Tanja Schirmacher

Tanja Schirmacher

Mit „Gesundheit und Wohlergehen“, dem dritten der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, bringt man weltweite Herausforderungen wie Pandemien, Hygiene und Müttersterblichkeit in Verbindung. Warum auch der Job wichtig ist, wenn man „ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“ möchte, wie es im Wortlaut heißt, damit beschäftigt sich Tanja Schirmacher, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HTW Berlin. Sie forscht zu Existenzgründungen als berufsbiografischem Umbruch und betrachtet dabei die Bedingungen der modernen Arbeits- und Berufswelt. Die Promovendin wird von Prof. Dr. Berit Sandberg (FB 3) betreut.

Was verstehen Sie unter mentaler Gesundheit?

Ich halte mich an den Begriff der Weltgesundheitsorganisation, die psychische Gesundheit auslegt als „Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann“. Die Definition verdeutlicht, dass mentale Gesundheit nicht nur durch individuelle Merkmale beeinflusst wird, sondern stets in einem sozialen Kontext eingebettet ist. Bei den Beeinträchtigungen psychischer Gesundheit wird berufliche Belastung als ein wesentlicher Risikofaktor aufgefasst.

Wie hängen mentale Gesundheit und der Beruf eines Menschen zusammen?

Da die berufliche Identität Teil unserer Gesamtidentität ist, ist der Lebensbereich Beruf und Arbeit sehr bedeutsam. Der Einfluss der Arbeitswelt auf unsere Lebensführung, Werteorientierung, letztlich die gesamte Persönlichkeit, ist von wesentlicher Natur. Mit der Erwerbstätigkeit können beruflicher Handlungsspielraum, Kontinuität und Sinnerleben verbunden sein – oder eben auch das Gegenteil. Sogenannte „Bullshit-Jobs“, aufgefasst als Arbeit, die sinnentleert ist, keinen erkennbaren Nutzen stiftet und sogar zu psychischen Problemen führen kann, sind ein verbreitetes Phänomen unserer Arbeitswelt und verdeutlichen aus meiner Sicht den Zusammenhang von mentaler Gesundheit und beruflichen Strukturen in Dysbalance ziemlich treffend.

Welchen Beitrag leisten Sie mit Ihrer Promotion?

Mit meiner empirischen Arbeit, die interdisziplinär angelegt ist, möchte ich neues theoretisches Wissen über ein altbekanntes Praxisphänomen zur Verfügung stellen – denn mein Untersuchungsgegenstand ist weitgehend unerforscht. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir, die Ergebnisse meines laufenden Forschungsprojekts mit Kolleg_innen aus Wissenschaft und Praxis sowie Studierenden zu diskutieren und Ideen weiterzuentwickeln. Als Pädagogin sehe ich auch eine Verbindung zum vierten Nachhaltigkeitsziel der UN, nämlich „inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung [zu] gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle [zu] fördern“.

Und nach der Promotion?

Die Wissenschaft ist schon viele Jahre mein Zuhause und begeistert mich immer wieder neu. Ebenso fühle ich mich der praktischen Bildungs- und Entwicklungsarbeit mit Menschen stark verbunden. Wohin es mich letztlich verschlagen wird, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Ich werde aber auch bei meiner nächsten beruflichen Entscheidung auf mein Bauchgefühl hören und schauen, dass die Rahmenbedingungen für mich stimmen. Also, ich blicke freudig und gespannt in die Zukunft.

Mit wem würden Sie gern einen Kaffee oder Tee trinken?

Ich hätte es geliebt, mit Hannah Arendt und Heinrich Blücher in ihrer New Yorker Wohnung einen Rotwein zu trinken und über Gerechtigkeit zu diskutieren. Ansonsten bin ich eher im Team „Kaffee“ und mag auch gerne spontane Gesprächsbegegnungen!

Was war der schönste Moment an der Hochschule?

Neben vielen anderen schönen Momenten denke ich gerne an den Tag im Sommer 2019 zurück, an dem ich den Vertrag zu meiner Qualifikationsstelle unterschrieb. Meine damals dreijährige Tochter kam mit mir und wir erkundeten im Anschluss sehr ausgiebig den Campus und die Mensa. Irgendwo zwischen Fahrstuhlstreik in Gebäude A und Matschkartoffeln mit Ketchup in Gebäude D lag für mich an diesem Tag das größte Glück: In diesem Moment stimmte einfach alles.