Wenn sich Kunst und audiovisuelle Medien zur Ausstellung verbinden
Zusammen mit Studierenden hat Andreas Ingerl bereits mehrere hochkarätige Ausstellungen realisiert, darunter die Teilnahme an der Ars Electronica, einem weltweit einzigartigen Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft, sowie Ausstellungen im Museum für Kommunikation, im Futurium Lab und den Reinbeckhallen in Berlin. Die Hintergründe verrät er im Interview.
Wie kamen die Kooperationen mit der Ars Electronica und den Reinbeckhallen zustande?
Die erste größere externe Ausstellung, die wir gemacht haben, war 2019 die Teilnahme an der Berlin Design Week und in diesem Rahmen eine Ausstellung im Museum für Kommunikation Berlin. Einige Zeit danach saßen wir plötzlich alle pandemiebedingt im Homeoffice. Bei mir öffnete sich ein Pop-Up-Fenster mit dem Hinweis, dass gleich die Pressekonferenz des Ars Electronica Festivals 2021 stattfindet. Ich habe mir die Pressekonferenz auf meinem zweiten Monitor geöffnet und angehört, während ich weitergearbeitet habe. Irgendwann habe ich den Satz aufgeschnappt, dass „Institutionen aufgerufen werden, sich zu bewerben einen 'Garden' auszurichten“, einen internationalen Satelliten des Festivals. Das Konzept 2021 war, dass im Rahmen des Festivals weltüberspannend diese Gardens stattfinden. Nachdem die Pressekonferenz vorbei war, wurde mir bewusst, dass wir ja als HTW Berlin eine Institution sind, und warum ich es nicht versuchen sollte, mich für so einen Garden zu bewerben.
Die Ars Electronica hat für mich selbst eine ziemlich große Bedeutung, da ich 1996 von einem meiner Professoren dort mit hingenommen wurde und eine ganz andere Welt gesehen habe als in meinem Studium an der HfG Schwäbisch Gmünd. Zur Jahrtausendwende bin ich dann das erste mal mit meinen eigenen Studierenden hingefahren. Es war für mich immer ein Traum, mit Studierenden im Rahmen der Campus Exhibition dort ausstellen zu können. Mir war aber auch bewusst, dass das eigentlich den großen internationalen Kunstuniversitäten vorbehalten ist. Letztlich habe ich ein kurzes Bewerbungsschreiben formuliert und abgeschickt. Kurz darauf kam eine Mail der Leiterin des Festivals Christl Baur, mit der Bitte, mehr Informationen über uns zu bekommen. Daraufhin habe ich ein Portfolio zusammengebaut mit einem Überblick über unsere Hochschule, den Campus und seine Geschichte, unseren Fachbereich und Studiengang und letztlich meinen Lehrbereich und natürlich die Projekte, die dort entstehen und einen besonders Bezug auf Technologie, Gesellschaft und Wissenschaft aufweisen. Wir wurden dann zu einem Online-Gespräch eingeladen, in dem letztlich schnell klar wurde, dass wir mit dabei sind. Und dann begann die Vorbereitungen für den Ars Electronica Garden Berlin 2021.
Letztlich haben wir 17 Projekte von insgesamt 29 Studierenden aus den Bereichen Künstliche Intelligenz und Virtuelle Realität in den Reinbeckhallen hier in Schöneweide ausgestellt. Eine Ausstellung auf 1000 m² Fläche zu organisieren, zu finanzieren und letztlich umzusetzen, war ein ziemlicher Kraftakt. Der sich aber an jeder Stelle gelohnt hat. Wir waren an diesem Wochenende einer der beiden Ausstellungstipps im Newsletter von Berlin.de und die Ausstellung war, im Rahmen der Bedingungen der Pandemie, die damals noch geherrscht haben, immer maximal besucht. Das war der Start als Kooperationspartner der Ars Electronica Campus Exhibition, wo wir 2022 dann das erste Mal vor Ort in Linz teilgenommen haben, ebenso wie dieses Jahr im September.
Während des Gallery Weekends war die Ausstellung "Cinemiracle" in den Reinbeckhallen zu sehen. Was ist die Idee hinter der Ausstellung?
Das Gallery Weekend in Berlin ist ja quasi eine Institution. Spannend ist aber auch, und das macht Berlin ja vielleicht aus, dass eben an diesem Wochenende sehr viele Akteure Ausstellungen organisieren, die nicht direkt am Gallery Weekend beteiligt sind. Genau das mache ich mittlerweile jedes Jahr. Wir haben jetzt zwei Jahre hintereinander, jeweils am Wochenende des Gallery Weekends, in den Reinbeckhallen eine Ausstellung meines Hauptprojekts aus dem Wintersemester organisiert.
In diesem Hauptprojekt geht es um eine besondere filmische Form, die ihren Ursprung in den fünfziger Jahren hat und von mir in der Neuzeit weiterentwickelt wurde. Die Idee war, den Studierenden eine Aufgabe zu stellen, die sie sowohl filmisch als auch hinsichtlich der Kommunikation mit Bewegtbild herausfordert. Da sich die Ergebnisse von Jahr zu Jahr immer weiterentwickeln und weiter professionalisieren, machen wir jedes Jahr eine Premiere, wo die Filme uraufgeführt werden und danach die Ausstellung. 2022 und 2023 waren wir jeweils in den Reinbeckhallen zu Gast und haben die Filme der Öffentlichkeit präsentiert. Dadurch bringe ich meine Studierenden in die Situation, sich außerhalb des geschützten Bereiches der Hochschule mit ihren Arbeiten einem Fachpublikum zu stellen und Reaktionen auf ihre Arbeiten zu bekommen. Also zu sehen, wie und in welcher Form funktioniert ein Film, und kommuniziert er das, was der ursprüngliche Plan war? Neben dieser öffentlichen Plattform für meine Studierenden ist es aber genau so wichtig, als Studiengang und Hochschule im Kontext von Medienkunst und Kreativwirtschaft in Berlin nach außen sichtbar zu werden.
Wer sind die Menschen hinter der Ausstellung?
In erster Linie sind es die Studierenden! Um die geht es. Das sind die Akteurinnen und Akteure, ohne die diese Ausstellungen keinen Inhalt hätten. Es sind wechselnde Gruppen von Studierenden, sowohl aus dem Hauptstudium als auch Bachelorarbeiten. Ich kann mit meinen Eigenschaften und Fähigkeiten den Studierenden die Bühne und den Rahmen bereiten, den sie dann mit ihren Projekten bespielen müssen.
Die Konzeption der Ausstellungen bis 2021 habe ich mit meinen zwei Mitarbeitern Thomas Kemnitz, der unsere Labore leitet, und Moritz Schell, der damals mein wissenschaftlicher Mitarbeiter war, gemeinsam durchgeführt. Das ist, beziehungsweise war, der akademische Staff hinter den ganzen Ausstellungen.
Alle gemeinsam sind wir in der Lage, die Projekte weit über das, was im normalen Studium möglich ist, hinaus zu entwickeln. Weil es eben nicht reicht, einen Prototypen oder ein Konzept am Ende des Semesters zu präsentieren, sondern weil es darum geht, ein Projekt ausstellungsfähig zu machen, und das stellt nochmal einen ziemlich großen Schritt dar. Und den schaffen wir nur, wenn wir alle zusammen als Kollektiv an den Projekten und Ausstellungen arbeiten.
Wie läuft so ein Studienprojekt ab, das schließlich in einer Ausstellung mündet?
Ich muss tatsächlich zugeben, dass es mir im Moment schwer fällt, das in klare Worte zu fassen. Das klingt natürlich widersprüchlich, weil Lehre ja geplant wird, und ich genau wissen sollte, was ich da tue. Aber meine Lehre lässt sich nie gänzlich planen und durchchoreographieren, und ich versuche alles immer individuell an die Studierenden anzupassen. Natürlich beginnt jedes Hauptprojekt damit, dass wir uns einem Thema annähern. Erweitert wird das immer durch eine Vorlesung von mir, die ganz dezidiert Input, aber auch Hintergrundwissen liefert oder Sichtweisen definiert, wie ich empfehlen würde, auf Themen und Phänomene zu schauen. Ich versuche immer externe Personen einzuladen, die uns Input liefern oder ihre Projekte zeigen, und wir besuchen Ausstellungen wie beispielsweise im Wintersemester jedes Jahr die Julia Stoschek Foundation hier in Berlin. Die zweite Phase ist die Ideenfindungsphase, wo ich ein kleines Setting an selbstentwickelten Methoden nutze, um die Ideen der Studierenden so zu schärfen, dass wir dann Gruppen bilden oder sich diese automatisch ergeben, um dann in die wirkliche Realisierungsphase überzugehen.
Das ist die schwierigste und gleichzeitig schönste Phase. Da wird es auch wild, weil ich ab diesem Moment quasi für jedes Thema und jede Gruppe einen individuellen Weg definieren muss, wie ich die Gruppe betreue, wie zu arbeiten ist, und auf welches auf Ziel wir hinarbeiten. Da gibt es kein einheitliches Schema mehr, wie ich lehre und wie die Studierenden arbeiten sollten. Was letztlich aber wichtig ist: dass nicht der Weg das Ziel ist, sondern wir ein Ziel definieren, das es zu erreichen gilt. Nämlich ein Ergebnis zu schaffen, das sowohl inhaltlich und gestalterisch als auch von seiner technischen und physischen Ausführung her die Qualität hat, in einer Ausstellung zu stehen. Primäres Ziel ist natürlich immer unsere eigene Werkschau im Juli. Das ist letztlich ein sehr guter Test, wie die Projekte einer Ausstellungssituation standhalten, und dort entscheidet sich für diese ganz aktuellen Projekte, ob sie für die Ars Electronica ausgewählt werden. Für diese Projekte beginnt dann die heiße Phase in den Semesterferien, das Projekt für die Ausstellung im September in Linz soweit fertigzustellen, dass wir es Anfang September in den Transporter laden und nach Linz fahren, dort aufbauen, und es fünf Tage lang die Ausstellung überlebt.
Das alles funktioniert aber nur, wenn das, was wir in dem Hauptprojekt inhaltlich machen, einen Sinn hat, wenn wir Konzepte entwickeln, die unsere Zukunft gestalten, wenn die Studierenden ein Thema finden, für das sie brennen und ab da 24 Stunden am Tag nicht aufhören, darüber nachzudenken; und wenn wir gemeinsam als Gruppe, mich eingeschlossen, das Ziel verfolgen jedes dieser Projekte gemeinsam so weit, wie es nur irgend möglich ist, zu entwickeln.
Was sind Ihre nächsten Projekte?
Für den Moment bin ich eigentlich ziemlich gut durchstrukturiert und habe meine verschiedenen Projekte definiert: im Wintersemester den Film-Kurs und im Sommersemester mein Hauptprojekt „Craving Future Realities“, wo es um Zukunftsforschung im Design geht. Dazu zwei Kurzzeitprojekte, die sich mit Hologrammen und Digitaler Zukunft beschäftigen.
Als wir 2021 als erste Hochschule im Futurium Lab ausstellen konnten, war das für uns natürlich eine Ehre und ein unglaublich spannendes Projekt. Auch für das Futurium selbst war es extrem spannend zu sehen, welche Art von Projekten wir in so eine Institution einbringen, und wie diese auf das Publikum wirken. Hier steht im Raum, eine zweite Ausstellung im Futurium durchzuführen, und das wird nach der Ars Electronica mein nächstes Vorhaben.