Die Bewerbung war als Testballon gedacht

Als sich der Wirtschaftspsychologe Dr. Payam Akbar auf die Professur im Studiengang Wirtschaftskommunikation der HTW Berlin bewarb, wollte er eigentlich einen Testballon steigen lassen, sprich: Bewerbungserfahrung für den Job Professor an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften sammeln. Doch dann landete er auf Platz 1 der Berufungsliste, der Ruf wurde erteilt – und Dr. Akbar nahm ihn an. Seit April 2023 lehrt und forscht er mit dem Schwerpunkt Marketing Intelligence. Im Interview lässt Prof. Dr. Akbar das Berufungsverfahren Revue passieren und erzählt, wie er es erlebte.

Warum wollten Sie eigentlich Professor an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften werden?

Prof. Dr. Payam Akbar: Ich kenne beide Welten. Die Fachhochschule, wie sie damals noch hieß, aus dem Studium der Wirtschaftspsychologie in Köln; die Universität durch meine Promotion und Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Postdoc in Kiel. Der eine Hochschultyp ist nicht besser oder schlechter als der andere. Es ist einfach eine Frage der persönlichen Präferenz. Ich selbst bevorzuge die HAW, weil ich hier dem, was mir inhaltlich Freude bereitet, mit großem Engagement nachgehen kann.

Soeben habe ich etwa gemeinsam mit einem Kollegen die dritte Auflage meines Lehrbuchs „Konsumentenverhalten“ veröffentlicht. Aus einer rein forschungsorientierten Perspektive macht die Publikation von Fachartikeln mehr Sinn. Schließlich zählen Monographien in der wissenschaftlichen Welt zunehmend weniger. Gleichzeitig ist das Lehrbuch-Format aus meiner Sicht wichtig, um Studierende und Praktiker den aktuellen Wissensstand im Fach leicht verdaulich näher zu bringen. Hinzukommt: Die Arbeit hat viel Spaß bereitet. Zusätzlich mache ich auch gerne Workshops für Unternehmen, halte Vorträge oder absolviere Beratungsprojekte.  Dieser Mix passt perfekt zu einer HAW-Professur – und die HAW-Professur deshalb zu mir. 

Wie war das mit der Bewerbung an der HTW Berlin?

Die Professur an der HTW Berlin war eine der ersten, um die ich mich beworben habe. Berlin stand als Stadt nicht auf meiner Favoritenlisten, denn ich lebe mit meiner Familie in Kiel. Von daher war die Bewerbung in erster Linie als Testballon gedacht, um Erfahrungen mit dem Bewerbungsverfahren zu sammeln. Als die Einladung zur Lehrprobe kam, habe ich mich trotzdem gründlich vorbereitet. Was sich nicht einfach gestaltete, denn damals war ich beruflich stark eingebunden. Zeit blieb da nur an den Abenden in Hotels und an den Wochenenden.

Was genau wurde von Ihnen bei der Lehrprobe erwartet?

Die Berufungskommission bat um einen 30-minütigen Vortrag über „Innovative Verfahren der Zielgruppenanalyse“. Das sind statistische Verfahren - ein ziemlich undankbares Thema also, weil nicht so leicht fluffig aufzubereiten, ohne dabei ins Triviale abzurutschen. Eine Gratwanderung, denn ich wollte bei der Lehrprobe ja allen inhaltlich etwas anbieten, sowohl den Studierenden als auch den Mitgliedern der Berufungskommission. In weiteren 30 Minuten sollte ich Einblick in meine Forschung geben, außerdem ein schriftliches Lehrkonzept zu dem neu eingerichteten Schwerpunkt Marketing Intelligence vorlegen, für den ich mich beworben hatte. Ich möge bitte darstellen, wie ich diesen Schwerpunkt füllen und ausgestalten würde. 

Wie verlief die Lehrprobe?

Den Vortrag hielt ich in einem Hörsaal auf dem Campus, vor etwa 30 bis 40 Studierenden und der Berufungskommission. Mit ihr und weiteren Vertreter*innen der Hochschule, darunter die Gleichstellungsbeauftragte und ein Mitglied der Studierendenvertretung, fand im Anschluss noch ein Gespräch statt. Man wollte meine Einstellung zur Lehre kennenlernen, außerdem wissen, wie ich digitale Medien integriere, wie ich mit schwierigen Studierenden umgehe, und nicht zuletzt, welche Akzente ich in der Forschung setzen wolle.

Was passierte danach?

Danach hörte ich ein halbes Jahr nichts mehr, bis plötzlich die Nachricht kam, dass ich auf Platz 1 der Liste stehe. Die Berliner Wissenschaftssenatorin erteilte den Ruf, ich bekundete mein Interesse und wurde daraufhin zum Berufungsgespräch beim damaligen Präsidenten der HTW Berlin eingeladen. Dass in dieser Unterredung mögliche Zulagen zum Gehalt verhandelt werden, die Ausstattung für die Forschung und solche Dinge, wusste ich offen gestanden nur, weil ich mich inzwischen beim Berufsverband informiert hatte. Ansonsten hätte ich vermutlich ein zweites Bewerbungsgespräch erwartet. In der Privatwirtschaft ist es ja nicht unüblich, zwei oder drei Runden bei einer Auswahl zu drehen.

Das Gespräch verlief angenehm. Danach musste plötzlich alles ganz schnell gehen. Ich nahm den Ruf schriftlich an, legte den Eid ab und wurde ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen. Das ist übrigens ein Pluspunkt im Land Berlin, in anderen Bundesländern wird teilweise zunächst nur auf Probe verbeamtet.

Wenn Sie heute zurückblicken, wie bewerten Sie das Berufungsverfahren?

Es dauerte etwa ein Jahr. Und über ein wenig mehr Transparenz hätte ich mich seinerzeit sehr gefreut. Inzwischen weiß ich, dass Hochschulen stark von Regularien getrieben sind, und kann das besser verstehen. In den Monaten, in denen für mich als Außenstehenden nichts passierte, wurden diverse Gremien involviert und es liefen Abstimmungsprozesse, auch mit der Berliner Wissenschaftsverwaltung.

Letzte Frage: Wie gestaltete sich der Einstieg?

An der HTW Berlin übernehme ich seit dem ersten Tag die Verantwortung für den Schwerpunkt Marketing Intelligence. Dabei habe ich die Freiheit, den inhaltlichen Fokus selbst zu gestalten. was mir ermöglicht, eigenständig und kreativ zu arbeiten. Diese Unabhängigkeit passt gut zu meinem Hintergrund, da ich direkt aus der Praxis komme. Allerdings ist mir bewusst, dass sich das, was ich heute als Marketing Intelligence unterrichte, in zehn Jahren vielleicht überholt haben könnte. Deshalb ist es mir wichtig, Formate zu entwickeln, die es mir ermöglichen, stets am Puls der Zeit zu bleiben. Das setze ich um, indem ich Projekte mit Agenturen vor Ort realisiere, Workshops organisiere und Beratungs- sowie Praxisprojekte durchführe – nicht, um noch mehr Geld zu verdienen, sondern um den Praxisbezug weiterhin sicherzustellen.