In der Inspektion: die Wallbox für das E-Auto

65.000 E-Autos sind derzeit in Berlin zugelassen. „Viele werden mit einer sogenannten Wallbox in der privaten Garage aufgeladen“, weiß Joseph Bergner, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Solarspeichersysteme an der HTW Berlin. Immer häufiger wird dafür umweltfreundlicher Solarstrom von der Photovoltaikanlage auf dem eigenen Hausdach genutzt. Doch wie effizient ist das Energiemanagement der auf dem Markt verfügbaren Geräte? Das untersuchen Joseph Bergner und sein Kollege Nico Orth im Forschungsprojekt „Wallbox-Inspektion“. Mit im Boot der Wissenschaftler: der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC), das Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE sowie viele namhafte Hersteller selbst. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.

Vorbild Stromspeicher-Inspektion

Die beiden jungen Wissenschaftler führen bei der „Wallbox-Inspektion“ ähnliches im Schilde wie schon bei der Stromspeicher-Inspektion. Dabei vergleicht und bewertet die Forschungsgruppe seit 2018 jährlich die Energieeffizienz von Photovoltaik-Batteriesystemen. „Mit diesen Tests ist es uns gelungen, das vorher wenig beachtete Thema „Effizienz“ auf die Agenda zu setzen“, blickt Nico Orth zurück. Das kam bei Verbraucher*innen gut an, aber auch in der Branche selbst hat man dem Thema höhere Priorität eingeräumt. Die Hersteller griffen die technischen Hinweise auf und entwickelten ihre Geräte weiter. Etwa 30 Unternehmen mit diversen Speicherlösungen haben sich seitdem auf freiwilliger Basis der wissenschaftlichen Prüfung unterzogen. Die Stromspeicher-Inspektion sorgte und sorgt bis heute für mehr Markttransparenz. Und sie nutzt der Energiewende, weil sie dazu beiträgt, dass die Verluste in den Solarstromspeichern stetig schrumpfen.

Das Ziel: größere Transparenz

Auch bei der Wallbox-Inspektion geht es um größere Transparenz. Denn Wallboxen für das Elektroauto gibt es immer mehr und den Überblick zu behalten ist nicht mehr so einfach. Ob ähnlich große Effizienzpotenziale zu heben sind wie bei den Stromspeichern, ist noch ungewiss. „Wir haben erste Anhaltspunkte dafür, dass die Spielräume nicht ganz so groß sind“, sagt Joseph Bergner. Aber da lasse man sich überraschen und werde es im Projekt genau herausfinden.

Berliner Privathaushalte halfen dem Team

Die besagten Anhaltspunkte stammen aus dem Feldversuch mit Berliner Privathaushalten, der Teil des Projekts ist. Die Akquise war aufwändig aber sie hat sich gelohnt. Neben einer obligatorischen Wallbox mit Solarstromanlage, sollte nach Möglichkeit auch eine Wärmepumpe im Haushalt genutzt werden - Systeme, wie sie im Zuge der Energiewende als neuer Standard gelten könnten. Zehn Haushalte mit ganz unterschiedlichen Systemen erklärten sich bereit, die Wissenschaftler zu unterstützen. Bei ihnen wurde Messtechnik installiert, mit deren Hilfe sekundengenau alle für das Energiemanagement der Wallbox relevanten Daten erfasst werden. „Diese Daten sind sehr wertvoll“, sagt Joseph Bergner. Im Hochschullabor könne man sie nicht in der Qualität bzw. nur mit hohem Aufwand erheben. Umgekehrt ist es für die Haushalte sehr aufschlussreich, präzise Informationen über die Interaktion zwischen Elektroauto, Wallbox und Solaranlage zu bekommen. In einem Fall zeigte sich, dass eine Wärmepumpe auffällig häufig startete, so dass ein Techniker zur Überprüfung informiert werden konnte.

Test mit einem digitalen Zwilling des Fraunhofer ISE

So viel zu den Vorbereitungen. Für die eigentliche Wallbox-Inspektion hat das Fraunhofer ISE den digitalen Zwilling eines E-Fahrzeuges erstellt. In dem sogenannten Digital Grid Lab können die verschiedenen Wallboxen nun unter identischen und realitätsnahen Betriebsbedingungen getestet werden. Joseph Bergner und Nico Orth werden die Unterschiede zwischen den Geräten dann analysieren und deren Energiemanagement bewerten. Wie smart ist die Ladesteuerung, also wie schnell und wie genau lässt sich der Ladevorgang der Sonneneinstrahlung anpassen, damit möglichst viel Energie aus der eigenen Solarstromanlage ins Fahrzeug geladen wird und wenig teurer Strom aus dem Netz? Und wie effizient erfolgt die Versorgung mit Solarstrom?

Hersteller sind im Industriebeirat vertreten

Das sind einige der Fragen, auf die sie Antworten suchen. Anhand der Labormessergebnisse wollen die beiden Wissenschaftler den Herstellern konkrete Optimierungspotenziale im Hinblick auf die Qualität und Energieeffizienz ihrer Produkte aufzeigen. Die Unternehmen selbst werden wie schon bei der Stromspeicher-Inspektion direkt in das Projekt eingebunden. In dem dafür ins Leben gerufenen Industriebeirat, der sich bereits getroffen hat, sind namhafte Hersteller von Wallboxen und Solartechnik vertreten. Sie steuern nicht nur ihre Geräte bei, sondern beteiligen sich auch mit einem Eigenanteil. Die Co-Finanzierung ergänzt die Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. „Ich bin froh über den Beirat“, sagt Nico Orth. „Denn wir wollen nicht nur im Elfenbeinturm forschen“.

ADAC als zweiter Praxispartner

Ein nicht minder willkommener Praxispartner ist der ADAC. „Er hat sogar den Anstoß zum Projekt gegeben“, erzählt Joseph Bergner. Der Automobil-Club war bei den eigenen Wallbox-Tests, die er seit 2018 im bayerischen Landsberg am Lech durchführt, an technische Grenzen gestoßen. „Meine beiden Ansprechpartner beim ADAC möchte ich mit ihrem Know-how nicht missen“, sagt Bergner.

Ehrgeizige Pläne für die zweite Projektphase

Das Projekt läuft noch bis 2026. In der zweiten Phase wollen die Wissenschaftler der Frage nachgehen, was passiert, wenn das Fahrzeug nicht nur durch die Solaranlage geladen, sondern auch bi-direktional in das Stromnetz oder den Haushalt entladen werden kann. Dann würde die Wallbox den umweltfreundlichen Solarstrom nach dem Laden der Fahrzeugbatterie auch in den Haushalt bringen. Die Wallbox könnte unter Umständen den jetzt noch notwendigen Batteriespeicher ersetzen, um Solarenergie zu speichern. „Das bidirektionale Laden von Elektrofahrzeugen wird häufig als ein Game-Changer in der Energiewende bezeichnet“, sagt Nico Orth. Neudeutsch spreche man vom Vehicle-to-Home (V2H) bzw. Vehicle-to-Grid (V2G). Auch hier müsse getestet werden, wie hoch die Umwandlungsverluste ausfallen. Noch gibt es nicht viel zu untersuchen, derzeit bietet nur sehr wenige Hersteller eine solche Wallbox an. Doch der Markt ist sehr dynamisch. „Mit einem guten Energiemanagement der Wallbox könne ein Haushalt mehrere Hundert Euro der Stromkosten einsparen“, kalkuliert Joseph Bergner. Das sind gute Aussichten für alle, die eine PV-Anlage auf dem Dach haben und ein E-Auto fahren. Von Letzteren sollen nach einer Prognose des Landes Berlin übrigens bis zum Ende des Jahrzehnts 400.000 auf den Straßen der Hauptstadt rollen.

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