Christina Kratsch

Christina Kratsch

Sie hat im Bereich Bioinformatik promoviert, ein Innovationsprojekt in der Genomforschung aufgesetzt, Unternehmen zu Datenstrategien beraten und vermag auch Laien verschiedene KI-Modelle anschaulich zu erklären: Prof. Dr. Christina Kratsch. Gesichter und Namen von Menschen merken kann sich die Expertin für Data Science und Künstliche Intelligenz kurioserweise nicht. „Das hat noch nie funktioniert“, schmunzelt die Professorin, die seit Dezember 2022 im Bachelor-Studiengang Ingenieurinformatik lehrt. Im Gespräch verrät sie mehr über ihre Leidenschaft für das Thema Künstliche Intelligenz.

Wie erklären Sie Laien Künstliche Intelligenz?

Prof. Dr. Christina Kratsch: Stellen Sie sich digitale Heinzelmännchen vor, von denen jeder in einer ganz bestimmten Aufgabe gut ist: die Post sortieren, Standard-Mails beantworten, den Bedarf an Baumaterial für den nächsten Monat schätzen oder die vorausschauende Wartung von Maschinen einfordern, ehe es zu teuren Ausfällen kommt. In der Medizin finden sie auffällige Muster in Bildern oder überwachen kritische Blutwerte. Ich könnte die Liste von Beispielen noch lange fortsetzen. Die Helferlein werden immer so eingesetzt, dass Mitarbeiter*innen mehr Zeit für die Bearbeitung von komplexeren Problemen bleibt.

Was macht KI so spannend?

KI oder Maschinelles Lernen beschleunigt und optimiert die Prozesse in Unternehmen, in der Wissenschaft, und häufig auch in unserem Alltag, ohne dass wir es bemerken, das ist für sich genommen schon spannend. Aber das sagen bzw. schreiben wir Wissenschaftler*innen seit mindestens zehn Jahren. Mit der Einführung von ChatGPT – inzwischen wurde die Version 4.0 ausgerollt! - ist allerdings eine völlig neue Dimension entstanden. Erstens können plötzlich auch Laien ohne jede Hürde in den unmittelbaren Austausch mit einer KI treten und sie für sich nutzbar machen. Und zweitens entsteht durch diesen einfachen Zugang eine ganz neue Innovationsgeschwindigkeit, weil plötzlich ein viel breiteres Spektrum an Menschen KI-basierte Geschäftsideen entwickeln können. Das hat wirklich Brennwert.

Welche Schwerpunkte wollen Sie in der Forschung setzen?

Mir geht es weniger um die Theorie, sondern darum, wie man KI praktisch einsetzen kann. Also: Wie erzeuge ich mit Daten und digitalen Lösungen einen nachhaltigen Mehrwert im Unternehmen? Zwei Phasen finde ich dabei besonders interessant. Zum einen die Phase, bevor KI zum Einsatz kommt, also der Bereich Innovationsmanagement. Welche Optionen eröffnet KI für neue Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle eines Unternehmens? Wie decken wir diese Ideen auf? Zum anderen die Phase nach der Einführung von KI-Lösungen. Viele Unternehmen haben den Sinn von KI längst erkannt, stellen dann im Alltag aber immer wieder fest, dass sie nicht so schnell vorankommen, wie sie es gern möchten. Die Magie dahinter lautet Machine Learning Operations oder ML Ops. Um noch einmal die Heinzelmännchen zu bemühen: Wie kann ich meine digitalen Helferlein glücklich und gesund halten, aber auch: Wie kann ich sie unter Kontrolle kriegen? Denn meistens sind in einem Unternehmen unzählige KI-Lösungen im Einsatz, deren Zusammenspiel nicht reibungslos funktioniert. Meiner Wahrnehmung nach findet hier noch sehr viel Learning by doing statt. Es besteht großer Bedarf an Orientierung, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen, die weder Zeit noch Geld für große Experimente haben. Wie gestaltet man die Prozesse energieeffizient und nachhaltig? Wir brauchen noch Best Practices und Leitsysteme dafür.

Was war die bisher schönste Erfahrung an der Hochschule?

Da fallen mir zwei Dinge ein. Mein allererster Eindruck von der HTW war bereits ein sehr guter, gleich der erste Schritt aus der Straßenbahn. Der Campus Wilhelminenhof strahlt eine großartige Kreativität aus, überall Labore und Experimentierräume, überall finden sich technische Konstruktionen, an jeder Ecke wird etwas Neues erfunden. Ich habe schon viele Innovation Labs in Unternehmen gesehen – aber der Campus hier ist für mich ein einziges, gigantisches Lab. Die Atmosphäre ist großartig.  Die zweite positive Erfahrung war die Unterstützung, die mir meine Professorenkollegen Erik Rodner und Mohammed Abuosba zuteilwerden ließen, als ich mitten im Semester mit der Lehre anfing und ins kalte Wasser springen musste. Die beiden hakten mich quasi rechts und links unter und nahmen mich einfach mit in die Lehrveranstaltungen, halfen bei der Organisation der ersten Klausuren etc. Das war ein wirklich toller Einstieg – schöner hätte es nicht laufen können.

Mit wem würden Sie gerne Kaffee trinken?

Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber mir fällt da niemand Konkretes ein. Ich freue mich über jede Art von interessanter Gesellschaft. Besonders interessante Gesprächspartner*innen sind immer die, die sich gerade die Zähne an irgendeinem Problem ausbeißen. Es gibt nichts Besseres, als in einem gemeinsamen Gedanken-Pingpong der Lösung näher zu kommen. Wenn es dann auch noch guten Kaffee dazu gibt – prima. Falls Sie auf einer Antwort bestehen, nominiere ich Krümelmonster. Ein sympathischer Typ, der schon sehr viel erlebt hat – und er bringt Kekse mit.

Christina Kratsch sitzt auf einer Bank
Illustration: Roboter kommuniziert mit einem Mann und einer Frau Christina Kratsch
Christina Kratsch hinter zwei Bildschirmen

Das Gespräch führte Gisela Hüttinger, HTW Berlin, Transfer- und Projektkommunikation
Fotos: HTW Berlin/Alexander Rentsch; Illustration: iStock/siraanamwong

Berlin, 7. Juni 2023