Wanted: Ideen für das professorale Recruiting

Professor*innen gehören so selbstverständlich zu einer Hochschule wie bunte Fische in ein Aquarium. Doch was, wenn es schwieriger wird, freiwerdende Professuren neu zu besetzen? Wenn sehr viele Hochschulen deutschlandweit um tendenziell immer weniger qualifizierte Bewerber*innen konkurrieren? Dann sind neue Strategien gefragt. Wie könnten die aussehen und wie könnte sich die HTW Berlin im Wettbewerb besser positionieren? Diesen Fragen widmeten sich Studierende im Masterstudiengang "Arbeits- und Personalmanagement" unter Leitung von Prof. Dr. Kai Reinhardt und mit Unterstützung von Vinzenz Zauner, einem Experten für Organisationsentwicklung. Im Interview legen die beiden dar, welche konkreten Empfehlungen herausgearbeitet wurden. Die Erkenntnisse sind ein wichtiger Baustein für das Projekt „Talent Identification & Empowerment“ (TIEs). Unter diesem Dach sollen bis 2028 Maßnahmen konzipiert und realisiert werden, um bei der Rekrutierung von Professor*innen strategisch besser aufgestellt zu sein. TIEs wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Wie haben Sie die gewaltige Aufgabe strukturiert?

Prof. Dr. Kai Reinhardt: Wir haben drei Arbeitspakete für drei Gruppen geschnürt. Eine Gruppe hat eine detaillierte quantitative Analyse des Arbeitsmarktes für Professuren durchgeführt. Diese Art der Strukturanalyse des Arbeitsmarkts ist Bestandteil professionellen Personalmanagements, wobei unsere Studierenden methodisch bestens darauf vorbereitet und außerordentlich engagiert waren. Dabei nahmen sie auch Sprachbarrieren mit Bravour. Dank moderner digitaler Übersetzungstools konnten die Studierenden problemlos statistische Daten aus anderen Ländern recherchieren.

Vinzenz Zauner: Weil es genügend motivierte Studierende gab, konnten wir in Absprache mit dem Projektleiter Andreas Wüthrich weitere Arbeitspakete hinzunehmen. Eine zweite Gruppe befragte Professor*innen, die in den letzten zehn Jahren an die HTW Berlin berufen wurden, nach ihren persönlichen Erfahrungen. Eine dritte Gruppe analysierte, wie es um die Attraktivität der HTW Berlin als Arbeitgeberin beschaffen ist.

Was hat die Strukturanalyse des Arbeitsmarkts ergeben?

Prof. Dr. Reinhardt: Wir haben ein vielversprechendes Rekrutierungspotenzial, basierend auf fundierten Datenanalysen, in der sogenannten D-A-CH Region ausgemacht, insbesondere in der Schweiz und in Österreich. Dort steigt die Anzahl der Professorinnen und Promotionsabsolvent*innen gerade in den Naturwissenschaften, und nicht alle finden eine Anstellung an den Universitäten im eigenen Land. Trotz gewisser Markteintrittsbarrieren für ausländische Professor*innen bieten Äquivalenzabkommen mit DACH-Ländern und einigen Ostseeanrainern gute Möglichkeiten zur Gewinnung internationaler Talente. Auch Polen ist ein unterschätzter, aber sehr interessanter Bildungsmarkt. Vor diesem Hintergrund haben wir der Hochschule eine internationale Rekrutierungsstrategie empfohlen. 

Unbedingt im Fokus bleiben sollten Frauen, denn sie sind unter den Professor*innen mit einem Anteil von 27 bis 31 Prozent weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Hier halten wir Nachwuchsförderung und Frauenförderung sowie eine gezielte Ansprache dieser Gruppen für essenziell. Weil es auch in Deutschland arbeitslose bzw. arbeitssuchende promovierte Akademiker*innen gibt, die meisten in den MINT-Fächern sowie in den Fächern BWL und VWL, was gut zu den Schwerpunktfächern der HTW Berlin passt, sollte künftig verstärkt proaktiv rekrutiert werden, um die Chancen besser zu nutzen. 

Wie stellte sich die Befragung der Professor*innen dar?

Vinzenz Zauner: Wir haben rund 150 Professor*innen befragt, die in den letzten Jahren an die HTW Berlin berufen wurden. Von ihnen, so unsere Überlegung, kann man einiges erfahren und lernen. Wir wollten beispielsweise wissen, wie sie auf die Hochschule aufmerksam wurden, was im Bewerbungsprozess gut lief und was weniger gut, warum sie sich für die HTW Berlin entschieden haben, ob sie sich wohl fühlen etc. Aus den Antworten ergaben sich für unsere – natürlich anonymisierte - Auswertung interessante Aspekte. Die Rücklaufquote war mit ca. 50 Prozent phantastisch. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bedanken. Außerdem haben wir einige qualitative Einzelinterviews geführt. Insgesamt wurden die Ergebnisse in sogenannte „Personas“ gegossen, denen sich alle zuordnen konnten.

Prof. Dr. Reinhardt: Wir konnten durch eine detaillierte qualitative Datenanalyse drei charakteristische Personas unter den Professor:innen identifizieren, jede mit spezifischen Motivationen und Präferenzen für die Hochschule als Arbeitgeberin. Es gibt "die Engagierte“, "den Pragmatiker" sowie "den Familienorientierten“ (siehe den Kasten auf dieser Seite). Die Definition von Personas ist eine bewährte Methode im Personalmanagement. Sie hilft, die Bedürfnisse der Beschäftigten präzise zu erfassen und besser zu strukturieren. In unserem Fall reichte das Spektrum vom Wunsch nach Forschungsmöglichkeiten über Karrierechancen und die Work-Life-Balance bis hin zu einem besseren Arbeitsklima. In den Personas steckt viel Potenzial, daraus lässt sich für die Entwicklung von zielgruppenspezifischen Angeboten und die Ausrichtung der Arbeitgeberkommunikation schöpfen.

Wie erkundeten Sie die Attraktivität der HTW Berlin als Arbeitgeberin?

Prof. Dr. Reinhardt: Die Studierenden haben sich quasi eine „externe“ Brille aufgesetzt und systematisch die Außendarstellung von etwa 60 Hochschulen verglichen, sowohl die von Universitäten als auch die von Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Sie besuchten die Webseiten und checkten die Kommunikation auf den Social-Media-Kanälen. Daraus entwickelten sie Bewertungskriterien für das Benchmarking. Geschaut wurde beispielsweise, wie gut die Hochschulen über ihr Profil informieren, über die Zulassungsordnung oder die jeweilige Gesetzeslage. Wie leicht ist es, an Informationen über die Ausstattung einer Professur zu gelangen oder das genaue Bewerbungsprocedere etc. Wohlgemerkt: Es ging nicht um die Qualität der Ausstattung, sondern darum, wie mühelos man etwas darüber in Erfahrung bringen kann. Das war entscheidend. 

Vinzenz Zauner: Bei diesem Benchmarking erzielt die HTW Berlin mit 52,5 Punkten ein Ergebnis leicht über dem Durchschnitt der untersuchten Hochschulen, die im Mittel 50,3 Punkte erhielten. Damit liegt sie jedoch unter dem Durchschnitt der Top 10 mit 59,7 Punkten.

Prof. Dr. Reinhardt: Zu den Stärken der HTW Berlin zählen herausragende Forschungsprojekte, solide langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten, eine ausgezeichnete Work-Life-Balance und die hohe Lebensqualität in der Hauptstadtregion. Schwachpunkte zeigten sich vor allem bei der Beschreibung von Förderprogrammen und Weiterbildungen sowie in den Stellenausschreibungen und der Transparenz finanzieller Unterstützungsangebote für Forschende.

Was passiert nun mit Ihren Erkenntnissen?

Vinzenz Zauner: Zuallererst sind sie natürlich für das Team im Projekt TIEs interessant. Dort wird man lesen, sortieren und entscheiden, in welche Richtung welche Elemente man wie verwerten möchte.

Prof. Dr. Reinhardt: Wir haben quasi ein Puzzleteil zum Gesamtthema Recruiting und Arbeitgebermarketing an der HTW Berlin beigesteuert. Herausgekommen ist, dass die Hochschule gut ist und im Vergleich mit anderen Hochschulen ein attraktives Gesamtpaket bietet und dies noch besser kommunizieren könnte. Unsere Analysen werden hoffentlich helfen, gezielter und gleichzeitig diverser zu rekrutieren. Die Hochschule könnte diesbezüglich Maßstäbe setzen.
Formal ist die Arbeit damit abgeschlossen. Doch die Studierenden fanden das Thema so spannend, dass wir mit dem Projektleiter vereinbart haben, noch beim Thema Online-Self-Assessment unterstützen, das dem Bewerbungsprozess zugutekommt.