Färben, reparieren, pflegen: Kreativität zählt
Wussten Sie, dass 40 Prozent der gekauften Kleidung selten oder nie getragen wird? Dass die rasant fortschreitende Austrocknung des Aral-Sees auf das Konto des Baumwollanbaus geht? Dass die richtige Pflege darüber entscheidet, ob Sie Ihre Bluse auch im nächsten Jahr noch gerne tragen? Das sind nur drei von vielen Fakten, die Studentinnen der HTW Berlin (es sind tatsächlich nur Frauen) für das Projekt „Hack Your Fashion“ zusammengetragen haben. Doch bei Fakten allein werden es die angehenden Bekleidungstechnikerinnen und Modedesignerinnen nicht belassen.
Vielmehr geben sie bei bundesweiten Hackdays die Gelegenheit, selbst Hand anzulegen. Da kann nachhaltig gefärbt, geschickt repariert und fachgerecht gewaschen werden, all dies mit fachlicher Unterstützung von Expert_innen. Das HTW-Projekt „Hack Your Fashion“ ist eines der 19 Vorhaben im Wissenschaftsjahr 2020 - Bioökonomie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden. Geleitet wird das Projekt von Prof. Monika Fuchs und Laura Tihon (FB 5), als Partner steht ihnen Wissenschaft im Dialog zur Seite, die Organisation für Wissenschaftskommunikation in Deutschland. Für die HTW Berlin ist die Beteiligung übrigens eine Premiere: Sie war noch nie bei einem der letzten 20 Wissenschaftsjahre dabei.
Der erste Online-Hackday startet am 19. Juni
Der erste Hackday wird vom 19. bis 27. Juni 2020 stattfinden, wg. Corona im virtuellen Raum und nicht wie eigentlich geplant in den Räumlichkeiten der HTW Berlin. Anschließend werden die Ergebnisse am 3. Juli online präsentiert. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, natürlich im digitalen und nicht im realen Seminarraum. Jeden Mittwochvormittag von 9.45 bis 13.00 Uhr präsentieren und diskutieren die Studentinnen mit Prof. Monika Fuchs und Laura Tihon. Pünktlich um 12.00 Uhr klinkt sich ebenso regelmäßig Michael Siegel von Wissenschaft im Dialog ein.
Der Instagram-Kanal hat schon viele Follower
Siegel ist hoch zufrieden mit dem Input seitens der HTW Berlin. „Alle Beteiligten haben schnell umgeschaltet auf die Digitalisierung des Projekts“, freut er sich. Mit seiner Kommunikationsstrategie, via Instagram Aufmerksamkeit für das Thema „Biobasierte Mode“ im Allgemeinen und die Hackdays im Besonderen zu generieren, rannte er bei den Studentinnen offene Türen ein. „Sie beherrschen natürlich die ganze Klaviatur der sozialen Medien und nicht nur Twitter, wie das oft bei gestandenen Wissenschaftler_innen der Fall ist“, sagt der studierte Philosoph, der sich bereits zu Studienzeiten mit Wissenschaftskommunikation beschäftigte. Und schon kommt in der Runde ein weiterer Vorschlag von einer Studentin: Beim ersten Hackday müsse es unbedingt auch eine Art Kaffeebar geben, damit sich die Teilnehmer_innen virtuell austauschen können. Siegel schlägt das Tool „Slack“ vor, das eigne sich für solche Zwecke hervorragend.
Die digitale Lehre klappt reibungslos
Im Online-Seminar hält Laura Tihon den Vorschlag im Protokoll fest, ihre Notizen sind für alle auf dem Bildschirm sichtbar und können anschließend als Datei heruntergeladen werden. Mehr als einen Monat nach dem Semesterstart klappt die digitale Lehre nahezu reibungslos. Doch das hat durchaus Energie gekostet. Prof. Monika Fuchs beispielsweise hatte sich umgehend in alle Weiterbildungskurse des HTW-Rechenzentrums gestürzt, als sich Mitte März abzeichnete, dass das Sommersemester digital stattfinden muss. Und sie investierte vorsichtshalber in Lizenzen für externe Software-Tools, um möglichst flexibel zu sein.
Protokolle, Dokumentation und ein straffer Zeitplan
Deshalb kann die Ingenieurwissenschaftlerin das Seminar „Hack Your Fashion“ eigentlich genauso realisieren, wie sie es im Rahmen der Präsenzlehre getan hätte. Gearbeitet werde in einer klaren Projektmanagement-Struktur, bei der man die klassischen Tools und Methoden lerne bzw. anwende. Da werden Protokolle geschrieben, Aufgaben verteilt, Arbeitsstände berichtet, Zeitpläne fortgeschrieben und eine Projektdokumentation geführt. Zum Einsatz kommen Methoden wie Design Thinking, Online-Recherche etc. Bei der wöchentlichen Seminarveranstaltung sind Prof. Fuchs und ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin Laura Tihon grundsätzlich anwesend, außerdem stehen die beiden und Michael Siegel für bilaterale Rücksprachen zur Verfügung. Eine kleine Ausnahme macht die Hochschullehrerin: „In den ersten 15 Minuten des Online-Meetings wird auch mal persönlich geplaudert, als Warming up“. Sonst bleibe es gar zu unpersönlich.
Studienstart im virtuellen Raum
Die beiden studentischen Projektleiterinnen Alina Tavangari und Chiara Kohrs wissen gut, wovon ihre Professorin spricht. Die 26-jährige Chiara kam im April mit dem Bachelorzeugnis der holländischen Saxion University of Applied Sciences nach Berlin und musste digital ins Masterstudium an der HTW Berlin einsteigen. „Ich habe wegen Corona bislang weder den Campus besucht noch meine Kommilitoninnen persönlich kennengelernt“, bedauert sie. Und das, obwohl sie mit allen viel Zeit verbringt. Denn jenseits der Seminarveranstaltung findet die studentische Projektarbeit auch dienstags statt, am Donnerstag und Freitag treffen sich außerdem Untergruppen, beispielsweise das Team „Recherche Bioökonomie“. Auf Whats App ist man ohnedies im ständigen Austausch.
Das digitale Whiteboard Miro hilft
„Das Zwischenmenschliche fehlt bei der digitalen Lehre“, ergänzt die 31-jährige Alina, die parallel zum Studium als Dresserin am Hans-Otto-Theater in Potsdam arbeitet. Man bekomme kein Gespür dafür, mit wem man zusammenarbeite und was die Kommilitoninnen parallel in anderen Projekten zu leisten hätten. Die vierte Woche sei besonders hart gewesen, da sei eine in Tränen ausgebrochen, weil sie nicht wusste, wo zuerst anfangen. Trotzdem laufe die Gruppenarbeit für „Hack Your Fashion“ hervorragend, finden Alina und Chiara. Alle seien hoch motiviert, sicher auch, weil bei einem digitalen Format anders als bei einer Präsenzveranstaltung niemand mitgeschleppt werden könne. Und die beiden sind auch stolz, die Herausforderung angenommen zu haben und nunmehr mit Tools wie dem digitalen Whiteboard Miro zu arbeiten, weil sie sich diese Kompetenzen ohnedies irgendwann hätten aneignen müssen. Jetzt eben im Hauruckverfahren.
Mitmach-Sets für alle Teilnehmer_innen des Hackday
Das Konzept für den ersten Hackday ist dank des großen Engagements so gut wie fertig, in den nächsten Tagen geht es daran, die verschiedenen Mitmach-Sets zu packen und an die interessierten Teilnehmer_innen zu verschicken. Die Sets sind selbstredend real und nicht digital, sie kommen mit der Post. Es wird ein Repair-Kit geben, ein Färbe-Kit und ein Wäsche-Kit, dazu eine kleine Überraschung.
Übrigens werden die Hackdays kein Wettbewerb sein, sondern eher „Tüftel-Tage in einer kreativen Werkstatt-Atmosphäre“, wie es Michael Siegel ausdrückt. Selbst wenn jede und jeder alleine kreativ ist und die Ergebnisse seines Schaffens anschließend im digitalen Raum teilt, dort ausstellt oder postet. Spaß machen soll und wird es trotzdem. Alle sind schon gespannt, was bei den Veranstaltungen rauskommt. Womöglich sogar eine App, wenn technikaffine Programmierer_innen dabei sind?