Was wollen Kinder über Nachhaltigkeit wissen?
Man könnte den Kindern Taschengeld in Form einer fiktiven CO2-Währung geben und sie entscheiden lassen, was sie sich davon kaufen? Oder man zeigt ein Haus mit großem Loch daneben, das anschaulich macht, wieviel Ressourcen der Bau des Gebäudes verschlungen hat? Brainstorming im Kinder-, Jugend- und Familienzentrum FEZ in der Wuhlheide: Mit dem Thema Nachhaltigkeit haben der Musemspädagoge Prof. Dr. Tobias Nettke sowie die Kommunikationsdesigner Prof. Pablo Dornhege und Jonas Togler keine einfache Materie für ihr Praxisprojekt gewählt. Mit ihren Studierenden unterstützen sie Claudia Lorenz und Stefan Ostermeyer vom Alice Museum im FEZ für Kinder bei der Erarbeitung der neuen Ausstellung. „Green Planet Berlin“ wird sie heißen. An der Kooperation sind auch die Architektengruppe raumlaborberlin sowie das Büro für Sinn und Unsinn aus Halle beteiligt. Im Oktober 2025 sollen sich die Türen für die Kinder öffnen.
Verständnis wecken, aber keine Angst einjagen
Wie macht man das schier übermächtige Thema Nachhaltigkeit greifbar? Wie weckt man das Verständnis von Drittklässler*innen, die das Museum im Rahmen des Unterrichts besuchen, jagt ihnen aber keine Angst ein, sondern ermutigt die Jungen und Mädchen, vielleicht selbst aktiv zu werden? „Indem man die Zielgruppe schon von Anfang an einbezieht“, sagt Jonas Togler, Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Fachbereich 5 sowie Mit-Initiator des Projekts. Seit Januar 2024 führte das Alice Museum für Kinder im FEZ zehn Workshops mit Berliner Schulen durch, bei denen Kinder und Jugendliche mit Künstler*innen und Umwelt-Expert*innen in Kontakt kamen und sich mit Klima, Umwelt- und Naturschutz auseinandersetzten. Es ging um Tiere in der Stadt, um Essen und Ernährung, um Architektur und Nachhaltiges Bauen, aber auch darum, aus altem Material eine neue Solar-Handy-Ladestation zu bauen. Das passierte heute in Neukölln und morgen in Pankow, um Perspektiven aus allen sozialen Milieus einzubeziehen.
Museologie-Studierende dokumentierten die Workshops
Die angehenden Museolog*innen der HTW Berlin waren dabei und dokumentierten mit der Kamera fleißig, um für die geplante Ausstellung festzuhalten, was Kinder über Nachhaltigkeit wissen und welche Fragen sie in diesem Zusammenhang eigentlich stellen. „Diese sorgfältige Vorbereitung sollte nicht nur dafür sorgen, dass die Ausstellung wirklich kindgerecht wird“, sagt Prof. Dr. Nettke, selbst Museumspädagoge. Der lange Vorlauf entspreche vielmehr auch der späteren Berufspraxis in einem Museum, wo Ausstellungen in der Regel über einen längeren Zeitraum und in enger Zusammenarbeit mit Vertreter*innen der jeweiligen Zielgruppe entwickelt werden.
Kommunikationsdesigner*innen gesellen sich hinzu
Zu Beginn des Wintersemesters 2024/25 hat sich Prof. Dornhege, Experte für Transmediale Gestaltung und immersive Technologien im Studiengang Kommunikationsdesign, mit seinen Studierenden hinzugesellt. Sie werden für die Konzeption, Gestaltung und prototypische Umsetzung ausgewählter Exponate sorgen. Gastgeber des ersten gemeinsamen Brainstormings war das Alice Museum für Kinder. Dort stellten Museumsleiterin Claudia Lorenz und Miriam Kassens von raumlabor das Projekt vor und riefen den studentischen Ausstellungsmacher*innen noch einmal in Erinnerung, für wen sie kreativ werden. Hauptzielgruppe seien Drittklässler*innen. Doch man möge gerne auch Kinder ab sechs Jahren im Auge haben und bis zu Zwölf-Jährige, weil das FEZ am Wochenende auch von vielen Familien besucht wird.
Erstes gemeinsames Brainstorming im FEZ
Gemeinsam saß man um Thementische und sammelte erste Ideen. Noch kommunizierten sie in Erwachsenensprache, jonglierten mit Begriffen wie Mobilität und Mikroklima, Konsum und Klimawandel. Doch das dürfte sich bald ändern. Dafür sorgen auch sogenannte „Personas“, die stellvertretend für die Zielgruppe(n) definiert wurden. In deren Perspektive werden sich die Studierenden immer wieder versetzen und selbstkritisch befragen, ob „Emma“ und „Tim“ gerade verstehen, worum es geht. Ganz wichtig ist es nach Überzeugung von Prof. Dr. Nettke auch, in der Ausstellung zu zeigen, dass es viele Ansätze für Nachhaltigkeit gibt und keine einfachen Antworten. „Wir werden nicht mit den Kategorien „Gut“ und „Böse“ arbeiten“, verspricht der Museumspädagoge. Man wolle weder eine Untergangsstimmung verbreiten noch verurteilen, sondern Verständnis wecken und zum Handeln ermutigen.
Zwischenergebnisse zum Ende des Semesters
Seit dem Auftakt-Brainstorming trifft man sich alle zwei Wochen, mit einem durchaus ehrgeizigen Zeitplan. Bereits Ende Januar wollen die Teams bei den EinBlicken des Fachbereichs Gestaltung und Kultur am 31. Januar 2025 Zwischenergebnisse präsentieren. Im Sommer sollen ausgewählte Exponate für die Ausstellung „Green Planet Berlin“ von den Studierenden eigenhändig gebaut werden. Den Kontakt zum „Maker Space“ auf dem Campus Wilhelminhof hat Prof. Dornhege schon geknüpft.
Ausstellung wird im Oktober 2025 öffnen
Im Oktober 2025 will das Alice Museum für Kinder schließlich die ersten Schulklassen in der neuen Präsentation empfangen. Wie üblich wird die Ausstellung ein oder zwei Jahre im FEZ selbst gezeigt. Danach machen die Exponate einer Nachfolgeausstellung Platz und gehen auf Wanderschaft in den Berliner Stadtbezirken. Sie geben also selbst ein gutes Beispiel für Nachhaltigkeit. Das Projekt „Green Planet Berlin“ wird von der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt Berlin gefördert. Sechs der zehn Workshops erhielten finanzielle Unterstützung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms "Museum macht stark".