Museen, Macht und der Wille zur Veränderung
Wir alle haben eine „kulturelle und soziale Brille“ auf. Was wir lernen und wissen ist geprägt durch das Umfeld, in dem wir aufwachsen und leben. Kulturinstitutionen wie Theater oder Museen sind ebenfalls Teil dieses Kontextes. Sie erschaffen und repräsentieren Kultur gleichermaßen. Und manchmal macht uns das blind für den Rassismus, Sexismus und Ableismus, der darin steckt: Welche Aspekte der Geschichte werden in Museen verschwiegen? Welche Künstler*innen werden ausgestellt und welche nicht? Prof. Dr. Susan Kamel möchte in ihrer Lehrveranstaltung „Kritische Museumstheorien“ dafür sensibilisieren, dass Kulturinstitutionen bis heute koloniale Strukturen und Machtverhältnisse reproduzieren. Vor allem aber fragt Kamel sich gemeinsam mit den Studierenden: Wie können wir das ändern und Museen zu Orte des kritischen Dialogs, ja sogar des Heilens machen?
Im Interview gewährt Kamel einen Einblick in das Konzept der Lehrveranstaltung, für das die Professorin 2023 mit dem Preis für gute Lehre ausgezeichnet wurde.
Wie verstehen Sie Ihre Rolle als Lehrperson?
Kamel: Ich sehe mich als Moderatorin und rege Studierende an, Kontinuitäten zu hinterfragen, politisch zu werden und einen Willen zur Veränderung zu entwickeln. Ich selbst habe einen ägyptischen Vater und bringe damit eine internationale Perspektive ein. Gleichzeitig ist meine Identität als weiß gelesene Frau von vielen Privilegien bestimmt. In meiner Lehre vermittle ich also diskriminierungskritische und diversitätssensible Perspektiven, die mit meiner persönlichen Biografie zusammenhängen. Das macht mich authentisch.
Wie regen Sie Debatten und Meinungsbildung bei Studierenden an?
Kamel: Impulse für Diskussionen gibt es an vielen Stellen. Die aktuelle politische Lage oder auch persönliche Geschichten von Studierenden können Ausgangspunkt für Debatten sein. Aufgrund der teils schwierigen Inhalte, ist ein „Comic Relief“, also Humor, der zur Auflockerung eingesetzt wird, oft lebensnotwendig. Manchmal reden wir über Netflix-Serien oder provokante Filme, wir gehen ins Theater oder laden Gäste ein. Letzteres ist auch sinnvoll für vielfältige Perspektiven. Ich bin außerdem ein großer Fan vom Teamteaching, also dem gemeinsamen Unterrichten. Ich habe das oft mit meinem lieben Kollegen Tobias Nettke gemacht oder Externen wie Jessica Ziada Korp oder Philippa Ebéné, von denen ich viel gelernt habe. Als Dozent*in muss man sich ja auch regelmäßig reflektieren und die Perspektive wechseln.
Vielfalt und Inklusion sind wichtige Aspekte für Ihre Lehre. Wie gelingt Ihnen das in der Lehrveranstaltung?
Kamel: Ich versuche Texte in mehreren Sprachen anzubieten, unterschiedliche Autor*innen einzubeziehen – vor allem auch aus marginalisierten Gruppen – und das Kernstück der Lehre ist unser Diversity-Training. Im Training setzen sich die Studierenden, meist das erste Mal, damit auseinander, wie - auch ihre - persönliche Geschichte sich auf die Wissenschaft auswirkt. Damit brechen wir das vorher in der Regel eurozentrierte Weltbild auf – und das ist in der deutschen Hochschullandschaft sehr besonders. Aber natürlich fehlt auch oft die Zeit, um z. B. Texte in einfache Sprache zu übersetzen. Das reflektieren wir dann zumindest.
Wie integrieren Sie Praxis in die Lehre?
Kamel: Wir machen viele Ausflüge, um die jungen Menschen mit Kultureinrichtungen und Akteur*innen in Berlin zu vernetzen. Sie bekommen dadurch Einblicke in den Berufsalltag und können die Vielfalt der Berufsfelder kennenlernen. Auf der anderen Seite erarbeiten die Studierenden Praxisprojekte, wie z. B. eine eigene Ausstellung. Dabei setze ich viel Vertrauen in die Kursteilnehmer*innen und lasse ihnen alle Freiheiten. Das ist natürlich ein gewisses Risiko, aber diese Ungewissheit muss man aushalten. Nur so lernen Studierende Selbstwirksamkeit.
Beratung für Lehrende
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