Was hilft Gründer_innen in der Spieleindustrie?
Wie man es in der Games-Branche zu Erfolg bringt, wissen Prof. Susanne Brandhorst und Prof. Thomas Bremer sehr genau: Studierende und Absolvent_innen des Studiengangs Game Design räumen regelmäßig Preise ab und lenken frühzeitig die Aufmerksamkeit auf ihre Spiele. Das im November 2020 abgeschlossene Forschungsprojekt „Baltic Game Industry“ gab den beiden Expert_innen Gelegenheit, sich mit Akteur_innen der Games-Branche in 22 Ländern des Ostsee-Raums auszutauschen. Im Nachfolgeprojekt „Baltic Sea Game Incubator – Extension“ konzentrieren sich Prof. Brandhorst und Prof. Bremer nun mit Partnern in Schweden, Dänemark, Finnland und Polen darauf, die besonderen Rahmenbedingungen für Gründungsförderung in der Spieleindustrie zu beschreiben und im eigenen Studiengang weiter zu implementieren. Im Gespräch geben sie Einblick in die Materie.
Hat sich die internationale Kooperation gelohnt?
Prof. Bremer: Unbedingt. Ich bin vor allem froh, dass die Förderung der Branche auf der Ebene der Europäischen Union angekommen ist. Denn die international aufgestellte Spieleindustrie ist ein Technologietreiber, sorgt für Arbeitsplätze und ist ökonomisch längst erfolgreicher als die Film- und Musikproduktion. Darüber hinaus sind Spiele für die junge Generation zu einer wichtigen künstlerischen Ausdrucksform geworden. Das ist vielen gar nicht bewusst. Den aktuellen Stand in den beteiligten Ländern – die Berliner Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (BGZ) hat in dem Projekt exzellente Koordinationsarbeit geleistet - konnten wir nach Berlin zurückspiegeln und die Verantwortlichen politisch sensibilisieren. In Deutschland wurde das Thema lange vernachlässigt, wohingegen Schweden, Finnland und Polen inzwischen führend sind. Bestärkt wurden wir in unserer Überzeugung, dass man die Nachwuchsförderung – in der Gründerszene nennt man das Inkubation - nicht einfach den bestehenden Gründerzentren überlassen kann.
Was unterscheidet die Spieleindustrie von anderen Branchen?
Prof. Brandhorst: Spiele werden nicht in Auftrag gegeben und können auch keine Marktlücke schließen; vielmehr müssen sie ihre Kundschaft erst einmal finden. Das gelingt nur, wenn sie mit neuen Ideen überraschen und Interesse wecken. Langeweile verkauft sich nicht. Wer mit seinem Spiel erfolgreich sein will, braucht Intuition für die Bedürfnisse von sehr heterogenen Zielgruppen, muss den höchst disruptiven und dynamischen Markt gut beobachten und seine Produkte im Team und im Diskurs entwickeln. Das ist ein hoch komplexer, iterativer Prozess, bei dem die Entwickler_innen bereits frühzeitig mit den Spielenden interagieren, ihre Ideen testen und anschließend weiterentwickeln. Noch während der Produktion wird so eine Community aufgebaut, um im harten internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Die Gründungsförderung muss exakt zu diesem Prozess passen.
Prof. Bremer: Spiele sind ähnlich wie Filme und Musik und doch ganz anders. Spiele basieren zwar auf hochmoderner Informationstechnologie, sind aber kein Softwareprodukt, sondern haben eine ausgeprägt künstlerische Komponente. Letztlich sind sie ein kulturelles Produkt. Spiele müssen sich zwar selbst finanzieren, sind aber auch oft künstlerische Werke, deren Entwicklerteams über die gemeinsame Arbeit eine individuelle Sprache gefunden haben. Ein Team wird für sein Spiel bekannt und hat im Idealfall gleich nach dem ersten Produkt schon das zweite Spiel in der Schublade. Das ist für viele eine Herausforderung. Wirtschaftliche Aspekte sind für viele Spielmacher_innen häufig ein Mittel zum Zweck. Aus all dem folgt, dass die Gründungsförderung in der Spieleindustrie völlig anders beschaffen sein muss als in anderen Branchen.
Welche Impulse wollen Sie im Folgeprojekt geben?
Prof. Bremer: Wir haben jetzt speziell die Rahmenbedingungen für Gründungen im Bereich der Spieleproduktion im Blick: Was brauchen Gründer_innen, wie können wir sie besser fördern, welche Programme sind erfolgreich? Diese Erkenntnisse sind wichtig für Fördermittelgeber, allen voran die Politik. Auch die Investorenkommunikation ist ein Thema: Was müssen Entwickler_innen einerseits und Geldgeber andererseits voneinander wissen, um miteinander ins Geschäft zu kommen. Ein weiterer Schritt ist der Aufbau einer Plattform, auf der sich Interessierte austauschen können, eine Art Expert_innen-Austausch für Hochschulen und Institutionen.
Wie fließen Ihre Erkenntnisse ins Studium ein?
Prof. Brandhorst: Wir fördern das sogenannte Entrepreneurship-Thinking unserer Studierenden vom ersten Semester an; die zahlreichen Auszeichnungen bestätigen das. Dieses Denken unterstützen wir in der Lehre systematisch und haben auch die passenden Räumlichkeiten dafür geschaffen. Es gibt beispielsweise professionelle Studioräume, die vom ersten Semester an genutzt werden können. Bei der Planung des neuen DE:HIVE – einem der größten Game Hubs an einer Hochschule – haben wir spezielle Inkubator-Räume für Gründerteams eingerichtet. Diese Teams sind nicht isoliert, sondern werden quasi von anderen Studierenden und ihren Projekten „umspült“. Das sind perfekte Voraussetzungen für den von mir beschriebenen iterativen Entwicklungsprozess von Spielen. Natürlich nicht in Pandemiezeiten...
Prof. Bremer: Wir sollten in diesem Zusammenhang erwähnen, dass die aktuellen Teams in unserem Inkubator vom Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert werden. In 2020 gab es insgesamt 480.000 Euro für die Entwicklung ihrer Spiele „Hedera“, „Dorfromantik“, „Another Where“ und „Meander Books“.
Macht sich Corona auch in der Games-Branche bemerkbar?
Prof. Brandhorst: Natürlich. Einerseits wird mehr gespielt und die Nachfrage kann angesichts des komplett digitalen Vertriebs auch mühelos befriedigt werden. Andererseits hinkt die Produktion hinterher und Releases verzögern sich, denn bei der Planung und Konzeption arbeitet man wie schon erwähnt eben in Präsenz, was in Pandemiezeiten schwierig ist. Die Arbeit von zuhause ist fast unmöglich. Die Spieletechnologie ist einfach zu anspruchsvoll und die Datenmengen sind fast immer viel zu groß.