Fahrzeugtechnische Expertise für Einsätze der Feuerwehr
Wenn sich der Hörsaal von Gebäude G auf dem Campus Wilhelminenhof der HTW Berlin mit Feuerwehrleuten in Uniform füllt statt mit Studierenden, dann erkennt man sofort: Zeit für die Fachtagung, die der Studiengang Fahrzeugtechnik gemeinsam mit der Berliner Feuerwehr ausrichtet. „Technische Rettung – Elektromobilität/Heavy Rescue“ lautet das Motto der diesjährigen Veranstaltung. Sie findet am 19. und 20. Februar 2025 statt. Über die Themen, die auf der Agenda stehen, sprechen Prof. Dr. Darius Friedemann und Prof. Dr. Michael Selig im Interview. Die beiden Professoren aus dem Studiengang Fahrzeugtechnik haben die Tagung zusammen mit Dr. Rolf Erbe, ihrem Partner bei der Berliner Feuerwehr- und Rettungsdienst-Akademie, inhaltlich konzipiert und sorgen mit einem studentischen Team für die Organisation.
Um welche Themen geht es?
Prof. Dr. Darius Friedemann: Wir vertiefen zum einen die Frage, worauf es bei Unfällen mit Elektrofahrzeugen ankommt. Das Thema Elektromobilität hat uns auf der Tagung 2024 schon beschäftigt, inzwischen liegen weitere Erfahrungen vor. Es hat sich gezeigt, dass bei den Feuerwehrkräften noch eine gewisse Unsicherheit herrscht. Wieviel Löschwasser ist wirklich erforderlich? Können sich die Batterien nach dem Löschen noch einmal entzünden? Wie geht man mit den E-Autos nach dem Unfall um? Müssen sie zwingend für 48 Stunden in Quarantäne genommen werden? In welche Gefahrenstufe sind sie einzuordnen? Wir wissen, dass die Gefährdung aus Gründen der Vorsicht in der Vergangenheit tendenziell sehr hoch angesetzt wurde, mit der Folge, dass die Versicherungsprämien gestiegen sind.
Prof. Dr. Michael Selig: Auch der Brandschutz in Betriebshöfen mit Elektrobussen wird ein Thema sein. Ein Vortrag mit Demonstration zur sogenannten Freischaltung von Hochvoltsystemen an LKW - also der sicheren Trennung der Batterie bspw. nach einem Unfall -, findet in unserem Fahrzeugtechniklabor statt, wo das nötige Equipment zur Verfügung steht. Während der Tagung sind außerdem einige Aussteller von Rettungsgeräten auf dem Campus präsent.
Und was genau meint „Heavy Rescue“?
Prof. Dr. Friedemann: Das sind Spezialeinsätze bei denen schwere Lasten zu heben und zu bergen sind. Denken Sie an Unfälle mit Schienenfahrzeugen oder an Havarien in Industriebetrieben. Unsere Tagung ist ja auch eine Weiterbildungsveranstaltung für Feuerwehren und Rettungskräfte, um ihnen Impulse zu geben und neueste Erkenntnisse im Umfeld der technischen Rettung zu vermitteln bzw. sich darüber auszutauschen. Gerade bei Spezialeinsätzen sind neue Erkenntnisse und Erfahrungsaustausch gefragt. Die klassischen Herausforderungen durch Feuer haben die Rettungsdienste und Feuerwehren gut im Griff bzw. hier verfügen sie über erprobte Strategien.
Neues gibt es zum Beispiel in punkto Sicherheit der Einsatzkräfte, die im Rettungswagen unterwegs sind. Laut Dienstvorschrift dürfen sie nicht stehen, sondern müssen sich nach der Erstversorgung des Opfers hinsetzen und ordnungsgemäß anschnallen, während der Wagen in eine Klinik fährt. Doch der Alltag zeigt, dass diese Vorschrift praxisfern ist. Oft geht der Kampf um das Leben eines Menschen während der Fahrt weiter, und zwar im Stehen. Unsere Doktorandin Nadine Preuss untersucht in ihrer Promotion ein spezielles Gurtsystem, das Rettungskräfte in solchen Fällen schützen könnte. Die Entwicklung des Gurtsystems durch eine beteiligte Firma ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber schon zum weltweiten Patent angemeldet. Nadine Preuss wird ihre Erkenntnisse vorstellen.
Sie haben Studierende in die Organisation eingebunden?
Prof. Dr. Michael Selig: Die komplette Organisation der Tagung läuft an der HTW Berlin. Außer uns beiden sind acht Studierende aus dem Modul Fahrzeugtechnisches Kolloquium im Masterstudiengang beteiligt. Sie haben die Anmeldemaske programmiert, den Flyer erstellt, werden sich um die Registrierung kümmern und die Teilnehmer*innen betreuen. An beiden Tagen sind alle zwischen 9.00 und 18.00 Uhr im Einsatz. Die Studierenden haben auch ein Tool für die digitale Evaluation erstellt. Denn wir wollen natürlich wissen, wie die Tagung beim Publikum ankommt. Bei der letzten Tagung im Jahr 2024 war das Feedback der 300 Teilnehmer*innen sehr, sehr positiv.
Die Tagung ist ein Baustein der Kooperation mit der Berliner Feuerwehr?
Prof. Dr. Friedemann: Ja, die Tagung ist ein Resultat der Kooperation mit der Berliner Feuerwehr, die schon seit mehreren Jahren besteht. Denn wir wissen, dass die ständige Weiterentwicklung der Fahrzeugtechnik, speziell Rettungsdienste und Feuerwehren, vor neue Herausforderungen stellt. Die Feuerwehr hat uns auch zwei Fahrzeuge für Crash-Versuche zur Verfügung gestellt und es gibt Abschlussarbeiten zu einschlägigen Themen.
Prof. Dr. Selig: Die Feuerwehr ist für unsere Studierenden übrigens auch ein potenzieller Arbeitgeber. Sie verfügt nämlich über einen umfangreichen Fuhrpark, dessen Betrieb und Beschaffung kundigen Ingenieur*innen obliegt. Schließlich geht es bei der Auswahl von passenden Fahrzeugen um anspruchsvolle technische Details, für die man einschlägiges Know-how benötigt. Auch das macht die Kooperation interessant.