Vom Hochschulfan zum Hochschulprof
Nach seiner Promotion wusste Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Arif Wider sofort: Er will in die Wirtschaft. Fünf fantastische Jahre nennt er die Zeit bei einer Technologieberatung. Aber auch die Karriere in der Wissenschaft behielt er immer im Hinterkopf – speziell die Möglichkeiten einer Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW), früher Fachhochschule genannt. Wie es schließlich dazu kam, warum er die Kontakte in die Wirtschaft für seine Forschung und Lehre nutzen kann und wann es mit der Begeisterung für die Informatik los ging, verrät Prof. Dr. Arif Wider im Interview.
Herr Wider, wie sind Sie Wirtschaftsinformatik-Professor geworden?
Eigentlich bin ich durch und durch Informatiker. Ich hatte schon in der Schule Informatik, habe Informatik studiert und dann in Informatik promoviert. Während meiner Zeit in der Wirtschaft, die mir sehr viel Spaß gemacht hat, habe ich mich immer als Softwareingenieur bezeichnet. Als ich mir dann die Beschreibung für die Stelle an der HTW Berlin und den Studiengang angesehen habe, war das genau das, was ich die letzten fünf Jahre in der Wirtschaft gemacht hatte. Offensichtlich war ich mittlerweile Wirtschaftsinformatiker geworden, was der Ruf 2020 an die HTW Berlin bestätigt hat.
War die Professur schon immer Ihr Ziel?
Ich wollte nie diese akademische Universitätskarriere als Postdoc machen, weil dabei ja auch sehr unsicher ist, ob es am Ende überhaupt klappt mit einer Professur. Das finde ich sehr unattraktiv an dem klassischen deutschen akademischen System. Außerdem wollte ich unbedingt in die Wirtschaft. Das waren fünf absolut fantastische Jahre, in denen ich enorm viel gelernt habe. Da ich selbst an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften studiert hatte, früher sagte man Fachhochschule, wusste ich, dass man für die wissenschaftliche Karriere dort Industrie- oder Wirtschaftserfahrung braucht. Als ich die hatte, habe ich dann in einem Newsletter die Stelle an der HTW Berlin gesehen. Die kannte ich als Berliner, ich habe Freunde, die hier studiert haben, sie war mir also ein Begriff. Ich habe mich beworben und es hat auf Anhieb geklappt. Und das Modell mit einem sehr praxisnahen Studium finde ich total gut. Ich würde mich als Fan von Hochschulen für angewandte Wissenschaften bezeichnen, schon damals als Student und erst recht jetzt als Lehrender.
Was macht denn die HTW Berlin besonders?
Ganz allgemein ist für mich die Freiheit der eigenen Zeitgestaltung und Prioritätengestaltung natürlich absolut toll. Außerdem ist die inhaltliche Freiheit sowohl in der Lehre als auch in der Forschung unglaublich. Ich kann machen, was ich für richtig und wichtig halte, in den Curricula für die Studierenden und bei den Forschungsthemen. Zudem ist die Organisation der Studiengänge an der HTW Berlin gut: Es ist zumindest am Fachbereich 4 immer ein Professor oder eine Professorin genau einem Studiengang zugeordnet und nicht einem Fachgebiet. Das heißt, ich mache Programmierveranstaltungen nur im Studiengang Wirtschaftsinformatik und nicht in anderen Informatikstudiengängen. Diese Verantwortung für die Module führt zu sehr konstruktiven Entscheidungen über die Lernpfade für die Studierenden. Das gefällt mir und ist, denke ich, auch ein Grund dafür, dass gleich mehrere Studiengänge der HTW Berlin und insbesondere vom Fachbereich 4 in Rankings Spitzenplätze belegen.
Was ist denn der Unterschied zwischen Hochschule und Wirtschaft?
Das ist schon relativ dramatisch. In der Wirtschaft arbeitet man in Teams aus vier, fünf Leuten, die richtig eng zusammenarbeiten. Das ist als Professor dann doch anders. Man macht Forschungsanträge und Forschungsprojekte gemeinsam, aber 80 Prozent der Zeit ist man doch allein unterwegs. Ganz einfach, weil man allein in der Vorlesung steht. Natürlich versuche ich mit den Studierenden auf Augenhöhe zu interagieren, aber ich bleibe eben doch in der Position als Lehrender, das lässt sich nicht ändern. Aber es ist in der anderen Zeit wiederum auch ein hochspannender, sehr positiver Austausch mit dem echt vielfältigen Kollegium im Studiengang. Es ist auch erstaunlich, wie schnell man mit den verschiedenen Kolleginnen und Kollegen aus anderen Studiengängen zusammenkommt und interessante und schöne Projekte zusammen machen kann.
Wie halten Sie Kontakt zur Wirtschaft?
Auch die sich hier ergebenden Möglichkeiten schätze ich sehr. Bis zu 20 Prozent der eigenen Zeit kann ich als Professor in der Wirtschaft arbeiten. Zunächst habe ich das bei meinem vorherigen Unternehmen Thoughtworks gemacht und es dann Stück für Stück weiter als Berater diversifiziert. Davon profitieren meine wissenschaftliche Arbeit und die Studierenden, weil es einen nahen Kontakt zur Praxis gibt.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Ich habe beispielsweise in der Lehre im Bachelorstudium eine sehr moderne Software Engineering Technik eingeführt, die absolut State of the Art in der Wirtschaft ist und auch viel Spaß macht, das nennt sich Test-Driven Development. Das war relativ ungewöhnlich für ein Informatik-Grundstudium und ging nur durch die enge Verbindung zu Unternehmen und meine Kenntnisse. Ein anderes Thema von mir ist Data Mesh, das ist sowohl eine Organisationsstruktur als auch eine Datenarchitektur für Probleme von großen IT-Unternehmen. Das ist für die Lehre im Bachelor etwas zu früh, wenn Studierende noch gar nicht wissen, was Softwareentwicklung eigentlich ist. Vielleicht ist es etwas für den Master-Studiengang im nächsten Semester. Dazu hatte ich auch schon ein erstes Forschungsprojekt und fange gerade damit an, meinen ersten Doktoranden mit Data Mesh als Forschungsthema zu betreuen.