Christin Malinowski
Christin Malinowski
Christin Malinowski kann auf 13 Jahre Berufserfahrung im Finanzsektor blicken. Seit 2023 promoviert die gelernte Bankkauffrau und Betriebswirtin kooperativ zum Thema „gender-intelligentes Fintech-Design“ an der HTW Berlin (betreut durch Prof. Dr. Anna Riedel) und UdK Berlin (betreut durch Prof. Dr. Sascha Friesike) im Verbundprogramm DiGiTal. Was sich genau dahinter verbirgt erzählt die 34-jährige im Interview.
Nach dem Abitur hast du zunächst eine Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht. Wie kam es dazu?
Nach dem Abitur wollte ich erstmal eigenes Geld verdienen. In meinem Umfeld war es nicht selbstverständlich zu studieren. In meiner Familie war ich die erste mit Abitur. Durch die Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit wurde ich auf die Finanzbranche und das duale Studium aufmerksam. Für das duale Studium kam ich bei einem ersten Assessment Center nicht weiter, weil ich im Vetriebsgespräch nicht überzeugt hatte. Bei einem zweiten Anlauf erhielt ich von der Commerzbank dann das Angebot für eine zweijährige Ausbildung zur Bankkauffrau. Das fand ich attraktiv, denn bei gutem Abschluss gab es die Option, im Anschluss über ein unternehmensinternes Förderprogramm ein Studium anzuschließen. Diesen Weg bin ich dann mit der Commerzbank bis zum Abschluss meines Bachelor-BWL Studiums an der HTW Berlin gegangen.
In deiner Promotion beschäftigst du dich mit gender-intelligentem Fintech-Design. Was genau kann ich mir darunter vorstellen?
Das ist der Arbeitstitel meines Forschungsprojekts. Inzwischen lässt es sich einfacher unter „Frauen und Finanzen in Zeiten der Digitalisierung“ zusammenfassen. Heruntergebrochen ging es mir bei meiner anfänglichen Forschungsidee darum – geprägt durch meine berufliche Erfahrung im digitalen Produktmangement - zu verstehen, ob und wie digitale Lösungen, insbesondere Apps und Internet-Plattformen für das Wertpapiergeschäft, gestaltet werden sollten, um mehr Frauen zur Geldanlage an der Börse zu bewegen. Im Forschungsprozess hat sich dann aber gezeigt, dass ich zu spitz und eng an das Thema herangegangen bin. Vor dem Einsatz der Tools sind im Wertpapierkaufprozess noch weitere relevante Aspekte zu berücksichtigen, die sich nicht ausschließlich durch digitale Lösungen bewältigen lassen. So komme ich auch mit fachfremden Forschungsgebieten wie der Soziologie in Berührung, die für das Verständnis des Kontexts von Bedeutung sind.
Frauen investieren seltener als Männer. Wie sollten Finanzprodukte deiner Meinung nach gestaltet sein, um mehr Frauen anzusprechen?
Eine endgültige Antwort habe ich darauf (noch) nicht. Als es in meinen geführten Expert*inneninterviews konkret um die Gestaltung von digitalen Lösungen ging, bezogen sich die meisten auf die Optik. Die Farbe Schwarz wurde häufig als abschreckend bewertet und mit einer eher männlich geprägten Ansprache assoziiert. Spannend war zudem die in den Gesprächen geäußerte These, dass mit steigendem Finanzwissen das zielgruppenspezifische Design zunehmend an Bedeutung verliert. Das würde bedeuten, dass eine Umgestaltung Frauen mit wenig Finanzwissen den Einstieg erleichtern könnte. Für Frauen hingegen, die bereits über fundiertes Wissen verfügen, aber dennoch nicht ins Handeln kommen, würde sie vermutlich keine Lösung darstellen. Aus der modernen Geschlechterforschung habe ich auch dazugelernt, dass „Frauenprodukte“ als problematisch gelten, da sie Stereotype reproduzieren und fortschreiben. Gerade im Hinblick auf den Praxistransfer bringt mich diese Erkenntnis bei der Ableitung von Lösungen regelmäßig in eine gedankliche Sackgasse.
Welche Tipps hast du für Promotionsinteressierte?
Erstens: Sich früh ein Netzwerk mit Professor*innen aufbauen, möglichst schon während des Studiums, insbesondere wenn man an einer Hochschule ohne eigenes Promotionsrecht promovieren möchte und auf Kooperationen mit Universitäten angewiesen ist. Besonders für Berufstätige, die nach dem Master erst einmal nicht an der Hochschule geblieben sind, kann ich zu Nebentätigkeiten in der Lehre empfehlen.
Zweitens: Die vielen Beratungsangebote und Förderprogramme zur Promotion nutzen, an der HTW Berlin gibt es etwa den Graduiertenservice. Ich selbst habe viele Möglichkeiten erst gesehen, als ich schon im „Apparat“ drin war.
Drittens: Den Kontakt zu Promovierenden suchen und – wenn möglich – sie für ein paar Tage im Alltag zu begleiten, auch um zu schauen welches Promotionsmodell gut zu einem passt. Sprich: promoviert man individuell oder als Teil eines Forschungsprojekts im Team.
Ein Hobby, um den Kopf von der Promotion freizubekommen!
Seit dieser Saison spiele ich wieder aktiv Fußball in der Berliner Bezirksliga. Ich bin jetzt in der zweiten Frauenmannschaft des Moabiter FSV. Fußball hat für mich auch viele Parallelen zum Thema Frauen und Finanzen. Es sind beides Bereiche, in denen Frauen lange Zeit ausgeschlossen oder benachteiligt waren. Man denke etwa an das frühere DFB-Verbot des Frauenfußballs in der alten Bundesrepublik oder an aktuelle Studien und Experimente, die belegen, dass zur Herstellung eines vergleichbaren körperlichen Aufwands die Spielfeldmaße, die Torhöhe und das Ballgewicht für Frauen reduziert oder für Männer erhöht werden müssten. Insofern findet sich der feministische Part meines Promotionsthemas auch in meinem Hobby wieder.
Mit wem würdest du gerne einen Kaffee trinken?
Aktuell beeinflusst von der spannenden Europameisterschaft: Gerne mit Alexandra Popp, der ehemaligen Kapitänin der deutschen Frauenfußballnationalmannschaft. Ihr Werdegang beeindruckt mich: Sie hatte viele Rückschläge durch Verletzungen zu verkraften, ist aber immer wieder auf Profi-Level zurückgekommen und hat ihr Team erfolgreich geführt. Ich finde es inspirierend, wie sie ihre sportliche Identität lebt und Vorbild für die nächste Generation an Fußballerinnen wird.
Was bedeutet für dich Diversität?
Dass Menschen mit unterschiedlichen Lebensrealitäten auf Entscheidungsebene unterwegs sind. Ich verstehe darunter nicht nur Diversität in Bezug auf Geschlecht, sondern auch Alter, Herkunft, Religion, Familienstand, Wohnregion (Stadt/Land), Bildungshintergrund, Berufserfahrung oder Behinderung. Gerade beim Thema Finanzen wird klar, wie unterschiedlich Lebensrealitäten von z. B. Alleinerziehenden oder Nicht-Akademikerinnen sein können. Auch ein fachlicher Mix ist mir wichtig: Unterschiedliche Expertisen, z. B. aus Analytischen- und Kreativbereichen, bereichern die Arbeit.
Welche Zukunftspläne verfolgst du?
Weiterhin Entwicklungen an der Schnittstelle zwischen digitalen Produkten und der Zielgruppe Frauen vorantreiben sowohl in Forschung, Lehre als auch in der Wirtschaft. Ab und an ertappe ich mich bei dem Gedanken, selbst einen Onlinebroker oder Robo Advisor speziell für Frauen mit einem Team aufzubauen, weil viele bisherige Versuche gescheitert sind Aber dieser Gedanke reizt mich vor allem aus der Perspektive der komplexen bankprozessualen, regulatorischen und technischen Umsetzung im Hintergrund, die aus meiner Sicht neben den bekannten Finanzierungsproblemen auch immer Teil des Projektscheiterns ist.



Über das Verbundprojekt DiGiTal
Das Verbundprogramm DiGiTal, gefördert durch das Berliner Chancengleichheitsprogramm (BCP), unterstützt Nachwuchswissenschaftlerinnen und Künstlerinnen/Gestalterinnen auf dem Weg zur Professur in der Digitalisierungsforschung. In der zweiten Förderperiode des Programms forschen und arbeiten 13 Programmteilnehmerinnen an den Verbundhochschulen innovativ und interdisziplinär zu Themen der Digitalisierung.
Weitere Infos
Die Fragen stellte Hannah Weißbrodt, Team Kommunikation
Fotos: HTW Berlin/Alexander Rentsch
Berlin, 08. September 2025