Von der Raumluft zur Abwassertechnik
Sie erinnert sich noch gut an ihren ersten Vorlesungstag im Studiengang Umweltverfahrenstechnik der HTW Berlin (er heißt heute Life Science Engineering): Als einzige Frau saß Simone Brandt inmitten von 90 männlichen Kommilitonen. Ein Schock, bekennt sie ehrlich. Doch Aufgeben war nie ihre Art. Die gebürtige Brandenburgerin zog das gemeinsame Grundstudium mit angehenden Maschinenbauern und Fahrzeugtechnikern entschlossen durch und wurde Diplom-Ingenieurin (FH). Inzwischen haben sich noch ein Master of Science und ein Doktortitel hinzugesellt. Seit 2024 arbeitet die HTW-Absolventin im Umweltbundesamt rund um das Thema Abwasser.
"Schön, dass Sie auch da sind"
„Schön, dass Sie auch da sind“, pflegten die Professoren ihre einzige weibliche Studentin zu begrüßen. Der ausgebildeten Chemikantin hatten es Experimente im Labor immer angetan. So sehr, dass sich Dr. Brandt nach dem Hochschulabschluss kaum vorstellen konnte, „nur“ am Schreibtisch zu sitzen. Doch das Umweltbundesamt bot spannende Aufgaben im Fachgebiet „Stoffbezogene Produktfragen“. Es ging um Kriterien für das Umweltzeichen „Blauer Engel“. Also stieg die junge Verfahrensingenieurin 2004 bei der renommierten Behörde ein. Ihr erster Fall: Sie forderte Unterlagen an, prüfte die Qualität von toxikologischen Untersuchungen und bewertete, ob ein bestimmtes Biozid gegen Mikroorganismen in Innenwandfarben akzeptabel war.
Der Kontakt zur HTW Berlin brach nie ab
Der Kontakt zur HTW Berlin brach nicht ab, weil an der Hochschule im Zuge von Forschungsprojekten regelmäßig Untersuchungen auch für das Umweltbundesamt angestellt werden. So lernte Dr. Brandt ihre spätere Promotionsbetreuerin kennen, die Ingenieurwissenschaftlerin Prof. Dr. Birgit Müller, Professorin im Studiengang Gebäudeenergie- und –informationstechnik und derzeit Vizepräsidentin für Lehre an der HTW Berlin. Als diese eine wissenschaftliche Mitarbeiterin für ein Forschungsprojekt suchte, war das eine Steilvorlage für die HTW-Alumna. Sie hatte inzwischen berufsbegleitend den Masterabschluss Umweltschutz an der Uni Rostock erworben. Dass im Projekt auch eine Promotion erwartet wurde, konnte sie gut akzeptieren.
Promotion über ein Geruchsmessverfahren
Die Verfahrenstechnikerin war überglücklich, zur Laborarbeit zurückzukehren. Im Riechlabor der Hochschule ließ sie eine Testgruppe nach der anderen an elastischen Bodenbelägen und Holzprodukten mit dem „Blauen Engel“ schnuppern, um deren Geruchsstärke möglichst objektiv zu messen. Weil mittendrin die Corona-Pandemie ausbrach, dauerte es statt drei, fünf Jahre. Schließlich schloss Dr. Brandt ihre Dissertation über die Vereinfachung eines etablierten Geruchsmessverfahrens erfolgreich ab. Dazu passend entwickelte sie einen Adapter für die Probenahme, der auf Knopfdruck funktioniert. Kooperationshochschule für die Promotion war die TU Berlin.
Rückkehr ans Umweltbundesamt
Um viele Erfahrungen reicher kehrte Dr. Brandt schließlich ans Umweltbundesamt zurück. Raumluft schnuppert sie dort heute noch, nämlich im eigenen Büro. Doch im Fokus ihrer Arbeit steht die nationale Umsetzung der 2024 auf EU-Ebene novellierten Abwasserrichtlinie.