Vom studentischen Gründer zum Professor für BWL

Dass er für sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der TU Berlin zehn Jahre gebraucht hat, erzählt Prof. Dr. Fares Getzin selbstbewusst und mit einem Augenzwinkern. Denn es lag nicht an fehlendem Interesse für die Disziplin, sondern daran, dass er sich schon als Student mit der Organisation von Veranstaltungen selbstständig gemacht hatte. Freiheit und Eigenverantwortung im Beruf wiegen für ihn bis heute schwer. Dass er diese Werte als Professor nicht aufgeben musste, sondern in Lehre und Forschung verwirklichen kann, waren gewichtige Argumente für eine Professur. „Dass man als Beamter obendrein eine sichere Perspektive hat“, fand ich ebenfalls gut“, sagt er. Im Interview lässt Prof. Dr. Getzin seinen Werdegang Revue passieren und beschreibt, warum ihm die Lehre Spaß macht.             

Wann wurde eine Professur für Sie zur Option?

Prof. Dr. Fares Getzin: Noch während des Hochschulstudiums habe ich erst einmal ein eigenes Unternehmen gegründet; Selbstständigkeit ist in meiner Familie etwas ganz Normales. Doch mein Startup wurde leider Opfer der Finanzkrise. So kehrte ich als Tutor an die Universität zurück und kam diesem Kosmos näher als vorher im Studium. Heute würde ich sagen, dass damals der Samen zu keimen begann. Die Kombination aus wissenschaftlicher Freiheit und beruflicher Sicherheit, die eine Professur bietet, fand ich gerade nach meiner Erfahrung interessant, dass in der Wirtschaft von heute auf morgen alles weg sein kann. Irgendwann begann ich, den Plan ziemlich geradlinig zu verfolgen, und habe mich genauer über die Voraussetzungen für eine Professur informiert.

Wie sahen die weiteren Stationen Ihres Weges aus?

Ich sammelte die nötige Berufserfahrung: mehrere Jahre war ich als Wirtschaftsprüfungsassistent in einer großen Unternehmensberatung tätig, später im Controlling bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Die Promotion verdanke ich der Freistellung der Unternehmensberatung, den passenden Doktorvater hatte ich an der TU Berlin schon gefunden. Parallel war ich – und das spielte auch eine Rolle - als Lehrbeauftragter tätig, nicht nur an der TU Berlin, sondern auch an der Hochschule Magdeburg. Vorher schon in die Lehre reinzuschnuppern, würde ich übrigens auch allen empfehlen, die eine Professur an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) ins Auge fassen. Das ist hilfreich. 

Warum entschieden Sie sich für die HTW Berlin?

Tatsächlich absolvierte ich gleich mehrere Berufungsgespräche, aber die jeweiligen Hochschulen überzeugten mich nicht. Zuletzt entstand die kuriose Konstellation, dass ich drei Rufe gleichzeitig erhielt, also die Qual der Wahl hatte. Für die HTW Berlin habe ich mich wegen ihres guten Abschneidens in Rankings entschieden, vor allem bei jenem in der WirtschaftsWoche, für das jährlich Personalchefs der größten deutschen Unternehmen befragt werden. Gute Absolvent*innen, so meine Überlegung, sind gleichbedeutend mit engagierten Studierenden. Außerdem helfen gute Rankings dabei, Kooperationen mit Unternehmen aufzubauen. Zu guter Letzt passte das Profil der Lehre im Studiengang Betriebswirtschaftslehre sehr gut zu mir und meinen Schwerpunkten Controlling und internes Rechnungswesen.

Womit wir bei der Lehre wären: welche Rolle spielt sie?

Die Lehrverpflichtung im Umfang von 18 Semesterwochenstunden ist hoch, keine Frage. Lehre muss einem Spaß machen, sonst wird man als Professor an einer HAW nicht glücklich. Doch Lehre bedeutet nicht Alleinunterhaltung und Frontalunterricht, wie ich das selbst noch in Hörsälen erlebt habe, wo langatmige Vorträge zu Folien auf Overhead-Projektoren gehalten wurden und Null Interaktion mit Studierenden stattfand.

Lehre lässt sich völlig anders gestalten. Wissenschaftsfreiheit bedeutet eben nicht nur Freiheit in der Forschung, sondern auch in der Lehre. Ich wähle interessante und aktuelle Themen, beispielsweise den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Controlling, und entwickle die passenden Anwendungsbeispiele. Dabei gebe ich nur den Weg vor, finden müssen ihn die Studierenden alleine. Ich verstehe mich als Lehrbegleiter, der hilft, berät und zur Seite steht. „Machen Sie die Fehler lieber jetzt als in der Klausur“, pflege ich zu sagen. Das alles kommt gut an, wenn ich auf die Resultate der Evaluation schaue. Dieses positive Feedback geht natürlich runter wie Öl!

Wieviel zeitlichen Spielraum gibt eine Professur?

Ganz ehrlich: sehr viel Spielraum. Ich kann meine Lehre auf zwei bis drei Tage in der Woche verteilen, was mir persönlich sehr behagt. Die Tage dazwischen nutze ich, um interessante Konferenzen zu besuchen und zu forschen, Kooperationen mit Unternehmenspartnern aufzubauen und über neue Methoden für meine Lehrveranstaltungen nachzudenken. Ich mache mich beispielsweise mit einer neuen Software vertraut oder überlege, wie ich das Lego Serious Play-Set, das ich gerade gekauft habe, in die Lehrveranstaltung zum Thema Risikomanagement gemeinsam mit meinem Kollegen integriere.

Ein weiterer Pluspunkt: Ich kann eine Nebentätigkeit ausüben und so einen Fuß in der Praxis behalten. Die kleine GmbH, deren Geschäftsführender Gesellschafter ich bin, wirft zwar keine nennenswerten Umsätze ab, ist aber ein wunderbarer Experimentierraum. Es geht um eine moderne Whistleblowing Software und eLearnings zum Thema Compliance.

Lange Rede kurzer Sinn: Meine Entscheidung, den Ruf an die HTW Berlin anzunehmen, habe ich keine Sekunde bereut.