Wie eine betagte Schwalbe ein zweites Leben bekam
26 Jahre stand die Schwalbe unbeachtet in einer Garage in Schwedt. Dann ging plötzlich das Tor auf, die Sonne fiel herein und … für den Klassiker aus DDR-Zeiten sollte ein neues Leben beginnen. So muss man sich den sonnigen Vormittag im Mai vorstellen, an dem Christian Binder und Matthias Bertholdt das Kleinkraftrad abholten, das sie per Kleinanzeige für ihr Projekt gesucht und ziemlich schnell gefunden hatten. Das Ziel der beiden angehenden Ingenieure der Fahrzeugtechnik (Master): das in die Jahre gekommene Gefährt mit einem Elektromotor auszustatten. „Wir möchten damit unseren persönlichen Einstieg in die Elektromobilität finden“, erklärt Christian Binder.
Dass im Studium ohnehin ein sogenanntes Allgemeinwissenschaftliches Ergänzungsfach (AWE) mit einem Umfang von zwei Semesterwochenstunden zu absolvieren war, kam dabei sehr gelegen. „So gab es einen Startpunkt sowie einen festen Präsentationstermin und wir mussten einen stringenten Projektplan entwickeln, um das Projekt sicher ins zu Ziel fahren“, ergänzt Matthias Bertholdt.
230 Arbeitsstunden für ein elektrisches Gefährt
Der Zeitplan war ambitioniert und die Gefahr, den Termin nicht halten zu können, war nicht klein, denn die betagte Schwalbe befand sich in einem bemitleidenswerten Zustand; fahrfähig war sie schon lange nicht mehr. Nach einer umfangreichen Recherche und zahlreichen Überlegungen stand das Konzept, Binder und Bertholdt krempelten die Ärmel hoch und machten sich in ihrer Werkstatt im heimischen Frankfurt (Oder) an die Arbeit. Etwa 230 Arbeitsstunden benötigten sie für die gründliche technische Überholung und die Elektrifizierung des Gefährts. Die war alles andere als trivial.
Mit Hilfe der Paper-Prototyping-Methode, bei der Pappe für die Erstellung erster Entwürfe genutzt wird, entwickelten Sie neue Halterungen und Verkleidungen für die Komponenten des Antriebs. Schritt für Schritt arbeiteten Sie sich auf diesem Weg zur fertigen Konstruktion durch. Wichtigstes Bauteil war dabei ein vollkommen neuer Halter für den Elektromotor. Des Weiteren musste auch das Übersetzungsverhältnis an die höhere Drehzahl des „Stromers“ angepasst werden. Dies alles ließ sich nicht bewältigen, ohne das eine oder andere Lehr- und Handbuch zu wälzen.
Den Charme der Zeit bewahren
Nur eines wollten sie auf keinen Fall verändern: Die auffällige Patina der legendären Schwalbe. „Der Charme der Zeit, aus der das Gefährt stammt, sollte auf alle Fälle noch erkennbar sein“, waren sich die beiden Jungingenieure einig. Außerdem möchten sie mit diesem Projekt eine Brücke zwischen der alten und neuen Zeit schlagen.
Bei der abschließenden Präsentation im Studiengang gab es (natürlich) die bestmögliche Note für die nun elektrisch fahrende Schwalbe und viel Beifall von den Kommiliton_innen. Das Ziel war also erreicht. Jetzt wollen die beiden Studenten das Projekt E-Schwalbe fortsetzen. Mit dem Akku kommen wir noch nicht so weit, wie wir wollen, nennt Christian Binder ein Beispiel. Die Vision: Ein technisch zugelassenes Umrüst-Set für die Elektrifizierung des urbanen Raums. Auf dass zukünftig alle Schwalbe-Fans emissionsfreien Fahrspaß haben.