Digitalisierung für Fische
Wer schon einmal Fische in einem Aquarium gehalten hat, weiß: Die Tiere sind empfindlich und stellen viele Anforderungen an ihre Umgebung. Lässt die Qualität des Wassers zu stark nach, werden sie krank. „Anders als bei Tieren, die auf dem Land leben, gehen die Ausscheidungen von Fischen direkt ins Wasser, sie atmen diese ein und bekommen zum Beispiel Atemnot“, erklärt der Biotechnologe Dominik Ewald eines der vielen Probleme, auf die Fischhalter_innen stoßen können. Je größer der Bestand, umso mehr Faktoren müssen beachtet werden. Ewalds Start-up-Projekt MonitorFish hilft Fischwirt_innen, die die Tiere für den Lebensmittel-Handel züchten, beim Echtzeit-Monitoring und gibt Handlungsempfehlungen bei Problemen.
Für ihre Idee eines smarten Diagnostik-Systems haben Ewald und seine Mitgründer Chaitanya Dhumasker sowie Jan Viktor Apel nun ein EXIST-Gründerstipendium erhalten. Sie werden ein Jahr lang in dem Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gefördert und erhalten insgesamt etwa 130.000 Euro. Das Start-up-Kompetenzzentrum der HTW Berlin unterstützt das Team unter anderem, indem es die Mitglieder berät, beim Vernetzen hilft und Räumlichkeiten bereitstellt. „Ein Start-up zusammenzustellen ist vergleichbar mit Kuchenbacken“, sagt Gründungscoach Anke Fischer, die dem Team tatkräftig zur Seite steht. „Man braucht qualitativ hochwertige Zutaten, die beim Backen ein gelungenes Ganzes bilden. Als Start-up-Kompetenzzentrum prüfen wir, welche Zutaten bereits da sind und welche fehlen. So bauen wir das Gründungsprojekt Stück für Stück auf.“ Die drei Gründer haben an der BTU Cottbus-Senftenberg, der TU Berlin und der Hochschule Darmstadt studiert. Über Kontakte kamen sie mit ihrem Gründungsprojekt zur HTW Berlin und werden nun von Prof. Dr.-Ing. Frank Fuchs-Kittowski, Studiengang Umweltinformatik, als Mentor betreut.
Wasserqualität überwachen, Tierwohl fördern
Im Fall von MonitorFish galt es vor dem Antrag für das EXIST-Stipendium, die Bandbreite des Start-ups abzurunden: Neben dem Monitoring ergänzte das Team sein Portfolio um Bilderkennung. Diese Technologie ermöglicht es ihnen unter anderem, Wachstum und Verhalten der Fische in einem Bestand zu analysieren. Reiben sich einzelne Fische am Beckenrand? Dann sind sie vielleicht von Läusen befallen. „Wir erfassen also nicht nur Parameter zur Wasserqualität, sondern auch zum Tierwohl“, sagt Jan Viktor Apel. „Unser System soll verhindern, dass es den Tieren schlecht geht und Antibiotika oder andere Medikamente überhaupt eingesetzt werden müssen.“ Hat das Programm ein mögliches Problem erkannt, schlägt es Fischfarm-Besitzer_innen mehrere Vorgehensweisen zur Lösung vor.
Mit künstlicher Intelligenz zur vollautomatischen Fischfarm
Einige Komponenten des Diagnostik-Systems arbeiten mit einer künstlichen Intelligenz, die stetig dazu lernt. Derzeit trainieren Apel, Ewald und Dhumasker das Programm für verschiedene Fischarten. Für die Zukunft hat das MonitorFish-Team viel vor: Ihr Programm soll das erste digitale Zertifizierungsverfahren für Lebensmittel werden. Händler_innen oder Handelsketten, die Fische einkaufen, müssten dann nicht mehr stichprobenartig einige Fische auf gewünschte Größe und andere Faktoren hin untersuchen, sondern könnten sich von Fischwirt_innen einfach die Daten des MonitorFish-Systems vorlegen lassen. Noch ein weiter entferntes Zukunftsszenario ist die vollautomatische Fischfarm, in der das Programm alle Anlagen — zum Beispiel zur Fütterung und der Wasserfilter — steuert und ein_e Fischwirt_in nur noch den aktuellen Stand abfragt. „Erst einmal ist es aber unser Ziel, das Wissen von Fischwirt_innen zu erweitern und ihnen dabei zu helfen, ihren Fischbestand besser zu verstehen“, so Ewald.