Drohnen als nützliche Helfer in Katastrophen
Die Vision klingt überzeugend: Wenn es beispielsweise in einem Brandenburger Wald brennt, rücken dem Feuer nicht nur Löschzüge und Löschhubschrauber zu Leibe, sondern auch ein Schwarm unbemannter Drohnen. Im 15-Sekundentakt leeren sie ihre Wassertanks über den besonders gefährlichen und schwer zugänglichen Stellen. Diese Stellen finden sie dank intelligenter Software und Bilderkennung selbstständig. Und weil die Drohnen personenlos sind, können sie den Flammen näherkommen als jede_r Pilot_in in einem Löschhubschrauber. So lässt sich beschreiben, woran ein Professorenteam der HTW Berlin mit Unterstützung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters und Studierenden sowie der Unternehmer Harald Müller mit seinem Metallbau-Sonderfertigungsbetrieb im südlich von Berlin gelegenen Ludwigsfelde seit März 2020 tüfteln. Das vielversprechende Forschungsprojekt „Autonome Drohnen im Katastropheneinsatz“ wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aus dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand gefördert.
Gebraucht werden Drohnen einer neuen Art
„Drohnen unseres Kalibers gibt es derzeit nicht auf dem Markt“, sagt Prof. Dr. Frank Burghardt, einer der wissenschaftlichen Köpfe im Projekt. Man kenne kleine Drohnen, die aber keine Lasten transportieren können, und große Drohnen, deren Katastropheneinsatz nicht bezahlbar sei. So kam man auf die Idee, eine neue Art von Drohne zu entwickeln: mit besonders leistungsfähigen Rotoren, hochmoderner Elektronik, wartungsarm und einfach zu bedienen, ausgestattet mit schnell wechselbaren Akkus und einem Wassertank. Einsatzbar wären diese Drohnen nicht nur bei Bränden, sondern auch bei anderen Katastrophen, beispielsweise bei Lawinenabgängen, Überschwemmungen oder in der Seenotrettung.
Patentierte Antriebstechnik für die Rotoren
Das technische Konzept stammt von Prof. Dr. Erik Grädener, einem flugbegeisterten Maschinenbauer, der bis 2020 an der HTW Berlin im Fachbereich 2 lehrte und im Ruhestand nicht ruhen möchte. Ein Patent für die neuartige Antriebstechnik der Rotorblätter hat er schon beantragt. „Anders als bei einem üblichen Hubschrauber wird jedes Rotorblatt von einem eigenen Motor angetrieben; das ergibt eine deutlich größere Leistung“, beschreibt Prof. Dr. Grädener die Mechanik der Drohne, die im Sommer 2021 fliegen soll. Derzeit laufen noch Tests in Ludwigsfelde, sicherheitshalber in einem stabilen Käfig in der Halle von Harald Müllers Unternehmen. Denn wenn sich die Rotorblätter „selbstständig machen“ würden, könnte das einschneidende Folgen im wahrsten Sinn des Wortes haben.
Geflogen wird im Schwarm
Weil eine einsame Drohne wenig gegen lodernde Flammen ausrichten könnte, wird im Forschungsprojekt auch an dem dazugehörigen Schwarmkonzept gearbeitet und natürlich an intelligenter Software, die unabdingbare Voraussetzung für die reibungslose Steuerung des Löscheinsatzes. Das Szenario sieht folgendermaßen aus: Basis des Drohnenschwarms ist eine Versorgungsstation am Boden. Von hier fliegt jede Drohne zum Brandherd, lässt ihren Wasservorrat ab und kehrt zur Versorgungsstation zurück. Auf einer Art Förderband werden erst die Akkus getauscht, sodann der Tank wie bei einem Rennwagen der Formel 1 sekundenschnell mit Hochdruck befüllt, anschließend geht es wieder los zur nächsten Runde. „Zu einem Schwarm gehören etwa 40 Drohnen und alle 15 Sekunden kann eine starten“, meint Prof. Dr. Grädener. Das sei sportlich, aber machbar. Mit diesem Tempo, einem 24stündigen Einsatz auch bei schlechten Sichtbedingungen und der Möglichkeit, sehr tief zu gehen, wäre der Schwarm unbemannter Drohnen jedem Löschhubschrauber überlegen, obwohl dieser 2000 Liter transportieren kann.
Intelligente Software steuert den Einsatz
Gesteuert würde der Löscheinsatz des Drohnenschwarms vom Boden, wo ein Einsatzleiter mit Laptop im Koffer sitzt. Womit wir bei einem weiteren großen Arbeitspaket wären: dem Betriebskonzept und der intelligenten Software, die in jeder Drohne verbaut ist. Darum kümmern sich Prof. Dr. Burghardt und Prof. Dr. Volker Wohlgemuth, zwei Experten für Ingenieurinformatik und Umweltinformatik. Auch hier gilt: Alles muss einfach funktionieren und die Bedienung auch ohne besondere IT-Kenntnisse möglich sein.
Auch Studierende wirken am Projekt mit
Noch ist viel zu tun. An der Sensorik und Bilderkennung muss noch gearbeitet, eine Studie zu Umweltaspekten der Waldbrandbekämpfung durchgeführt und eine ManagementApp implementiert werden. Auch Simulationen und Flug-Workshops stehen auf der Agenda, eine Video-Dokumentation und die Erarbeitung eines User Manual. Doch Prof. Dr. Burghardt ist zuversichtlich, dass die Meilensteine trotz pandemiebedingter Schwierigkeiten und mit Unterstützung des wissenschaftlichen Mitarbeiters Max Elfgen und diversen studentischen Hilfskräften – einer bringt Erfahrung in der Steuerung von Drohnen mit - sowie Abschlussarbeiten von Studierenden pünktlich erreicht werden. Vier Bachelorarbeiten wurden in dem Projekt schon geschrieben – eine großartige Chance für den akademischen Nachwuchs, schon im Studium an praxisorientierter Forschung mitzuwirken.
Einsatzmöglichkeiten wird es genügend geben
Wer einen Blick auf den Waldrandgefahrenindex aus 2019 wirft, kann dem Forscherteam nur baldigen Erfolg für das Projekt wünschen. An Einsatzmöglichkeiten für den Drohnenschwarm dürfte es angesichts des fortschreitenden Klimawandels nicht mangeln.