FixMyCity hilft Städten in den Fahrradsattel
Seinen Arbeitsweg möchte man haben! Heiko Rintelen steigt in Neu-Kölln auf das Fahrrad, überquert staufrei und abgasarm das Tempelhofer Feld, 15 Minuten später schließt er sein Rad am Rand des ehemaligen Flughafengeländes ab und die Bürotür auf. Doch immerhin: Als Mitgründer eines Startups legt sich der 45-jährige Tag für Tag mächtig ins Zeug dafür, dass auch andere Radfahrer_innen komfortabel und sicher unterwegs sein können - wenn sie es denn wollen. Heiko Rintelen ist einer von zwei Geschäftsführern von FixMyCity. Das junge Unternehmen kam 2019 mit finanzieller Unterstützung durch ein Berliner Startup-Stipendium und Förderung durch das Bundesministeriums für Digitales und Verkehr in die Gänge. Seitdem hilft es Städten bei der Radverkehrsplanung.
Maßgeschneiderte Software für die Verwaltung
Was kann FixMyCity, das Verwaltung nicht kann? „Maßgeschneiderte Software entwickeln, die zu den Prozessen der Verwaltung passt“, antwortet Heiko Rintelen ohne Zögern. Digitales Knowhow ist eine Kernkompetenz des Startup, das sich auf seiner Webseite als digitale Plattform für die Radverkehrsplanung beschreibt. Die zweite Kernkompetenz heißt Kommunikation: Zielgruppen definieren, klare Botschaften formulieren und in ein Narrativ einbetten. Ein Beispiel gefällig? Nehmen wir Friedrichshain-Kreuzberg und die Fahrradbügel-Kampagne.
2000 Wunsch-Fahrradbügel in Friedrichshain-Kreuzberg
Der Bezirk baut seit 2019 stetig neue Fahrradbügel im öffentlichen Raum, um sichere Abstellplätze für Räder zu schaffen. Errichtet werden die begehrten Stahlkonstruktionen nicht irgendwo, sondern exakt dort, wo es die Radfahrer_innen selbst für sinnvoll und praktisch halten. Das ist möglich, weil 8.889 konkrete Standortvorschläge von Bürger_innen vorliegen. Die werden vom Straßen- und Grünflächenamt gesichtet, auf Umsetzbarkeit geprüft und im Planungsprozess berücksichtigt. „Wir haben den Prozess aufgesetzt, die Plattform entwickelt, auf der Orte gemeldet werden können, an denen Abstellmöglichkeiten fehlen, und dafür gesorgt, dass am Ende Daten herauskommen, welche die Arbeit der Verwaltung vereinfachen und beschleunigen“, sagt Heiko Rintelen. Seit Kampagnenbeginn wurden 2.283 Fahrradbügel an von Bürger_innen vorgeschlagenen Orten im Bezirk errichtet. 116 weitere sind aktuell im Bau, noch einmal 611 Fahrradbügel aus dem sogenannten Meldedialog sind in Planung. Auf einer Übersichtskarte können Beteiligte sogar erkennen, ob ihr Vorschlag abgelehnt wurde oder an einem nahegelegenen Standort umgesetzt wird.
"Wir helfen, Prozesse zu beschleunigen"
„Wir helfen Behörden, die Planung zu beschleunigen und sorgen dafür, dass Wissen der Bürger_innen einfließen kann“, sagt Heiko Rintelen. Schlecht reden würde er nie über die Verwaltung, sie sei eben anders strukturiert als ein Unternehmen. Mit ihrer Sprache und den Prozessen ist er inzwischen sehr vertraut. Ja, mehr noch: Der Kontakt zur Verwaltung war sogar der eigentliche Ursprung der Geschäftsidee von FixMyCity. Denn Rintelen und sein Co-Gründer Boris Hekele, heute ebenfalls Geschäftsführer, kannten sich über die „Initiative Volksentscheid Fahrrad“, die dem Berliner Senat seinerzeit den Antrag auf ein Volksbegehren für eine „sichere und komfortable Radinfrastruktur“ übergab. Da der Senat in Verhandlungen mit der Initiative und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen die Forderungen weitgehend übernahm, verzichtete man auf das Volksbegehren. Als Ergebnis des Verfahrens beschloss das Abgeordnetenhaus 2018 das Berliner Mobilitätsgesetz.
2019 wurde das Startup gegründet
Rintelen und Hekele waren als Berliner Radfahrer nicht nur glücklich über den Erfolg, sondern überlegten sofort, wie man die praktische Umsetzung des Gesetzes unterstützen kann. „Mit passenden Daten, durch Bürgerbeteiligung und große Transparenz“, lautete die Antwort des Kommunikationsdesigners und des Medieninformatikers. Gemeinsam gründeten sie 2017 zuerst FixMyBerlin und entwickelten den ersten Prototypen. 2019 folgten dann die FixMyCity GmbH. Ein Coaching und Beratung in punkto Organisationsentwicklung im Rahmen des Berliner Startup-Stipendiums haben da sehr unterstützt.
Inzwischen gehören neun Leute zum Team
„Die Existenzgründung fühlte sich ungefähr so an, wie ein Kind zu kriegen“, erinnert sich Rintelen. „Wir wussten nicht so genau, worauf wir uns da einließen.“ Doch es lief gut an, bald meldete sich das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, um die Dienstleistungen von FixMyCity für ein Netz von deutschlandweiten Radschnellverbindungen in Anspruch zu nehmen, andere Kunden folgten. Inzwischen kümmert sich ein neunköpfiges Team, darunter drei Werkstudierende, um die Entwicklung von neuen Ideen, dazu passenden Softwaretools, zielgruppengerechte Kommunikation und bürgerschaftliche Beteiligung voranzutreiben.
Immer gemeinsam mit den Bürger_innen
Apropos Bürgerbeteiligung. Bei diesem Stichwort denkt Rintelen nicht sofort daran, dass Planungsprozesse schwieriger werden. Das sei mitunter der Fall, wenn die Beteiligung nicht zielgerichtet konzipiert ist, räumt er ein. Viel relevanter sei aber der Mehrwert: praxisrelevante Vorschläge, neue Ideen, auf die Planer_innen ohne detaillierte Ortskenntnis nicht kommen, die größere Transparenz des Verwaltungshandelns und nicht zuletzt eine deutlich höhere Akzeptanz der Maßnahmen. Wie heißt es doch im Twitter-Account von FixMyCity? „Wir helfen Städten schneller zur Fahrradstadt zu werden. Gemeinsam mit den Bürger:innen."