Gesundheitsmanagement lässt sich nicht verordnen
Dass sich Bewegung und Ernährung positiv auf die Gesundheit auswirken, weiß Raphael Seywald aus eigener Erfahrung. In der Praxisphase seines dualen Studiums des Fachs „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ war er Trainer in einem Gesundheitsstudio. Seine erste Stelle trat der frisch gebackene Bachelorabsolvent auf einem Kreuzfahrtschiff der TUI an, wo er als „Vital Coach“ an sieben Tagen pro Woche für Fragen zum Thema Gesundheit, Ernährung, Sport und Ausdauer zur Verfügung stand. Keine schlechten Voraussetzungen, um an der HTW Berlin das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) weiterzuentwickeln. Genau das ist seit Mai 2021 die Aufgabe von Raphael Seywald. Im Gespräch erzählt der 25-jährige Mitarbeiter der Personalabteilung mehr über seine Vorstellungen und Ideen.
Welcher Stellenwert kommt dem Betrieblichem Gesundheitsmanagement zu?
Raphael Seywald: Ich persönlich halte das BGM für wichtig und habe selbst gute Erfahrungen gemacht, weiß aber auch, dass alle mehr als genug zu tun haben und die Prioritäten meist woanders liegen. BGM geht nicht von heute auf morgen und Gesundheitsmanagement kann man auch niemandem verordnen. Es gibt an der HTW Berlin eine Vielzahl von Arbeitsfeldern, von technischen Diensten über die Tätigkeit am Schreibtisch bis zur Lehre. Die Bedürfnisse sind dementsprechend unterschiedlich. Um sie kennenzulernen, ist es mir wichtig, mit allen Bereichen ins Gespräch zu kommen. Auch die Ergebnisse des „BGM-Beschäftigtenbarometers“, das im Sommer dieses Jahres gelaufen ist, werden helfen, passende Angebot entwickeln zu können.
Haben Sie das BGM-Beschäftigtenbarometer initiiert?
Nein, die Idee war älter, der Start hatte sich bloß verzögert. Doch wenn das Beschäftigtenbarometer nicht schon konzipiert gewesen wäre, hatte ich es selbst in Angriff genommen. Gleich zum Einstieg in das Arbeitsfeld über die Ergebnisse einer hochschulweiten Befragung zum Thema zu verfügen, ist einfach großartig. Mit der Rücklaufquote von über 30 Prozent waren meine Kolleg_innen und ich zufrieden, allerdings ist noch deutlich Luft nach oben. Es gab viel positives Feedback und auch interessante Vorschläge, über die ich mich gefreut habe, selbst wenn sich nicht alles sofort umsetzen lässt. Negative Rückmeldung zur Durchführung gab es auch, das will ich nicht verschweigen. Doch die spornen eher an: Mich interessieren die Hintergründe, denn man kann meines Erachtens aus jedem Feedback etwas lernen.
Was war für Sie die wichtigste Erkenntnis des BGM-Beschäftigtenbarometers?
Die Auswertung der Befragung durch das Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG) umfasst über 100 Seiten, das lässt sich also nicht auf einen Punkt herunterbrechen. Für uns ist wichtig, dass die HTW Berlin, im Vergleich zu anderen Hochschulen, in allen Punkten mindestens gleich gut, aber meistens sogar deutlich besser abgeschnitten hat. Das ist also eine solide Basis, auf der man aufbauen kann.
Handlungsbedarf besteht laut Befragung zuoberst bei der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung. Hier dürfte sich die pandemiebedingte Tätigkeit im nicht immer optimal gestalteten Homeoffice niedergeschlagen haben. Handlungsbedarf besteht nach Ansicht der Beschäftigten auch im Bereich „Informationsfluss und transparente Kommunikation“. Das fand ich persönlich überraschend. Trotzdem ist das ein Thema, mit dem wir uns in den kommenden Monaten stärker beschäftigen werden.
Und ich will noch einige weitere Stichworte nennen: das Ernährungsangebot der Mensa, Sport und Bewegung, kognitive Stresssymptome im Homeoffice, Führungsverhalten sowie Geschlechterunterschiede. Frauen fühlen sich laut Befragung gestresster als Männer und sehen sich größeren körperlichen Belastungen ausgesetzt. Jüngere Menschen wiederum fühlten sich von unserer Befragung weniger angesprochen. Da müssen wir uns etwas überlegen.
Welche Themenfelder wollen Sie angehen?
Ich betrachte BGM ganzheitlich. Das heißt, man muss sowohl die Verhältnisse im Blick haben, unter denen Beschäftigte arbeiten, als auch das individuelle Verhalten. Zu den Verhältnissen gehören die einzelnen Arbeitsplätze genauso wie das Arbeitsumfeld – wir fragten im Barometer beispielsweise nach den psychischen Belastungen im Homeoffice -, aber auch das Speisenangebot der Mensa. Ich will ein Bewusstsein schaffen für Gesundheit in einem ganzheitlichen Sinne und dabei das derzeit ein wenig verstaubte Image des BGM auffrischen. Das gilt auch für das Erscheinungsbild. Mit dem Team Kommunikation habe ich in diesem Zuge schon Kontakt aufgenommen. Und, ganz wichtig: Mein Ziel ist es, ein langfristiges BGM zu etablieren, getreu dem Plan-Do-Check-Act-Zyklus. Das heißt konkret: etwas planen, dann umsetzen, den Erfolg prüfen und die Maßnahme eventuell anpassen oder ersetzen. Dabei weiß ich die Personalabteilung hinter mir. Von den Kolleginnen habe ich in den ersten Monaten bereits viel Unterstützung erfahren. Irgendwann – aber das ist wirklich Zukunftsmusik - sollen auch die Studierenden einbezogen werden.
Sind andere Hochschulen weiter?
Das BGM steckt an vielen Hochschulen noch in den Kinderschuhen. Umso wichtiger ist der kollegiale Austausch sowohl innerhalb des Netzwerks Berlin-Brandenburg als auch auf Bundesebene im „Arbeitskreis gesundheitsfördernde Hochschulen“. Über diesen Austausch bin ich sehr dankbar. Wir können viel voneinander lernen, auch wenn jede Hochschule auf ihre eigene Art und Weise besonders ist.