Susanne Kähler
Susanne Kähler
Susanne Kähler lehrt und forscht seit 2015 als Professorin im Studiengang Museumskunde. Derzeit wird unter ihrer Leitung die Website bildhauerei-in-berlin.de, eine Datenbank zur Kunst im öffentlichen Raum, aufgebaut.
Was macht die Bildhauerkunst der DDR aus?
Die Bildhauerkunst der DDR wird in der öffentlichen Wahrnehmung sehr pauschalisiert. Im Vordergrund stehen der Realismus und die aus politischen Gründen eingegrenzten gestalterischen und thematischen Möglichkeiten für Künstler_innen insbesondere bei Auftragswerken. Vor Augen haben wir die politischen Denkmäler, etwa für Thälmann und Marx oder für antifaschistische Widerstandskämpfer. Auf der anderen Seite gibt es auch die sogenannte „Wohngebietsplastik“: In neu errichteten Siedlungen stellte man zur Dekoration und zur Steigerung der Aufenthaltsqualität Bronzefiguren mit vordergründig unverfänglichen Genrethemen auf, z.B. Tierdarstellungen, spielende Kinder, Mutter mit Kind, Vater mit Kind auf den Schultern. Vielfach geht es aber auch hier um eine idyllische, sozialistische Zukunftsvision. Zusätzlich gibt es noch programmatisch motivierte Arbeiten vor Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden, so zum „polytechnischen Lernen“ oder zum „lesenden Arbeiter“.
Aber die Realität ist natürlich differenzierter und auch die Qualität der Werke ist sehr unterschiedlich! Das wird deutlich, wenn man sich mit dem Arbeiten einzelner Künstler_innen beschäftigt, Persönlichkeiten mit interessanten Biografien, die in sehr sensibler Auseinandersetzung interessante Menschenbilder und spannungsreiche bildhauerische Werke geschaffen haben. Sabina Grzimek, Wieland Förster, Wilfried Fitzenreiter und viele andere wären hier zu nennen. Mit unserer Website bildhauerei-in-berlin.de wollen wir allen Interessierten, Fachleuten wie Laien, die Möglichkeit geben, einen Ein- und einen Überblick zu bekommen. Im Moment sind Daten zu über 2.300 Werken online. Irgendwann werden es zwischen 3.000 und 4.000 Datensätze sein. Wir verbinden Nutzerfreundlicheit mit hohem Dokumentationstandard. In diesem Jahr beschäftigen wir uns in unserem senatsgeförderten Projekt nun verstärkt mit Werken aus der DDR-Zeit.
Was lässt sich zu den Werken sagen, die auf dem Campus Treskowallee stehen?
Es sind Bronzen, die das oben geschilderte Spektrum schon ganz gut abbilden. Da ist z.B. das Denkmal für den griechischen Widerstandskämpfer Nikos Beloyannis, das bereits kurz nach dessen Hinrichtung 1952 von dem Bildhauer René Graetz geschaffen wurde. Bei der Luchsfamilie auf der Grünfläche neben dem Verwaltungsgebäude handelt es sich um eine typische Tierplastik von Lothar Rechtacek aus dem Jahr 1978. Bereits von weitem sichtbar ist die Gruppe Völkerfreundschaft (1982/83) auf der Grünfläche am Römerweg von der vielfach mit öffentlichen Aufträgen bedachten Bildhauerin Senta Baldamus. In diesem Jahr erfassen wir die Werke aus ganz Lichtenberg. Der Begriff „wir“ schließt auch Studierende ein, die im Rahmen der Lehre unterwegs waren — leider zum Teil mit ernüchternden Ergebnissen, was die Verwahrlosung der Grünanlagen und den Umgang mit den Objekten angeht, zum Teil aber auch mit schönen Rechercheergebnissen. Auf jeden Fall wollen wir Aufmerksamkeit auf die Werke lenken.
Mit wem würden Sie gern einen Kaffee trinken?
Ich trinke leider reichlich viel schwarzen Kaffee, bei einem Gespräch mit Kolleg_innen natürlich noch lieber. Die Künstler_innen, mit denen ich das am allerliebsten täte, weilen leider nicht mehr unter den Lebenden. Dazu gehört der Bildhauer, Grafiker und Maler René Graetz. Mit seiner bewegten Biographie, die ihn von Genf über London nach Ost-Berlin führte, hätte er bestimmt viel zu erzählen gehabt.
Fotos: Alexander Rentsch
© HTW Berlin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
26. August 2019