Superkräfte für das lebenslange Lernen
Ich entscheide mich für „Conservation Finance“ („Finanzierung des Naturschutzes“). Daraufhin bekomme ich kurz angezeigt, worum es in diesem Kurs geht, welche Lernziele verfolgt, wie viele Unterthemen behandelt werden und wie viel Zeit die Beschäftigung in Anspruch nimmt. Ein Klick auf den Menüpunkt „Inhalt“, und es kann losgehen. Ich bin mittendrin in „Qwoll“, einer App, die ich eine Minute vorher kostenlos im App Store meines Smartphone heruntergeladen habe. „Mit Qwoll wollen wir Menschen helfen, lebenslang zu lernen und mühelos passende Inhalte zu ihren Interessen zu bekommen“, sagt Kyle Blackwell, einer der beiden Gründer des Startup. Blackwell und sein Co-Founder Kadir Celep werden im Rahmen des Berliner Startup Stipendiums gefördert.
"Die besten Informationen aus den besten Quellen"
„Die besten Informationen aus den besten Quellen“, versprechen die beiden Gründer auf ihrer Webseite. Ihr Angebot an kuratierten Inhalten ist durchaus auch als Kampfansage an die tägliche Überflutung mit Nachrichtenmedien zu verstehen. „Das Internet, professionelle und soziale Medien sind Teil des Problems und nicht seine Lösung“, findet Kyle Blackwell, der bis vor kurzem noch im Verlagshaus Axel Springer gearbeitet hat. Es gehe viel zu oft darum, ständig neue Inhalte herauszupumpen, Werbung zu schalten und die Menschen politisch in Lager zu treiben, statt über die Nachrichten hinaus das Verständnis für globale Themen zu verbessern und bereits vorhandenes Wissen zu mehren.
Im Fokus: Menschen zwischen 27 und 45 Jahren
Genau das aber ist die erklärte Mission des gebürtigen US-Amerikaners und des gebürtigen Türken, die schon einige Jahre in Berlin leben, seit Juni 2022 zusammenarbeiten und sich in den Bereichen Geschäfts- und Technologieentwicklung offenbar gegenseitig gut ergänzen. Dabei haben sie sogenannte „casual learner“ im Blick: Menschen, die Ausbildung und/oder Studium hinter sich haben, aber immer noch neugierig sind und ihr Wissen erweitern wollen, dafür aber nur ein bestimmtes Zeitbudget erübrigen können, etwa weil sie beruflich eingespannt sind, familiäre Verpflichtungen haben, Sport treiben, entspannen wollen und soziale Kontakte pflegen. „Wir fokussieren auf Leute zwischen 27 und 45 Jahren, die am Anfang ihres Berufslebens stehen oder mittendrin stehen“, sagt Kyle Blackwell. Das ist die konkrete Zielgruppe. Doch eigentlich sei Qwoll eine generationsübergreifende Plattform. „Wer kann es sich im 21. Jahrhundert schon leisten, irgendwann mit dem Lernen aufzuhören?“, stellt er die rhetorisch gemeinte Frage.
Digitale Inhalte statt dicke Bücher im Regal
Lebenslanges Lernen sei heutzutage zwar ein relevantes Thema, müsse aber gleichzeitig möglichst niedrigschwellig und effizient sein. Andernfalls bleibt es für viele Menschen bei guten Vorsätzen, davon sind die beiden Gründer fest überzeugt. Für erfolgversprechend halten sie maßgeschneiderte digitale Inhalte, die sich perfekt in die individuelle Tagesplanung integrieren lassen, statt dicker Bücher, die im Regal verstauben, oder teurer Weiterbildungskurse, die sich viele nicht leisten können. „Qwoll stellt ein Tor zu außergewöhnlichen multimedialen Inhalten dar. Wir glauben, dass viele der besten Inhalte bereits vorhanden sind“, sagt Blackwell. Die Kurse enthalten sowohl Links zu Zeitschriftenbeiträgen als auch zu Videos und Podcasts. Die wichtigsten Voraussetzungen sind, dass die Inhalte auf ihre Richtigkeit hin überprüft wurden und dass sie nicht kostenpflichtig sind, damit die Nutzer*innen Zugang zu ihnen haben.
Viele Menschen teilen ihr Wissen gerne
In der gegenwärtigen Testphase ist die Anzahl der Kurse auf Qwoll noch überschaubar, die Themen sind handverlesen. Das Spektrum reicht von dem schon erwähnten Kurs „Conservation Finance“ über „Mindfulness, Is it for everyone?“ (Taugt das Achtsamkeitskonzept für jedermann?) bis zur „History of Haiti 1492- 1940“ (Geschichte von Haiti 1492- 1940). Die (ausnahmslos englischsprachigen) Inhalte haben engagierte Kurator*innen zusammengetragen. „Ich fand und finde erstaunlich viele Menschen, die kompetent sind und ihr Wissen bereitwillig teilen wollen“, sagt Kyle Blackwell. Manche wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben, weil sie selbst eine exzellente Ausbildung genossen haben. Andere möchten Aufmerksamkeit bekommen und sich mit einem Thema profilieren, manche auch Geld damit verdienen. Sein stetig wachsendes Netzwerk baut er auch mit Hilfe eines regelmäßigen Newsletters auf, den Interessierte auf der Webseite abonnieren können.
Beim Businessplan ist Agilität gefordert
Womit wir beim Thema Finanzen und damit beim Business Plan wären, den auch ein Startup aus dem Bildungsbereich benötigt, das sich ein so ehrenwertes Ziel wie lebenslanges Lernen auf die Fahnen geschrieben hat. Blackwells Erfahrung im Bereich der Nachrichtenmedien und sein Glaube an die Eigenverantwortung des Einzelnen für die eigene Entwicklung führen zu seinem Fokus auf das Modell „Verbraucherabonnements“. Allerdings räumt er ein, dass man in diesem Bereich und in dieser Phase „agil sein muss“. Das Unternehmen prüft Möglichkeiten zur Ergänzung der direkten Einnahmequellen für den Verbraucher, z. B. Partnerschaften mit Gemeindeorganisationen und Hochschulen.
Künstliche Intelligenz wird noch integriert
Ebenfalls noch in der Entwicklung ist die Integration von Künstlicher Intelligenz. Denn mit Blick auf die gewünschte Effizienz beim Lernen soll Qwoll immer besser verstehen, wer wie am liebsten lernt und die Inhalte diesen Interessen und Nutzungsgewohnheiten anpassen. So soll Qwoll zu einer Art individuellen „Pocket Library“ (Taschenbibliothek) für jeden und jede werden. Alles soll ungefähr so funktionieren, wie damals in Pennsylvania, wo der zehnjährige Kyle in der Grundschulbibliothek nach Lektüre über Schildkröten fragte. Eine gewisse Frau Cook drückte ihm ein Buch in die Hand, recherchierte ein paar Möglichkeiten, führte ihn zum Ausgang und versprach dann, ihm ein weiteres Buch zu leihen, wenn ihm das erste gefallen würde. Eine herrliche Geschichte!
Qwoll will auch neugierig auf Neues machen
Qwoll steht einerseits für passgenau auf die Lernenden zugeschnittenen Inhalt, ist andererseits aber auch eine Plattform für Entdeckungen), wie sie Blackwell nennt. „Boundlessly curious“ („Grenzenlos neugierig“) hat das Duo nicht von ungefähr als Motto auf der Webseite ausgegeben. Wer den Kurs „Finanzierung des Naturschutzes“ gut fand, hält womöglich Ausschau nach anderen Themen. Und bleibt bei Qwoll, weil Inhalte nur dort und nirgendwo sonst so bequem verfügbar sind. Dann könnte die Plattform irgendwann das werden, was ihr den Namen gegeben hat: eine beständig fließende Quelle für neues Wissen. Denn von der deutschen Bezeichnung „Quelle“ haben sich Kyle Blackwell und Kadir Celep bei der Namensfindung inspirieren lassen.
Weiterführende Links
- Die Webseite von Qwoll
- Das Berliner Startup-Stipendium