Die Lust am Lernen wecken

Sophie Kröger

Physik? Geht’s da nicht um die Relativitätstheorie, komplizierte Formeln und spannende Experimente? Das zumindest könnte der Eindruck sein, wenn man an die sympathischen Nerds aus der beliebten Fernsehserie „The Big Bang Theory“ denkt. Die Studierenden von Prof. Sophie Kröger wollen zwar keine Physiker*innen werden, benötigen für ihr späteres Berufsfeld aber ein solides physikalisches Grundlagenwissen, z. B. für die Entwicklung von Sensoren oder im Bereich der Robotik. Insgesamt neun verschiedene Studiengänge der HTW Berlin, wie beispielsweise Maschinenbau, Fahrzeugtechnik oder Regenerative Energien, beinhalten im Studienplan das Modul Physik. Je nach Studiengang werden die Schwerpunkte der Veranstaltung leicht angepasst. Für ihre Lehrveranstaltung im Sommersemester 2021 erhielt Prof. Kröger den Preis für gute Lehre.

Frontalunterricht vermeiden

 „Ich habe in meinem eigenen Studium als Tutorin gearbeitet und muss rückblickend sagen, dass ich da das meiste gelernt habe“, erzählt die Professorin. Und das gilt nicht nur für das fachliche Wissen. Durch die Teilnahme an Didaktik-Schulungen erhielt Kröger bereits während ihrer Studienzeit Einblicke in geeignete Lehrmethoden. Neben diesen persönlichen Erfahrungen liegt für Kröger ein weiterer Grund, Frontalunterricht zu vermeiden, in der Heterogenität ihrer Studierendengruppen: „Frontal muss man mit allen Studierenden im gleichen Tempo durch den Stoff gehen. Besonders in Erstsemester-Kursen ist das nicht sinnvoll, weil da jede*r einen individuellen Lernstand mitbringt, den man genauso individuell fördern muss, um allen gerecht werden zu können.“ Diese Feststellung bezieht sich einerseits auf das Fachwissen in Physik und Mathematik. Hinzu kommt andererseits noch ein hoher Anteil Studierender, für die Deutsch nicht die Muttersprache ist.

Vorbereitung in Eigenregie

Ihr Konzept zielt deshalb genau darauf ab, die Studierenden mit Nachholbedarf zu fördern und gleichzeitig die Leistungsstarken zu fordern. Als Basis dafür nutzt sie die Flipped-Classroom-Methode. Die Studierenden eignen sich mit Hilfe von bereitgestellten Lernmaterialien grundlegendes Wissen eigenverantwortlich an. Dazu werden unter anderem kurze Lehrvideos, Buchkapitel und frei verfügbare Simulationen sowie Animationen zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe eines Vortests in Form von Übungsaufgaben in Moodle wird Wissen abgefragt und so die Vorbereitung der Studierenden überprüft. Gleichzeitig erhalten sie ein Feedback zu ihrem Lernstand.

Unterricht in zwei Akten

Einmal pro Woche findet online oder in Präsenz Unterricht statt. Im ersten Teil wird das Gelernte durch die intensive Diskussion von Fragestellungen und Aufgaben, die Vorführung und Diskussion von Demonstrationsexperimenten und die Durchführung kleiner Hands-on-Experimente vertieft und ergänzt. Kröger erklärt: „Hier lege ich größten Wert darauf, dass Inhalte aus den Selbstlernphasen nicht noch einmal wiederholt werden, um die Motivation für die Vorbereitung zu fördern.“ Im zweiten Teil des Unterrichts bearbeiten die Studierenden selbstständig weitere Moodle-Aufgaben als Nachtest, die diesmal auch das Verständnis des Lernstoffs abfragen. Um einen Anreiz für die tatsächliche Durchführung der Aufgaben - sowohl vor als auch während des Unterrichts - zu schaffen, gibt es dafür Punkte, die mit 20 Prozent in die Endnote eingehen. Für die Leistungsstarken gibt es zusätzlich unbenotete extra schwere Aufgaben.

Innovation im Labor

Um neben der Theorie auch den praktischen Umgang mit Messgeräten zu üben, gehören regelmäßige Termine im Physiklabor zum Studienalltag. Auch hier fördert Kröger das eigenständige Arbeiten durch automatisiertes Feedback auf Messergebnisse. Um das zu ermöglichen, hat die Professorin mit Unterstützung eines Laboringenieurs und einer studentischen Hilfskraft aufwändige Programmierarbeiten mit dem STACK-Plugin für Moodle umgesetzt – und damit auch Prozessoptimierungen erreicht: „Einerseits spart das für alle Lehrkräfte viel Zeit, denn vorher wurde die Auswertung per Hand gemacht“, erklärt Kröger. „Andererseits haben die Studierenden durch das unmittelbare Feedback sofort die Gelegenheit zur Korrektur ihrer Auswertung. Vorher vergingen bis zu diesem Punkt teilweise mehrere Wochen.“ 

Atmosphäre des Vertrauens

Wie das gesamte Konzept zeigt, legt die Professorin großen Wert auf die Aktivierung ihrer Studierenden. So versucht sie stets, z. B. durch den Einsatz von Quizfragen, möglichst viele Kursteilnehmer*innen zur aktiven Mitarbeit anzuregen. Die Abfragen erfolgen anonym und Ergebnisse werden in der Regel sofort präsentiert, aber ohne die richtige Antwort bekannt zu geben. Sind viele Antworten falsch, lässt Kröger die Studierenden in kleinen Gruppen miteinander über den Sachverhalt diskutieren. Als Basis, insbesondere für die vielen Diskussionsrunden im Unterricht, ist ihr eine Atmosphäre des Vertrauens ganz besonders wichtig: Studierende sollen sich trauen Fragen zu stellen, auch wenn sie damit vielleicht „Nicht-Wissen“ präsentieren.

Online, hybrid oder in Präsenz?

Der reine Online-Unterricht, wie er durch Corona zeitweise notwendig war, ist für Kröger kein adäquater Ersatz für den Unterricht in Präsenz. Zwar waren dank des Flipped-Classroom-Konzepts schon vor der Pandemie viele Materialien online verfügbar, dennoch lässt sich die Unterrichtszeit nach Erfahrung der Professorin durch den persönlichen Kontakt vor Ort produktiver nutzen als z. B. mittels Videokonferenzen. Gleichzeitig sieht sie durchaus die Vorteile des Onlineformats, gerade für diejenigen, die weniger Hilfe benötigen. Zuletzt hat sie es daher mit dem Hybrid-Modell probiert, bei dem eine Gruppe von Studierenden dem Unterricht online folgt und die andere Gruppe in Präsenz. Doch die parallele Betreuung der Gruppen war schwer. „Meine Idealvorstellung ist noch lange nicht erreicht“, gesteht die engagierte Professorin schmunzelnd. Und so geht das Tüfteln am Lehrkonzept mit jedem Start in ein neues Semester in die nächste Runde.

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