Dieses Tablet führt Sie zum Einsatzort

Man kennt die Situation als Patientin im Krankenhaus beispielsweise oder als Reisender am Flughafen: der Weg zur Station oder zum Fahrstuhl ist mitunter mühsam zu finden. „Genauso verhält es sich bei Servicetechniker*innen, die den Auftrag haben, eine Anlage zu warten oder ein Ersatzteil zu tauschen“, sagt Prof. Dr. Frank Neumann. „Firmengelände können groß sein und sehr unübersichtlich, weder der Wachschutz noch die zuständige Abteilung haben Zeit, jemanden persönlich zum Einsatzort zu begleiten.“ Die Lösung: Der/die Techniker*in bekommt ein Tablet in die Hand, das ihn oder sie über das Gelände und durch das Gebäude genau dorthin lotst, wo Hand anzulegen ist. Eine solche Anwendung – den sogenannten „ServiceTechNavigator“ - haben Prof. Dr. Neumann und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Marian Bookhahn in Zusammenarbeit mit mittelständischen Kooperationspartnern entwickelt. Gefördert wurden sie vom Bundesministerium für Wirtschaft, Technologie und Raumfahrt aus dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM).

Anwendung speziell für den Indoor-Bereich

Nun sollte man meinen, dass im Jahr 2025 längst ein oder mehrere Navigationsverfahren auch für den Indoor-Bereich existieren. „Die gibt es“, sagt Prof. Dr. Neumann. Doch die einschlägigen Technologien setzen wahlweise Markierungen oder Installationen in Gebäuden voraus, die erst einmal mit einem gewissen Aufwand etabliert werden müssen. Oder aber sie funktionieren mangels WLAN-Netz eben doch nicht, gerade in Kellerbereichen oder Werkhallen. Wie übrigens das Navigationssystem GPS (Global Positioning System), dessen Satellitensignale von Wänden und Dächern blockiert werden. 

Innovation im Team mit Partnern

Es besteht also Bedarf an Innovation. Eine solche zu fördern, ist auch das Ziel des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand: Es will kreative Unternehmen bei der Realisierung guter Ideen unterstützen. Gleich drei Kooperationspartner hatten die beiden HTW-Wissenschaftler bei der Entwicklung des ServiceTechNavigator an ihrer Seite: die Leipziger BCS GmbH, die ganzheitliche Lösungen für das Planen, Verwalten und Bewirtschaften von Gebäuden, Anlagen und Einrichtungen entwickelt; die ebenfalls in Leipzig ansässige BitCtrl Systems GmbH, die sich auf smarte Software spezialisiert hat; und schließlich die Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik (GFaI e.V.) in Berlin-Adlershof. Das An-Institut der HTW Berlin ist auf mehreren Forschungsgebieten und im Bereich des Technologietransfers tätig.

Vorhandene Informationen nutzen und aufbereiten

Das Konzept des Projektteams: Man greift auf Gebäudeinformationen zurück, die schon vorhanden sind, und entwickelt auf dieser Grundlage eine innovative Anwendung für die Indoor-Navigation. „Dafür Gebäudedaten der HTW Berlin zu nutzen, lag natürlich nahe“, sagt Marian Bookhahn. Sie sind zweidimensional für sämtliche Liegenschaften der Hochschule verfügbar. Ausgewählte Gebäudebereiche wurden im Zuge des Projekts von der BCS GmbH zu einem dreidimensionalen digitalen Zwilling aufbereitet (der bei Neubauten übrigens längst Standard ist). Diese 3-D-Merkmale wiederum können vom ServiceTechNavigator erkannt, mit den Gebäudeinformationen verglichen und dann präzise zugeordnet werden. Navigiert wird also optisch, die Orientierung erfolgt anhand geometrischer Merkmale. Damit das auf einem normalen Endgerät wie einem Tablet funktioniert, mussten Marian Bookhahn und Prof. Dr. Neumann fleißig programmieren und unzählige Algorithmen schreiben. Für die ansprechende Benutzeroberfläche der App sorgte die BitCtrl GmbH. 

Eine Demonstration ist schon möglich

Auf seinem Tablet kann Marian Bookhahn schon zeigen, wie der ServiceTechNavigator einmal aussehen wird. „Dein Auftrag“, begrüßt einen die Anwendung; der Einfachheit halber wird noch geduzt, bittet Prof. Dr. Neumann um Nachsicht. Man sieht den Flur, in dem man gerade läuft, auf dem Linoleumboden große, blaue Pfeile, die unmissverständlich den Weg weisen: bis ans Ende des Gangs, dann rechts durch die Tür, dann wieder links, und direkt in die Teeküche, wo sich der mannshohe Kaffeeautomat befindet, den es zu warten gilt. „Auch weitere Informationen wie präzise Zugangsdaten, Ebenen oder Hinweise lassen sich einblenden, perspektivisch auch Räume mit Sicherheitsvorkehrungen oder Bereiche, in denen auf den Verkehr von Gabelstaplern zu achten ist oder für die Arbeitsschutzauflagen gelten“, ist Marian Bookhahn zufrieden mit dem Resultat. 

Der praktische Nutzen liegt auf der Hand

Den praktischen Nutzen des ServiceTechNavigators veranschaulicht Prof. Dr. Neumann an einem Beispiel. Er wählt das Stadion des RB Leipzig. In der Fußballarena sind mehr als 250 technische Anlagen in Betrieb. Sie alle müssen regelmäßig technisch gewartet und betreut werden, nicht wenige melden Störungen sogar automatisch. „Umso grotesker mutet es da an, wenn der/die Techniker*in vor Ort lange nach der problembehafteten Anlage suchen und der Auftraggeber auch für diese Suche Geld bezahlen muss“, findet Prof. Dr. Neumann. 

Folgt dem Tablet irgendwann die smarte Brille?

Noch ist der ServiceTechNavigator eine Anwendung für ein Tablet. Doch Prof. Dr. Neumann wäre nicht Wissenschaftler, wenn er nicht schon das nächste Forschungsprojekt im Blick hätte. „Statt ein Tablet vor sich herzutragen, könnte der/die Techniker*in eine smarte Brille mit integrierter Kamera aufsetzen", denkt er laut nach. Dann wären beide Hände frei. Und womöglich könnte man die Arbeit sogar durch eine Sprachsoftware unterstützen?! Es gäbe noch viele Möglichkeiten!

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