Energiemanagement mit Prüfsiegel der HTW Berlin
Wer seinen Haushalt und das Elektroauto umweltfreundlich mit Strom versorgt, nutzt dafür verschiedene Geräte: Eine Photovoltaikanlage auf dem Hausdach sowie einen Stromspeicher und eine Wallbox in der Garage. Vielleicht gibt es auch eine Wärmepumpe für die Wärmeversorgung. „Ein Selbstläufer ist die private Energiewende deshalb aber nicht“, sagt Prof. Dr. Jan Hanno Carstens. Es reiche nämlich nicht, wenn man die Geräte technisch zusammenwürfelt. Vielmehr müssten sie auch miteinander kommunizieren und auf einen idealen Betriebszustand geregelt werden können. Ein solches intelligentes Energiemanagement sollte man anders als die anderen Geräte (noch) nicht ungeprüft einsetzen, da es einige Überraschungen geben könnte. Deshalb unterstützt der Ingenieurwissenschaftler im Studiengang Regenerative Energien das Startup powernovo, das mit einem einschlägigen Geschäftsmodell angetreten ist. Das Team will für jeden Haushalt das richtige Paket schnüren.
"Ich bringe gern Dinge auf die Straße"
Die Herausforderung ist ganz nach dem Geschmack von Prof. Dr. Carstens. Er „bringt gerne Dinge auf die Straße“, wie er es formuliert. Der Absolvent der RWTH Aachen, der an der TU Berlin im Bereich Regelungstechnik und Leistungselektronik promoviert wurde, hat vor seiner Berufung an die HTW Berlin viele Jahre Projekte in der Industrie gemanagt, oft im Ausland. Auch als Selbstständiger war er schon tätig, kennt also die damit verbundenen Herausforderungen.
Prüfstand mit modernster Technologie
Es geht also vornehmlich um das intelligente Energiemanagement von Haushalten. Für die Tests hat powernovo in den Räumlichkeiten der Hochschule einen Prüfstand mit modernster Technologie durch die HTW Berlin und einen weiteren Dienstleister entwickeln lassen. Dort kann Prof. Dr. Carstens zusammen mit einer studentischen Hilfskraft das Zusammenspiel der Komponenten nach allen Regeln der Kunst testen, bewerten und optimieren. Noch „lernen“ die Labornetzteile, die stellvertretend für die verschiedenen Geräte stehen, ihr Verhalten. Doch demnächst will man in den operativen Messbetrieb gehen. Dann wird es möglich sein, auf dem Prüfstand das Zusammenspiel der technischen Schnittstellen so zu simulieren, wie es in der Realität aussehen würde. Dann steigt die Ladeleistung für die Batterie des E-Autos, wenn die Sonne scheint und sinkt wieder, wenn die Solarleistung zurück geht oder der Ladevorgang abgeschlossen ist. Anschließend fließt die Leistung beispielsweise in den Haus-Stromspeicher, im nächsten Schritt vielleicht zur Wärmepumpe, falls es eine solche gibt. Wenn zwischendurch temporär weniger Leistung erzeugt wird, weil die Sonne hinter den Wolken verschwindet, muss es auch dafür ein Procedere geben. Egal was passiert, die Leistungsflüsse müssen präzise steuerbar sein.
Tests für diverse Szenarien
Alle möglichen Szenarien wurden deshalb im Vorfeld beschrieben; auf dem Prüfstand werden sie im Reallauf getestet und die Resultate sorgfältig dokumentiert. „Wir wollen ganz genau herausfinden, wie unsere Prüflinge mit den Anforderungen klarkommen und welches Gerät in welcher Reihenfolge bedient wird“, beschreibt Prof. Dr. Carstens das Ziel der geplanten Testdurchläufe. „Wir machen quasi die Freigabemessungen und geben das Go dafür, welche Kombination funktioniert und welche nicht. „Geprüfte Systemqualität durch die HTW Berlin“, verspricht powernovo auf der Webseite.
Haushalte können zwischen Komponenten wählen
Prof. Dr. Carstens will mit den Tests erstens die Grundlage dafür schaffen, dass Haushalte eine größere Auswahl haben zwischen einzelnen Komponenten und sich eben nicht darauf verlassen müssen, dass die PV-Anlage und die Wallbox des gleichen Herstellers zusammen gut funktionieren. Dieses derzeit durchaus übliche Verfahren schränkt Verbraucher*innen nicht nur ein. Es stößt auch deshalb an Grenzen, weil nicht alle Hersteller für alle Zwecke eigene Produkte anbieten.
Vorteile für das private Energiemanagement
Zweitens will Prof. Dr. Carstens das private Energiemanagement optimieren. „Man hätte als Verbraucher doch gerne Kontrolle darüber, wohin der umweltfreundlich auf dem eigenen Dach erzeugte Strom fließt, ob beispielsweise zuerst die Autobatterie aufgeladen oder stattdessen die Wärmepumpe bedient wird“, sagt der Ingenieurwissenschaftler. Ziel sei es, möglichst viel der selbst erzeugten Energie auch für den Eigenverbrauch zu nutzen und nur geringe Mengen Strom in das Netz abzugeben. „Bis zu 80 Prozent könnte die Selbstversorgungsquote betragen“, wirbt powernovo auf seiner Webseite. Das ist ein attraktives Versprechen, können Haushalte so doch große Autarkie und Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz gewinnen. Auch würden sich die Investitionen in die hauseigene Technik bald amortisieren. Noch lohnenswerter würde sich die Situation darstellen, wenn sich die Stromtarife nicht nur zwischen den Tag- und den Nachstunden unterscheiden, sondern womöglich wie Spritpreise an Tankstellen mehrmals am Tag schwanken, womit Prof. Dr. Carstens tatsächlich rechnet.
Neue Technologien werden bald hinzukommen
Überhaupt geht der Ingenieurwissenschaftler davon aus, dass ein intelligentes Energiemanagement in privaten Haushalten an Bedeutung gewinnen und seine Komplexität zunehmen wird. Neue Geräte wie Wärmepumpen verschiedenster Art werden sich hinzugesellen, ebenso neue Technologien wie das bidirektionale Laden. Auch Verschleißprozesse in Abhängigkeit von Alter und Betrieb könne man berücksichtigen. Welche Faktoren sich wie auswirken, dazu gibt es viele Meinungen und verschiedene Studien, aber bis heute keine allgemeingültigen Erkenntnisse. Vielfältige Anforderungen also für den Prüfstand an der HTW Berlin und für powernovo. Dass das Startup mit seinem Geschäftsmodell Erfolg haben kann, davon ist Prof. Dr. Carstens überzeugt.