Palmblatt statt Plastik - Verpackung geht auch anders
Manchmal gehen die Dinge schnell. Heute noch präsentierten die Studierenden ihre Prototypen aus dem Hauptprojekt im Studiengang Industrial Design auf dem Campus Wilhelminenhof, morgen schon wurden die Entwürfe vom neugierigen Publikum auf der Weltleitmesse für ökologische Konsumgüter in Nürnberg beäugt. Von Interesse auf der „BIOFACH“ waren nicht nur die frischen Ideen made @ HTW Berlin, sondern auch der nachhaltige Rohstoff, aus dem die angehenden Industriedesigner*innen Produkte kreierten: Das Blatt von der in Indien weit verbreiteten Arekapalme. „Ihr habt einen wichtigen Beitrag zu der Weiterentwicklung von nachhaltiger Verpackung für Kosmetik geleistet“, lobte Jana Geißler die 18-köpfige Gruppe aus dem 3. und 5. Semester. Sie betreute das Projekt als Lehrbeauftragte und nahm die Hälfte der Entwürfe der HTW-Studierenden auf die besagte Messe mit. Denn Jana Geißler ist auch Mitarbeiterin der LEEF Blattwerk GmbH. Das in Potsdam ansässige Unternehmen entstand aus einer Crowdfunding-Kampagne und hat sich als Lieferant von Einweggeschirr aus Palmblatt im Bereich der Gastronomie etabliert.
Produkte aus Palmblatt sind biologisch abbaubar
Was macht das Blatt der Arekapalme in punkto Nachhaltigkeit so interessant? Jana Geißler zählt die Pluspunkte auf: Das große Blatt ist ein Abfallprodukt der Landwirtschaft; es fällt einfach zu Boden. Dort lässt es sich einsammeln und reinigen, ehe man das Teil, das nach dem Waschen weich wie Leder ist, mit Werkzeugen formen kann. Aus Palmblatt gefertigte Produkte sind zu 100 Prozent biologisch abbaubar, ja, mehr noch: Wenn sie sich zersetzen, verbessert das sogar das Erdreich. Ein ideales Material also für Einweggeschirr bei Veranstaltungen, nach denen sich keine Plastikmüllberge türmen sollen. Die Nachfrage nach kompostierbaren Alternativen zu Plastikutensilien wächst stetig; längst gibt es ein vielfältiges Angebot an Tellern, Schalen, Tabletts sowie Lieferboxen aus Palmblatt.
Warum nicht Naturkosmetik damit verpacken?
Warum das nachhaltige Palmblatt nicht auch bei Verpackungen einsetzen, statt Plastik? Das fragte sich die Designerin. Vor allem für Biokosmetik könnte das interessant sein. „Dieser Markt ist in den letzten Jahren explodiert“, erzählt Jana Geißler. Wer bei der Körperpflege Wert auf Nachhaltigkeit lege, achte meist nicht nur auf die Inhaltsstoffe, sondern auch auf eine umweltfreundliche Verpackung. Gedacht, getan: Im Wintersemester 2024/25 entwickelten 17 angehende Industriedesigner*innen der HTW Berlin Verpackungsideen aus Palmblatt. „Es hat super viel Spaß gemacht, so konkret an einem Produkt zu arbeiten“, findet Marina. Von ihr stammt die praktische Reiseverpackung, in der die Business Frau ein komplettes Set an Pflegeprodukten für sieben Tage im Duty-Free-Shop am Flughafen kaufen kann. „Leef to Leave“, hat Marina ihr Duo aus Unterschale und Deckel genannt, in dem durch geschickte Formung der Oberflächen nichts durcheinanderfliegt, sondern Fläschchen mitsamt Zahnbürste und Zahnpastatube am Platz bleiben. „Leef to Leave“ gehörte zu den drei Prototypen, die das Potsdamer Unternehmen flugs auf eigene Kosten produzierte und auf der Messe ausstellte. „Wenn sich Kunden finden, werdet Ihr am Umsatz beteiligt“, hatte Jana Geißler in Aussicht gestellt.
Konkrete Vorgaben für die Verarbeitung
Im Mittelpunkt des Projekts stand allerdings die Auseinandersetzung der Studierenden mit dem Thema Verpackung im Allgemeinen und dem Palmblatt im Besonderen. „Ihr habt es alle geschafft, Euch an meine sehr konkreten technischen Vorgaben für die Verarbeitung zu halten“, lobt Jana Geißler die angehenden Industriedesigner*innen. Dass das nicht immer ganz einfach war, berichteten die Studierenden bei der Präsentationen ihrer Prototypen. Je nach Designidee hatten sie ganz schön zu tüfteln. Doch was es nach vier Monaten zum Abschluss des Semesters zu sehen gab, war ohne Ausnahme sehr ansprechend.
Vom Parfumflacon bis zur elektrischen Zahnbürste
Die Parfum-Verpackung von Jacob beispielsweise. Der Flacon ruht zwischen zwei Schalen, welche die Glasflasche sowohl schützen als auch gut zur Geltung bringen. Oder die Geschenkverpackung für Kosmetikprodukte, die sich öffnet wie zwei Flügel. „Schon das Auspacken soll zum Erlebnis werden“, erläuterte Laura ihre Idee. Lukas entschied sich dafür, eine elektrische Zahnbürste zu verpacken und schaffte es dabei sogar, das Ladegerät zu integrieren. Mit Zahnbürsten beschäftigte sich auch seine Kommilitonin Florentine. Ihre Zielgruppe waren Kleinkinder, genauer gesagt: deren Eltern. Die Verpackung kann als Förmchen im Sandkasten nachgenutzt werden kann. Maxim brachte durch seine Verpackungsidee einen Rasierhobel zur Geltung; die dazugehörigen Ersatzklingen platzierte er auf Rückseite. Die Liste der Ideen ließe sich fortsetzen mit Verpackungen für Seifen und Badekugeln, Räucherstäbchen und Haarwachs.
Drei Prototypen wurden wirklich produziert
Dem geschulten Auge von Jana Geissler hatten es zwei andere Verpackungsideen angetan, die sie ebenfalls auf der Nürnberger Messe zeigte: Zum einen das „Silknest“ von Milena. Die Studentin entwickelte eine magnetisch verschließbare Schale mit Deckel für die bei Frauen mit langen Haaren beliebten Softgummis aus Seide. Normalerweise werden sie im Handel in schnöden Plastikfolien verkauft. Zum anderen der Entwurf von Alina. Sie entwickelte eine ansprechende Verpackung für einen Gesichts-Massageroller und gab ihr den vielsagenden Namen „As-Sleep“. Im Gehäuse aus Palmblatt ruht der Massageroller quasi wie in einem Bett.
Womöglich bald im Handel...
Vielleicht begegnet einem die eine oder andere Verpackungsidee ja irgendwann im Handel? Überraschend wäre das nicht, denn der Studiengang Industrial Design bringt regelmäßig erfolgreiche Absolvent*innen hervor, darunter auch solche, die sich mit eigenen Ideen selbstständig machen.