Fassaden könnten mehr Sonnenergie liefern
Warum befinden sich Photovoltaikmodule vorwiegend auf den Dächern von Gebäuden, werden aber selten in Fassaden integriert, von wenigen Vorzeigebeispielen abgesehen? Dieses Thema beschäftigte Prof. Dr. Susanne Rexroth schon, als sie noch wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Dresden war. Wobei die Frage insofern rhetorisch ist, als dass die Professorin im Studiengang Regenerative Energien der HTW Berlin die Hürden kennt. Doch weil es die Architektin bis heute mächtig wurmt, dass da energiepolitisches Potenzial verschenkt wird, geht sie eine der Herausforderungen in ihrem neuesten Forschungsprojekt an. Gemeinsam mit ausgesuchten Partnern will sie eine Prüfmethode sowie Fachregeln zum standardisierten Einbau von PV-Modulen in Fassade und Dach entwickeln. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.
Schneller zum Klimaschutzziel
Ehe von den Herausforderungen die Rede sein wird, sei der große Vorteil benannt: Durch die Integration von Photovoltaik in Gebäudefassaden ließen sich der Anteil an Erneuerbaren Energien (EE) steigern, mithin die deutschen Klimaschutzziele schneller erreichen, außerdem dank größerer Nachfrage der Binnenmarkt stärken und so beschäftigungspolitische Effekte erzielen.
Hohe Hürden für Photovoltaik in der Fassade
Warum gibt es trotzdem vergleichsweise wenig PV-Fassadenelemente? Weil deren Verarbeitung nicht trivial ist, sondern fast schon Liebhaberei, sagt Susanne Rexroth. Der Architekt müsse die Idee mögen und in sein Gestaltungskonzept einbeziehen. Die Fassadenplanung werde anspruchsvoller. Drittens benötige man ein passendes Energiekonzept und viertens seien die Kosten, man ahnt es, deutlich höher als bei Photovoltaikmodulen auf dem Dach. Das Baurecht türmt schlussendlich Hürden auf, die von Bundesland zu Bundesland auch noch anders beschaffen sind. Sprich: Was in Hamburg von den Behörden bewilligt wird, kann in Berlin scheitern.
Selbst Nordfassaden können Erträge bringen
Dabei sind gebäudeintegrierte PV-Module energiepolitisch sinnvoll, weil sie das sogenannte Ertragsprofil eines Gebäudes verbessern. Das heißt: Photovoltaik auf einem nach Süden geneigten Dach bringt zwar in den Mittagsstunden einen hohen Ertrag, liefert aber am frühen Morgen oder frühen Abend wenig. Dieses Defizit können Fassaden kompensieren, die nach anderen Himmelsrichtungen ausgerichtet sind, mit dem Resultat, dass genügend Energie vorhanden ist, wenn morgens die Waschmaschine läuft oder am frühen Abend Videos gestreamt werden. Vor allem höhere Gebäude, bei denen die Dachflächen im Verhältnis zur Fassadenfläche klein sind, hätten viel Anwendungspotenzial: Balkonbrüstungen, Vordächer oder Verschattungselemente. Das gilt für Neubauten wie Bestandsbauten gleichermaßen.
Im Fokus: das Baurecht
Gründe genug für die Akteure im Projekt „StaGiMo“, wie es die Beteiligten getauft haben, die Sache voranzubringen, und zwar in baurechtlicher Hinsicht. So läßt sich auch der Langtitel des Projektes erkläre: „Gebäudeintegrierte Photovoltaik (GIPV): Fachregeln und Prüfmethoden für eine standardisierte Modulanwendung in Dach und Fassade“. Fünf Arbeitspakete wurden inzwischen geschnürt, bei Susanne Rexroth und ihren wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen liegt außerdem die Projektkoordination. Das HTW-Team will zunächst die grundlegenden Fragen klären wie zum Beispiel: Welche konstruktiven Lösungen sind für eine standardisierte Integration geeignet, was sind die Kostentreiber, worauf muss in punkto Brandschutz Rücksicht genommen werden? Später sollen Simulationen und Teststände für eine Fassaden- (und Dach-)anwendung auf dem Campus Wilhelminenhof folgen und zuguterletzt der Vorschlag für eine geeignete Lösung präsentiert werden.
Die Projektpartner passen perfekt
Sehr froh ist Susanne Rexroth, die passenden Projektpartner gefunden zu haben. Da ist zum einen die Universität Siegen, genauer gesagt: der Lehrstuhl Tragkonstruktion. Dessen Team wird den Fokus auf bautechnische und elektrotechnische Anforderungen legen, Bauteilprüfungen durchführen sowie Simulationsmodelle entwickeln, die die Untersuchungen verifizieren. Mit im Boot ist auch das in Berlin ansässige Deutsche Institut für Bautechnik, das jährlich ca. 2.500 allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen erteilt. Der TÜV Rheinland Energy unterstützt das Team bei der Entwicklung von Prüfmethoden und Fachregeln sowie deren Bekanntmachung bei Entscheidungsträgern.
Innovative Unternehmen mit im Boot
Hinzu kommen mit der Sunnovation und der BayWa renewable energy zwei innovative und im Bereich Solartechnik ausgewiesene Unternehmen, die Technik und Know-how gleichermaßen einbringen. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie wirkt als erfahrener Praxispartner mit und wird die Projekterkenntnisse schließlich in Gestalt von Seminaren und Handouts in Fachkreisen verbreiten.
Drei Jahre wird man nun gemeinsam arbeiten, den ersten Zwischenbericht erwartet das Forschungszentrum Jülich als Projektträger im April 2021.