalen Bevölkerung fördern. Es gelte, auf partnerschaftlicher Ebene kluge Konzepte für einen sozial gerecht gestalteten Wandel zu entwickeln und den Zugang zu Energie mit Klimaschutz und Industrialisierung zu verbinden.
Einsatz auch als Wahlbeobachter
Wie wichtig soziale Teilhabe den Menschen in Namibia ist, sei besonders eindringlich bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen geworden. Auf Vermittlung der Hanns-Seidel-Stiftung als Wahlbeobachter akkreditiert, besuchte Prof. Dr. Klaffke am Wahltag eine Handvoll Wahllokale, einige mit dem Fahrrad. Er checkte deren Zugänglichkeit, hielt Ausschau nach unzulässiger Wahlwerbung und vergewisserte sich, ob das obligatorische Gerät zur Prüfung der unsichtbaren Tinte vorhanden war, mit der die Mehrfachabgabe von Stimmen verhindert werden soll. Als Radfahrer fiel er auf und wurde prompt von einem Wähler angesprochen, der mehr als zwölf Stunden geduldig Schlange gestanden hatte, um seine Stimme abzugeben. Das Gespräch werde er nicht vergessen, überhaupt den ganzen Tag, der als Wahltag zum Feiertag erklärt war. „Ich erlebte einen solch großen Appetit auf Demokratie, Mitbestimmung und sozialen Fortschritt. In Deutschland wäre vermutlich kaum jemand bereit, für die Ausübung des Wahlrechts stundenlang anzustehen.“
Perspektiven für die weitere Zusammenarbeit
Prof. Dr. Klaffke möchte an Namibia „dranbleiben“. Vielleicht auch unter dem Dach der Partnerschaft zwischen der HTW Berlin und der University of Science and Technology (NUST) in Windhoek. „Ich durfte den ersten öffentlichen Vortrag als ausländischer Wissenschaftler an der Harold Pupkewitz Graduate School of Business halten“, erzählt er. Sein Thema „Generationen Management“ sei auf erfreuliche Resonanz gestoßen und wurde auch gleich in Form eines Interviews vom deutschsprachigen Radiosender Hitradio Namibia aufgegriffen. Das Interesse an einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen den beiden Hochschulen sei auf jeden Fall groß. Mit Kollegen der NUST habe er bereits Überlegungen für gemeinsame Forschung zur Generation Z, also zu den gegenwärtig Studierenden und zukünftigen Fachkräften, sowie zur Kooperation in der Lehre angestellt. Doch von seinem Praxisaufenthalt in Namibia profitieren werden vor allem die Studierenden an der eigenen Hochschule, wenn Prof. Dr. Klaffke in seinen Lehrveranstaltungen soziale, wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit anhand seiner Erfahrungen vermittelt.