"Es braucht einen Leitfaden mit konkreten Zielen."
Wieso engagieren Sie sich für das Thema Antidiskriminierung?
Koschke: Das Thema Diskriminierung begleitet mich als PoC schon mein Leben lang. Ich bin in Dresden aufgewachsen, habe Rassismus erlebt und werde als Mutter, wie viele andere Mütter, strukturell benachteiligt. Seitdem ich in Berlin lebe, fühle ich mich sehr empowert und möchte jetzt auch für meine Mitstudierenden einstehen. Außerdem möchte ich weiter lernen und mich mit Gleichgesinnten vernetzen und austauschen.
Döring: Noch bevor der Anti-Diskriminierungsrat gegründet wurde, habe ich regelmäßig unter anderem die anwaltliche Beratung des AStA begleitet. Unabhängig von den Sorgen und Nöten, mit denen die Studierenden zu uns kamen, tauchte das Thema Diskriminierung als Teil der Probleme immer wieder auf. Ich habe Geschichten gehört, die nicht nur tragisch waren, sondern und mich manchmal schlicht verärgert haben. Auch ich erlebe, unter anderem als Mutter, strukturelle Nachteile, die nicht für alle offensichtlich sind und daher immer wieder ausgesprochen werden müssen, bis sich nachhaltig etwas ändert. Genauso verhält es sich mit den Problemen der Studierenden, die zu uns kommen: Eine Einzelfalllösung löst in der Regel nicht das eigentliche Problem. Als sich die Möglichkeit bot, an der Anti-Diskriminierungsrichtlinie, als Basis der Arbeit, mitzuwirken, habe ich sie ergriffen um die Perspektiven der Studierenden mit einzubringen.
Was zählt zu den Kernaufgaben des Antidiskriminierungsrates?
Döring: Die Hauptaufgabe des Antidiskriminierungsrates ist die Erarbeitung eines Aktionsplans, um Diskriminierung an der HTW immer weiter abzubauen. Dieser Plan soll dann regelmäßig evaluiert und entsprechend der Ergebnisse auch angepasst werden. Es handelt sich also vor allem um strukturelle Arbeit. Um möglichst viele Perspektiven abdecken zu können, sind im Antidiskriminierungsrat unter anderem der Personalrat, die Frauenbeauftragten, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten und Studierende vertreten. Konkret bedeutet das, die Bereiche zu identifizieren, in denen Diskriminierung auftaucht und gemeinsam Mechanismen zu finden, sie zu verhindern. Der Antidiskriminierungsrat soll außerdem auch die Gremien der HTW beraten.
Er ist also etwas anderes, als die Beratungsstellen oder die Anti-Diskriminierungsstelle selbst, bei der jede*r Beschwerden einreichen kann. Wir als AStA wünschen uns, unabhängig der engagierten Arbeit unseres Präsidenten, der aktuell als Antidiskriminierungsstelle fungiert, eine weitere und ausgebildete Fachkraft, die sich dem Thema in Vollzeit annimmt, so dass die Arbeit noch besser und schneller voranschreiten kann.
Welche Aktionen sind in näherer Zukunft geplant?
Koschke: Der Antidiskriminierungsrat arbeitet an einem Diversity-Audit, welches sicherstellen soll, dass auf unserer Hochschule nicht nur Diversity draufsteht, sondern es auch wirklich umgesetzt wird. Dafür braucht es einen Leitfaden mit konkreten Zielen und auch eine Momentaufnahme, wie divers die HTW gerade ist und wo sie sich verbessern muss. Begleitet werden wir dabei vom Stifterverband. Am Ende scheitern einige Bemühungen derzeit noch an fehlenden Geldern. Eine Vollzeitstelle für Antidiskriminierung muss auch deswegen her, weil der Kampf gegen Diskriminierung von Ehrenamtlichen allein natürlich nicht getragen werden kann.
In naher Zukunft möchten wir mehr auch auf Prävention setzen. Dazu braucht es meiner Meinung nach auch verpflichtende Angebote für Hochschulmitglieder auf allen Ebenen, die weiterbilden und sensibilisieren sollen für unsere Mitmenschen. Kommt es dann noch zu einem Diskriminierungsverdacht, möchten wir es den Betroffenen leichter machen, Vorfälle zu melden oder sich zu beschweren. Dazu soll das Netz an Beratungsstellen verdichtet werden und Vorgänge klar und anonym gestaltet sein. Niederschwellige Angebote sind besonders wichtig. Wir als AStA setzen uns diesbezüglich insbesondere für die Belange der Studierenden ein, die es sich immer noch dreimal überlegen müssen, bevor sie einen Vorfall melden. Die Sorge vor schlechteren Bewertungen und anderen „Bestrafungen“ ist sehr hoch!
Wohin können sich Betroffene wenden?
Koschke: Auf der Website der HTW gibt es ein Formular, über welches Vorfälle gemeldet werden können (Suche: Antidiskriminierung). Sollte zu irgendeinem Zeitpunkt Beratung gewünscht werden, so können sich Studierende an den AStA, die jeweiligen Fachschafts- oder Fachbereichsräte wenden. Darüber hinaus gibt es spezialisierte Beratungsstellen. Die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, die Schwerbehindertenvertretung und die Psychologische Beratung, sowie das Familienbüro der HTW. Mitarbeiter*innen können sich darüber hinaus vertrauensvoll an den Personalrat wenden. Alle Stellen stehen beratend zur Seite und gehen keine weiteren Schritte, ohne, dass Betroffene dies wollen. An dieser Stelle möchte ich Betroffene ermutigen, sich abgesehen von diesen offiziellen Stellen, an vertraute Mitstudierende oder Freunde zu wenden und sich hier zusätzliche Unterstützung zu holen. Oftmals fällt es Betroffenen dann leichter. Geholfen wird übrigens erstmal allen, auch Zeug*innen und ja, auch Täter*innen können sich beraten lassen.