Aus Rotorblättern sollen Baustoffe werden
Solange sich die Rotorblätter der Windkraftanlagen drehen, ist alles in Ordnung. Zum Problem werden sie bei der Entsorgung. Denn die Windfänger bestehen unter anderem aus Faserverbundkunststoffen, für die es bis heute kein überzeugendes Recyclingkonzept gibt. Die Bauingenieure der HTW Berlin wollen das ändern: In Zusammenarbeit mit zwei mittelständischen Unternehmen soll der Prototyp einer mobilen Aufbereitungsanlage entstehen, in der die großformatigen Bauteile vor Ort geschreddert und die dabei gewonnenen Fasern in neuen Baustoffen wieder zum Einsatz kommen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aus dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) gefördert.
Das Projektteam betritt Neuland
Mit seiner Idee betritt das Team Neuland. Noch gibt es keine vergleichbaren Konzepte, sieht man von Forscher_innen des in Hannover ansässigen Fraunhofer-Instituts für Holzforschung ab, die 2019 auf einer Fachmesse zeigten, wie sich aus dem Balsaholz, das in Rotorblättern eines bestimmten Typs verbaut ist, neue Dämm- und Baustoffe herstellen lassen.
"Es fühlt sich wie Grundlagenforschung an"
Prof. Dr. Andreas Heuer, Prof. Dr. Alexander Taffe und ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter Max Gerber und Felix Andreas Radon haben hingegen die Faserverbundkunststoffe der Rotorblätter im Auge. Wie fein man sie überhaupt schreddern kann bzw. wie die Fasern beschaffen sein müssten, um später in Baustoffen zum Einsatz zu kommen, gilt es noch herauszufinden. Erste Überlegungen hat das HTW-Team schon angestellt: Die gewonnenen Fasern könnten beispielsweise die Zugfestigkeit von Beton erhöhen oder in Industrieböden verarbeitet werden. Ob das wirklich gelingt, ist offen, weshalb sich das Projekt „ein wenig wie Grundlagenforschung anfühlt“, sagt Prof. Dr. Heuer. „Eine Wundertüte“, bestätigt sein Kollege Prof. Dr. Taffe.
Kooperation mit zwei Mittelständlern
Auch deshalb wird das Forschungsprojekt ein iterativer Prozess sein, bei dem sich die Wissenschaftler und die Unternehmensvertreter die Bälle zuspielen. Der eine Mittelständler, die hessische Mercodor GmbH, ist auf Herstellung von Zerkleinerungsmaschinen spezialisiert; seine Anlagen zerlegen in Windeseile Batterien, Elektroschrott und andere Materialien. Das zweite Unternehmen, die in Mecklenburg-Vorpommern ansässige LAMAHA GmbH, kennt sich mit Landmaschinen aus und wird sich um den Transport des Schredders zur Windkraftanlage kümmern. Dass die Teile vor Ort zerkleinert werden müssen, steht für alle Beteiligten fest; zu aufwändig käme der Abtransport der bis 100 Meter langen Rotorblätter, von denen jede Windkraftanlage in der Regel drei Stück hat.
20.000 Tonnen Material pro Jahr
20.000 Tonnen Material von Windkraftanlagen könnten allein in Deutschland pro Jahr zusammenkommen. Das Projektteam hofft, mit seiner Forschung sowohl einen Beitrag zum Recycling zu leisten, als auch ein wirtschaftlich verwertbares Material zu entwickeln, dessen verbesserte Eigenschaften der Bauwirtschaft dienen. Womöglich entpuppen sich geschredderte Rotorblätter ja als konstruktiver Goldstaub?