Nachhaltigkeit schon als Thema in der Ausbildung

Wo bitte finde ich T-Shirts aus Biobaumwolle? Wurde diese Jeans wirklich fair produziert, auch ohne Kinderarbeit? Und was bedeutet gleich wieder der grüne Knopf? Immer mehr Kund_innen stellen beim Shopping in Geschäften solche und ähnlich Fragen. Sie sollten darauf eine fundierte Antwort vom Verkaufspersonal bekommen, finden Prof. Monika Fuchs und Prof. Dr. Julia Schwarzkopf. Im Forschungsprojekt LeNaTex bereiten die beiden Wissenschaftlerinnen das Wissen über Nachhaltigkeit in der textilen Wertschöpfungskette in Gestalt von Modulen für die Duale Ausbildung auf. Anlässlich des internationalen Welttags gegen Kinderarbeit am 12. Juni geben sie Einblick in das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderte Projekt.

Wie kam es zu diesem Forschungsprojekt?

Prof. Dr. Schwarzkopf: Wir haben das Thema Nachhaltigkeit schon lange im Blick, jede in ihrem wissenschaftlichen Feld, also meine Kollegin Monika Fuchs in der Bekleidungsbranche und ich selbst im Bereich Duale Ausbildung. Für den Projektantrag haben wir uns zusammengetan, weil wir das Thema bereits in der Ausbildung des Nachwuchses für die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie für den Textileinzelhandel verankern wollen. Wenn sich das Personal mit Nachhaltigkeit auskennt und weiß, worauf es ankommt, sei es im Einkauf, im Verkauf oder in der Produktion, dann ist das unseres Erachtens ein wichtiger Schlüssel für Veränderungen und Innovationen, die nötig sind. Die Unternehmen sind vielfach auf dem Weg zu einer nachhaltigen Textilstrategie, aber die Umsetzungen in der Praxis sind nicht immer einfach. Deshalb war ihre Bereitschaft, als Partner im Projekt mitzuarbeiten, sofort sehr groß.

Welche Partner wirken mit?

Prof. Fuchs: Klassische Bekleidungsunternehmen sind genauso dabei wie Hersteller von medizintechnischen Produkten, größere Filialisten, aber auch kleine Händler, Anbieter im Niedrigpreissegment ebenso wie Marken im gehobenen Genre. Wir bilden also die gesamte Branchenvielfalt ab. Außerdem gibt es einen kompetenten Beirat, in dem Wissenschaftler_innen und Expert_innen der Bildung für nachhaltige Entwicklung sitzen.

Was passiert im Projekt?

Prof. Dr. Schwarzkopf: Wir haben bei einem Kickoff-Workshop die Bedürfnisse eruiert, außerdem Befragungen bei den Partnern und in den Berufsschulen gemacht, um herauszufinden, welche Inhalte es zum Thema Nachhaltigkeit schon gibt und welche noch fehlen. Dabei beziehen wir die Auszubildenden mit ihrer Perspektive aktiv in das Projekt mit ein. Auf dieser Grundlage entwickeln wir die Module, in denen das Wissen über Nachhaltigkeit in der textilen Wertschöpfungskette so aufbereitet wird, dass sich die Inhalte nahtlos in den Alltag der Berufsschule bzw. des Betriebs einfügen. Denn nur dann, das ist unsere feste Überzeugung, werden die Angebote auch genutzt werden. Über ein vorheriges Projekt im Bereich des Fleischerhandwerk haben wir gelernt, dass es beispielsweise Herausforderungen gibt bei bestimmten, eher sensiblen Themen, die auch das Selbstverständnis der Branche tangieren. Und man muss berücksichtigen, welche Tools und welche Medien sich eignen, die sowohl den ausbildenden Betrieben und Berufsschulen als auch den Auszubildenden selbst zur Verfügung stehen.

Prof. Fuchs: An Themen mangelt es nicht, es geht eher darum, die Fülle in eine vernünftige Struktur zu bringen. Bei der Aufbereitung der Inhalte beziehen wir auch Studierende der Bekleidungstechnik/Konfektion ein. Wer weiß, vielleicht ergibt sich ein wiederkehrendes Modul, das im Rahmen der Lehre jedes Jahr aufgegriffen und neu befüllt wird? Im Zuge des Projekts drei bis vier Module zu entwickeln ist realistisch, alles Weitere werden wir sehen. Unterstützung haben wir von unseren wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Carolin Ermer, Dr. Bianca Schemel und Lisa Johanna Weißmann.

Aus aktuellem Anlass die Frage: Welche Rolle spielt das Thema Kinderarbeit?

Prof. Fuchs: Das Risiko von Kinderarbeit in der globalen Bekleidungsfertigung muss Unternehmen deutlich bewusst sein. Kinderarbeit darf bei den eigenen Geschäftstätigkeiten oder bei Zulieferern nicht toleriert werden. Das erstreckt sich auf die gesamte Wertschöpfung beginnend bei den Rohmaterialien, beispielsweise beim Baumwollanbau, und reicht über die Spinnereien bis hin zum Nähen. Ausnahmen darf es nicht geben, auch wenn die nationale Gesetzgebung hinter den internationalen Standards zurückbleiben. Nachhaltige und verantwortungsvolle Lieferketten müssen so strukturiert und überwacht sein, dass Kinderarbeit zweifelsfrei ausgeschlossen ist. Das ist eine Verantwortung, der sich kein Unternehmen entziehen darf. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das im Juli 2021 verkündet wurde, regelt die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen, wie Kinderarbeit, in Lieferketten. Damit werden auch die Rechte von Kindern weiter gestärkt.

Was versprechen sich die beteiligten Unternehmen?

Prof. Fuchs: Qualifiziertes Personal, beispielsweise Verkäufer_innen, Schneider_innen oder Mitarbeiter_innen, die das Thema „Nachhaltigkeit“ nicht nur kompetent kommunizieren bzw. in Entscheidungen einfließen lassen, sondern am überfälligen Transformationsprozess mitwirken können und mitwirken möchten. Die Verkäuferin soll sachkundig Auskunft darüber geben können, was sich hinter dem GOTS-Zertifikat verbirgt und wofür der „Grüne Knopf“ steht. Das Team des E-Commerce-Händlers soll der umweltfreundlichen Verpackung der Ware mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Reparierbarkeit von Kleidung soll zum Thema werden und der Materialmix ebenso.

Prof. Dr. Schwarzkopf: Wir wollen mit innovativen und bedarfsgerechten Qualifizierungsangeboten auch das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter_innen einer Branche stärken, die von einem anhaltenden Strukturwandel betroffen ist.

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