Wenn Drohnen zur Reinigung anfliegen...

Bei ihrem Probeflug wird die Drohne made @ HTW Berlin nur eine kleine Blechdose greifen und sie an einem anderen Ort absetzen. Doch irgendwann soll das unbemannte Luftfahrzeug in der Lage sein, einen Roboter mit Bürstenaufsatz zentimetergenau von einem Solarmodul zum nächsten zu transportieren und dieses von Wüstensand reinigen. Das ist zumindest die Vision von Prof. Dr. Jan Hanno Carstens. Mit finanzieller Förderung des Landes Berlin und der Investitionsbank Berlin (IBB) will der Ingenieurwissenschaftler im Studiengang Regenerative Energien ein Drohnen- und Roboter-System zur Reinigung von Solar-Anlagen entwickeln. Er hat dem Projekt den Namen „Solar Swarm Clean“ gegeben.

Schmutzige Module liefern weniger Energie

In unseren Breitengraden besorgt meist Regen die natürliche Reinigung der im Winkel von ca. 30 Grad aufgestellten Solarmodule. Ihre Sauberkeit ist die Voraussetzung für die bestmögliche Nutzung der Sonne, ergo einen maximalen Ertrag. Befinden sich die Photovoltaikflächen allerdings in Ländern wie dem Süden der USA, Israel oder Ländern der arabischen Halbinsel, fehlt meist nicht nur der reinigende Niederschlag. Vielmehr stellt die Verschmutzung durch Sand ein großes Problem dar. „Schon eine dünne Schicht genügt, und der Ertrag sinkt um mehrere Prozent“, sagt Prof. Dr. Carstens. Ein Sandsturm könne die Energieausbeute sogar auf Null reduzieren.

Regelmäßige Reinigung ist wichtig

Also wird regelmäßig gereinigt. Ein gängiges Verfahren ist die Trockenreinigung mit Bürsten. In manchen Ländern besorgen das Billiglohnkräfte, in anderen gibt es teilautomatisierte oder vollautomatisierte Lösungen. Dort fahren Roboter mit Bürstenaufsätzen auf Schienen über die Reihen mit den PV-Modulen. „Doch die Installations- und Wartungskosten sind relativ hoch“, weiß Prof. Dr. Carstens. Alternativ gibt es frei fahrende Roboter, diese müssen immer noch von Menschen versetzt werden. Wäre es ökonomisch nicht klüger, so seine Überlegung, eine Schar von Drohnen einzusetzen, die eine noch größere Schar von bürstenbewehrten Robotern von PV-Modulreihe zu PV-Modulreihe bringt? Die ersten Kalkulationen bestärkten den Ingenieurwissenschaftler enorm. Genaue Zahlen mag er nicht nennen, aber eines kann er sagen: „Die Reinigung eines Quadratmeters PV-Fläche würde signifikant preiswerter“. Geringere Kosten wiederum könnten die Energiewende beschleunigen.

Die Vision: ein System aus Drohnen und Robotern

Motivation genug für Prof. Dr. Carstens, das Drohnen- und Roboter-System tatsächlich in Angriff zu nehmen. Dass dabei eine Fülle von technischen Herausforderungen zu bewältigen ist, hat ihn nicht abgehalten, sondern eher beflügelt. „Ich bringe einfach gerne Dinge auf die Straße“, lächelt er. Der Absolvent der RWTH Aachen, der an der TU Berlin im Bereich Regelungstechnik und Leistungselektronik promoviert wurde, hat vor seiner Berufung an die HTW Berlin viele Jahre Projekte in der Industrie gemanagt, oft im Ausland. Auch selbstständig war er schon.

Zur Halbzeit sind schon einige Fragen gelöst

Inzwischen ist so etwas wie Halbzeit im Projekt „Solar Swarm Clean“. Einige technische Fragen sind gelöst, bei anderen arbeiten Prof. Dr. Carstens und Studierende als SHK und im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten noch an Antworten. In einem Labor des Studiengangs wird beispielsweise die Bürstenreinigung auf einem Prüfstand getestet. Aus welchem Material muss diese Bürste beschaffen sein, welcher Druck ist sinnvoll und welche Mechanik? Mit der Sorgfalt des Studenten, der sich mit diesen Fragen beschäftigt, ist der Hochschullehrer sehr zufrieden. Die Bürste muss außerdem zum Sand selbst passen. Denn Sand ist nicht gleich Sand, vom Ufer der Spree holen kann man ihn schon gar nicht. Die Korngrößen und -Formen müssen vielmehr mit denen aus jenen Ländern übereinstimmen, in denen später gereinigt wird.

Roboter-Prototyp aus dem Eigenbau

Sodann der Roboter mit Bürstenaufsatz. Gängige Exemplare sind zu schwer für die Drohne. Deshalb hat Prof. Dr. Carstens kurzerhand selbst einen Prototyp gebaut und ihn mit einem Raupenantrieb ausgestattet. Momentan ist er noch zu groß, sagt er. Doch das gehe definitiv noch kleiner. Die Sensorik sei noch nicht optimal und eine eigene Software brauche der Roboter auch, um einen optimalen Kurs fahren zu können, anders als ein automatischer Rasenmäher, der bekanntermaßen im Zickzackkurs mehrmals über ein und dieselbe Fläche saust.

Intelligente Komponenten für die Drohne

Bei dem ersten Prototyp der Drohne genügte ein handelsüblicher Bausatz. Sie wurde im Labor für ihren künftigen Transporteinsatz um diverse intelligente Komponenten erweitert. Dazu gehört ein Kleincomputer, der die Prozesse steuert. An anderen Details wird gerade gearbeitet, beispielsweise die Positionierung der Drohne im Gelände. GPS-Dateien reichen nicht, weil die Fehlertoleranzen des globalen Navigationssatellitensystems bis zu zehn Meter betragen können. „Wir bewegen uns hier aber im Zentimeterbereich“, sagt Prof. Dr. Carstens. Die Drohne muss den Roboter exakt zu fassen kriegen und genauso exakt in der nächsten Reihe absetzen. Die Frage, wie die Drohne jenen Roboter erkennt, den sie aufnehmen soll, hat das Team immerhin für den Einsatz bei Tag geklärt. Noch nicht aber für die Nacht, in der primär gereinigt wird, weil dann möglichst wenig Energie verloren geht. Auch muss die Drohne noch eine Haltevorrichtung bekommen, mit der sie den Bürstenroboter sicher aufnehmen und auch wieder ausklinken kann. Unzählige rechtliche Anforderungen für automatisch fliegende Drohnen, die noch präzise zu recherchieren sind, gibt es natürlich auch.

Der erste Probeflug steht bald an

Doch erst einmal steht der Transport der Blechdose auf dem Plan. Den kann Prof. Dr. Carstens im Zweifelsfall im eigenen Garten über die Bühne bringen. Dann geht es weiter, Schritt für Schritt in Richtung eines Produkts, das über ein Start-Up auf den Markt gehen könnte. Das ist zumindest das Ziel des Programms ProValid, aus dem das Projekt „Solar Swarm Clean“ gefördert wird. „Wenn die Finanzierung im Oktober 2024 ausläuft, werden wir wahrscheinlich noch nicht so weit sein, einen Investor ins Boot holen zu können“, schätzt Prof. Dr. Carstens. Er ist also auf der Suche nach weiterer finanzieller Unterstützung und prüft gerade verschiedene Wege.