Auch Afrika ist Teil der Berliner Geschichte

Eine verbeulte Tür zu einem Schutzraum, verstaubte Arbeitsschuhe einer Trümmerfrau, dazwischen der Motorroller „Pitty“, auf dem sich gut ein Selfie schießen lässt: anhand solcher spannenden Exponate wird im Ephraim-Palais Berliner Stadtgeschichte erzählt. In der Dauerausstellung „BerlinZEIT“ stoßen Besucher*innen derzeit auch auf Bezüge zu Afrika. Denn in Berlin fand vor 140 Jahren die Berliner Konferenz statt, auf der europäische Kolonialmächte Afrika unter sich aufteilten. Und ins Exil nach Berlin flohen nicht wenige Kämpfer*innen gegen die Apartheid in Südafrika, deren Ende sich 2024 zum 30. Mal jährte. Zwei Jahrestage, die angehende Museolog*innen der HTW Berlin in Regie von Prof. Dr. Susan Kamel und unter der kuratorischen Leitung von Philippa Ebéné aufgriffen, um auf Einladung des und in Kooperation mit dem Stadtmuseum neue Ausstellungstafeln in die BerlinZEIT einzufügen.

"Freistellen" erweitern den Blick in die Vergangenheit

„Freistellen“ nennt das Stadtmuseum das innovative Konzept, das Brinda Sommer, die Leitung des Kurator*innenteams bei der Vernissage erläuterte. Damit gemeint sind reale Flächen innerhalb der Ende 2023 neu konzipierten Dauerausstellung. Sie will man fortan mit unterschiedlichen Themen bespielen, um den Blick auf die Berliner Geschichte und Kultur sowie die Stadtgesellschaft in ihrer großen Vielfalt zu weiten. Inhaltliche Anknüpfungspunkte für die Freistellen gebe es viele, sagte Sommer. Das könnten Entwicklungen sein, von denen die BERLINZEIT nicht erzählt. Oder Ereignisse, die zwar andernorts stattfanden, aber einen Bezug zu Berlin haben.

Beispiel: die Berliner Westafrika-Konferenz

Wie eben die Berliner Westafrika-Konferenz, die sogenannte „Kongo-Konferenz“, zu welcher der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck Vertreter europäischer Mächte sowie des Osmanischen Reiches, Russlands und der USA nach Berlin geladen hatte. Von November 1884 bis Februar 1885 berieten sie die Aufteilung Afrikas in Kolonien und legten diese in einem offiziellen Schlussdokument, der sogenannten „Kongo-Akte“, nieder. Afrikanische Repräsentanten waren bei dieser Versammlung nicht zugegen. Das ist der historische Hintergrund, vor dem die angehenden Museolog*innen der HTW Berlin auf den Freistellen die Geschichte des Widerstands erzählen, der bereits die ersten kolonialmilitärischen Überfälle der Europäer im 15. Jahrhundert begleitete.

Von Schlachten, "Schutzbriefen" und Musik

Zum Thema wird beispielsweise die Schlacht am Salt River, bei der 1510 eine Kampfeinheit der Khoikhoi im heutigen Kapstadt einen Angriff der Portugiesen erfolgreich abwehrte, so dass die Landnahme durch Europäer*innen um fast 150 Jahre aufgehalten werden konnte. Da geht es um Hendrik Witbooi, der sich weigerte, die sogenannten „Schutzbriefe“ zu unterzeichnen, die das Deutsche Reich als Nachweis für seine Gebietsansprüche in Afrika benutzte. Er wird heute in Namibia als Nationalheld verehrt. Von Enoch Sontonga ist die Rede, dem Komponisten der Hymne „Nkosi Sikelet i Afrika“, die zum Symbol des afrikanischen Widerstands wurde. Von Miriam Makeba, die mit ihrer Musik gegen die Apartheid kämpfte und Konzerte im Westen und Osten des geteilten Berlins gab. Und man bekommt Ludwig M`bebe Mpessa zu sehen, einen erfolgreichen Schauspieler und Sänger, der die weit verbreitete entwürdigende Darstellung von Schwarzen auf der Bühne und im Film immer wieder kritisierte. Als Gegenbild führte er in Neukölln die Revue „Sonnenaufgang im Morgenland“ über die Geschichte und Kultur Afrikas auf.

Gegenerzählung zur kolonialen Perspektive

Exakt acht Freistellen haben die Studierenden in ihrem Praxisprojekt im 3. Semester gefüllt, auf der Grundlage eines Konzepts, das der Jahrgang vor ihnen entwickelt hatte.  „Wir wollten eine Gegenerzählung zur kolonialen Perspektive schaffen“, sagt Milena Holzwarth bei der Eröffnung stellvertretend für ihre Kommiliton*innen. Auch die Musik kommt deshalb vor, denn sie erzählt nicht nur vom Widerstand gegen Apartheid, sondern machte ihn seinerzeit international populär und stärkte ihn.

Fachliche Betreuung durch eine Expertin

Fachlich betreut wurden die Studierenden von Philippa Ebéné, der ehemaligen Leiterin der Werkstatt der Kulturen, freie Kulturschaffende und zugleich Lehrbeauftragte im Studiengang Museumsmanagement und -kommunikation. Sie wurde von Prof. Dr. Susan Kamel an die Hochschule geholt: als Expertin für die historischen Ereignisse und als Kennerin der südafrikanischen Musik und ihrer Bedeutung für den Widerstand gegen die Apartheid.

Acht studentische Teams recherchierten

„In acht verschiedenen Teams haben wir für jede Freistelle richtig viel recherchiert“, erinnert sich Josephine Manthey aus dem Projektteam. Im Rahmen einer Lecture Performance trafen sie sogar den Zeitzeugen Luyanda Mphalwa, der wie Nelson Mandela im Gefängnis auf Robben Island inhaftiert war. Außerdem sei es sehr spannend gewesen, einen Blick hinter die Kulissen im Stadtmuseum zu werfen. „Jetzt wissen wir alle mehr über die Arbeit des Teams Technik und des Teams Kommunikation, aber auch über den Aufbau einer Ausstellung“, freut sich Josephine Manthey.

Fortsetzung folgt im Februar 2025

„The Struggle“ heißt der Titel der Sonderausstellung auf den Freiflächen, weil die letzte antikoloniale Freiheitsbewegung gegen das von Apartheid geprägte Südafrika unter diesem Begriff in die Geschichte einging. Die Freiflächen fungieren dabei als Prolog zu der geplanten Sonderausstellung im Museum Ephraim-Palais. Ab 26. Februar 2025 werden sich im 3. Obergeschoss die Erfahrungen von Afrikaner*innen im Berliner Exil hinzugesellen. Im Fokus stehen die Jahre 1884/85 bis 1994 sowie sieben Protagonist*innen, die vor dem südafrikanischen Apartheid-Regime nach Berlin flüchteten und zum Teil noch heute hier leben. „Ich freue mich, dass das politische Engagement dieser Menschen gewürdigt wird“, sagt Prof. Dr. Susan Kamel, „Und ich liebe die Musik des Widerstandkampfes, wie sie in der Ausstellung zu hören ist“.

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