Barbara Praetorius
Barbara Praetorius
Barbara Praetorius wirkt seit April 2017 als Professorin für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Energieökonomie und -politik an der HTW Berlin. Sie war eine der vier Vorsitzenden der von der Bundesregierung einberufenen Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung („Kohlekommission“). Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zählt sie zu den einflussreichsten deutschen Ökonominnen.
Was bedeutet es Ihnen, von der FAZ zu den einflussreichsten Ökonominnen gerechnet zu werden?
Das freut mich natürlich sehr - zugleich wünsche ich mir von der Politik mehr Mut zum politischen Handeln. Meine Forschungs- und Beratungsthemen drehen sich ja um politische Maßnahmen für Klimaschutz und eine nachhaltige Energieversorgung. Viele Vorschläge liegen unverwirklicht auf dem Tisch. Selbst beim Kohleausstieg warten wir seit mittlerweile fast einem Jahr auf die konkrete Umsetzung unserer Vorschläge. Die ursprünglichen Ziele – also erste Abschaltungen von Kohlekraftwerken noch im Jahr 2020 – sind ja kaum noch zu schaffen. Und zum CO2-Preis liegen von mir und vielen anderen Kolleg_innen gute Konzepte auf dem Tisch, wie er klimawirksam und sozialverträglich eingeführt werden kann. Die gescheiterte Klimakonferenz vom Dezember 2019 in Madrid zeigt ein weiteres Mal, wie schwer es fällt, den Tatsachen ins Auge zu sehen und konsequent zu handeln – und das, obwohl die Wissenschaft seit Jahrzehnten zeigt, welche katastrophalen Folgen ein „Weiter wie bisher“ für unsere Gesellschaft und unsere Zukunft haben wird.
Wofür möchten Sie Ihren Einfluss nutzen?
Er hilft dabei, das Klimathema als eine positive Zukunftsperspektive in Lehre und Politikberatung zu verankern. Neue Technologien helfen beim Klimaschutz, und das birgt enorme Chancen für die Wirtschaft. Erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie sind heute weitgehend wettbewerbsfähig und bilden weltweit die Grundlage für nachhaltige Entwicklung. Auch die Batterietechnologie entwickelt sich gerade rasant und muss natürlich unbedingt nachhaltig produziert werden. Deutschland sollte hier nicht den Zug verpassen und im Wettbewerb der guten Ideen dazu beitragen, dass neue Geschäftsmodelle und neue Jobs entstehen. Schon heute beschäftigen die neuen Technologien mehr Menschen als die herkömmliche Energiewirtschaft.
Wo verorten Sie sich in der aktuellen Debatte?
Ich plädiere für einen Staat, der eine konsequente Orientierung für den Klimaschutz gibt. Wir stehen inmitten einer existenziellen Krise und werden unsere Lebensqualität nur bewahren und die Chancen nutzen können, wenn wir schleunigst umsteuern. Im Kern bestreitet das kaum jemand, aber der einzelne Mensch ist kurzsichtig veranlagt, befürchtet Verzicht und zeigt gerne auf andere, die auch nichts tun. Deshalb brauchen wir klare staatliche Leitplanken, an die sich alle halten müssen. Dazu gehört ein wirksamer CO2-Preis und der geregelte Kohleausstieg genauso wie eine aktive Förder- und Innovationspolitik für Elektromobilität und Energieeffizienz.
Wo auf dem Campus kommen Ihnen die besten Ideen?
Bei einem entspannten Tee im Gespräch mit meinen Kolleginnen oder meinen Mitarbeitern in der Cafeteria. Noch inspirierender finde ich die Radwege zwischen der Hochschule und dem Treptower Park, denn beim Radeln kommen mir oft die produktivsten Gedanken.
Mit wem würden Sie gern einen Kaffee oder Tee trinken?
Mit der jüngsten Nobelpreisträgerin für Wirtschaftswissenschaften, Esther Duflo. Sie hat mich in meiner Lehre und Forschung zu Fragen der Entwicklung sehr inspiriert und ich habe mich riesig gefreut, als sie den Preis bekam. Denn die größte Herausforderung unserer Zeit ist es sicherlich, Nachhaltigkeit und Entwicklungschancen für die Ärmsten miteinander in Einklang zu bringen. Diese Frage beschäftigt mich auch in meinem Forschungsprojekt „InnoPiangua“, in dem es um die Lebenssituation von Muschelsammlerinnen in peripheren Regionen und zugleich um den Mangrovenschutz in Kolumbien geht.
Was war die größte Herausforderung, die Sie an der HTW Berlin bewältigen mussten?
Die größte Herausforderung an der Hochschule war und ist für mich, anspruchsvolle Forschung, gute Lehre und meine Familie zeitlich unter einen Hut zu bekommen. Da wünsche ich mir manchmal einen 36-Stunden-Tag. Die Verwaltung an der HTW Berlin unterstützt uns zum Glück sehr kompetent bei der Forschungsakquise und die administrative Abwicklung der Projekte läuft prima, darüber bin ich sehr froh. Die zeitlichen Freiräume für die Forschung selbst sind aber knapp bemessen und so bleibt es mir erst einmal, mich auf mein erstes Forschungssemester zu freuen, das demnächst ansteht. Denn aus der Kommissionsarbeit ist einiges an interessanten Themen entstanden, die ich gerne noch intensiver vorantreiben will.
Fotos: Alexander Rentsch
© HTW Berlin, Transfer- und Projektkommunikation
6. Januar 2020