„Das Thema Plagiat hat mich gefunden“
Prof. Dr. Debora Weber-Wulff redet gerne Klartext, auch auf ihrer Webseite: „Ich werde 2023 in den Ruhestand gehen, aber das bedeutet nicht, dass ich mit der Plagiatsforschung aufhören werde!“ Denn die Materie ist für die Informatikerin mehr als ein Forschungsgebiet. Beim Thema Plagiat gehe es um die akademische Integrität, sagt sie mit Nachdruck. „Diese Integrität müssen wir als Wissenschaftler*innen selbst leben, den Studierenden vermitteln und uns immer wieder neu darauf verständigen“.
Es begann 2001 mit studentischen Referaten....
Seit mehr als 20 Jahren ist das die Mission der gebürtigen Amerikanerin, die 1976 von der University of California, San Diego an die Universität Kiel wechselte, wo sie sich für Informatik einschrieb. Auf den Leib geschneidert war sie ihr freilich nicht. Nach dem Studium programmierte die Diplom-Informatikerin Bibliothekssoftware für ein Unternehmen, widmete sich an der Freien Universität der Fachdidaktik für die Lehrerbildung, wurde noch vor Abschluss ihrer Promotion an die Berliner Hochschule für Technik berufen, ehe sie 2001 eine Professur an der HTW Berlin übernahm. Als sie hier im ersten Semester studentische Referate durchging und durch Zufall feststellte, dass in 12 von 36 Fällen Textbausteine oder Gedankengänge Dritter wortgleich übernommen bzw. ohne Quellenangabe verwendet worden waren, war es um die Contenance der Hochschullehrerin geschehen. „In diesem Moment hat mich das Thema Plagiat gefunden“, blickt sie zurück.
Von der E-Learning-Einheit bis zum Blog
Sie verfasste Anleitungen, wie man mit Hilfe des Internets Plagiate aufstöbert. Sie schrieb eine vierteilige Serie für SPIEGEL online, stellte Frequently Asked Questions zusammen, begann mit einem Blog über gute wissenschaftliche Praxis, konzipierte die E-Learning-Einheit "Fremde Federn finden", hielt Vorträge und veröffentlichte Publikationen. Und weil sie nach Software für die Plagiatsrecherche gefragt wurde, begann sie, einschlägige Tools zu testen und die Ergebnisse auf einer Webseite der HTW Berlin zugänglich zu machen.
Publizität durch Plagiate in der Politik
Enorme Publizität und den Titel „Deutschlands bekannteste Plagiatsjägerin“, den sie selbst nicht leiden mag („Ich jage nicht, ich dokumentiere“), trugen der Wissenschaftlerin die Plagiate von Politiker*innen ein, die auch zu Rücktritten führten. Die Presse hat geholfen, für das Problem zu sensibilisieren, ist sie froh. Doch weil Medien primär die Parteiprominenz beleuchteten, blieben plagiierende Wissenschaftler*innen oft im Dunkeln. Dabei gibt es ihrer viele, wie man bei „VroniPlag Wiki“ nachlesen kann, an dem Prof. Dr. Weber-Wulff beteiligt ist.
Plädoyer für einen Kulturwandel
Plagiate in der Wissenschaft hält sie für das eigentliche Problem und plädiert für einen Kulturwandel. Statt Verdachtsfälle diskret zu beschweigen, müssten Hochschulen in die Offensive gehen. Nicht die Aufdeckung eines Plagiats in den eigenen Reihen sei schließlich der Skandal, sondern das Vertuschen desselben. Zu diesem Kulturwandel will sie auch im Ruhestand beitragen. Er beginnt am 1. April 2023.