Was macht eigentlich die KI-Werkstatt?

„Künstliche Intelligenz ist keine Magie“, sagt Prof. Dr. Erik Rodner gerne, wenn er eben diese erklären soll. Ganz leicht zu packen ist sie aber auch nicht. Wer sich etwa nach der KI-Werkstatt der HTW Berlin erkundigt, hört schnell den halbernst gemeinten und erstaunlichen Satz: Die ist eigentlich überall. So richtig werkstattmäßig ist sie hinter dem Türschild zu Raum WH C 043 zu finden: Ein weißes Automodell parkt zwischen zwei Bildschirm-Füßen, das Modell eines Menschenkopfes trägt eine Art Helm mit Elektroden, am Whiteboard steht groß „KI-Werkstatt“, was jemand in Blau unterstrichen und umkringelt hat. Dieser Teil der KI-Werkstatt ist ein lichtdurchfluteter Co-Working-Space mit Hofblick, ein anderer ist die gut gekühlte Hochleistungs-Hardware im Rechenzentrum. Was der augenzwinkernde Hinweis auf die allumfassende Existenz eigentlich meint: „Die KI-Werkstatt ist neben der Technik vor allem eine Vernetzung der KI-Begeisterten und eine Community“, so Prof. Dr. Rodner, Projektleiter der KI-Werkstatt. Einen „Dreiklang“ aus dem Raum, der Technik und den zusammenarbeitenden Menschen nennt Prof. Dr. Christina Kratsch die KI-Werkstatt.

Ausgezeichnete KI im Alltag

Diese ab Ende 2021 aufgebaute Community mit Hardware im Rücken hat eine ansehnliche Bilanz: Allein 16 Projekte listet die Homepage der KI-Werkstatt auf. Gerade erst wurde der KI-basierte Chatbot im Studierenden-Service als ein Best-Practice-Beispiel vom Hochschulforum Digitalisierung ausgewählt. Technisch entwickelt hat den Chatbot Florian Dewes, der wissenschaftlicher Mitarbeiter in der KI-Werkstatt ist. Der Chatbot ploppt seit Ende 2024 auf, wenn das grüne Symbol in einer Sprechblase auf den Seiten des Studierenden-Service-Centers angeklickt wird. Er antwortet auf Fragen zu Fristen, Dokumenten oder Ansprechpersonen — das entlastet die Mitarbeitenden im Studierenden-Service und verschafft ihnen Zeit für Gespräche zu komplexeren Fragen. 

Eigener Chatbot und KIWI für alle

Der Chatbot ist eine eigene, hochschulinterne Entwicklung, weil „andere Open-Source-Angebote nicht unseren Anforderungen entsprachen“, erläutert Dewes. Dafür läuft der Chatbot der HTW Berlin dank ihm jetzt auf den lokalen Servern der Hochschule, ist datenschutz-konform und inhaltlich durch die Mitarbeitenden des Studierenden-Service-Centers einfach und eigenständig zu pflegen. Die von Dewes geschriebene Software ist Open Source und steht somit auch anderen Interessierten zur Verfügung. Zur KI-Werkstatt gehört auch KIWI, die KI-Lehr-Werkstatt Interdisziplinär. Sie sollte mit verschiedenen Lehrangeboten zu Künstlicher Intelligenz darauf hinarbeiten, dass „KI-Konzepte langfristig und in allen Fächern fester Bestandteil der Lehre werden“, so Projektmitarbeiter Ricardo Knauer zum Start der Lehrangebote vor gut zwei Jahren. Inzwischen haben diese tatsächlich jeden Fachbereich und mehr als 20 Studiengänge erreicht, so Prof. Dr. Rodner.

Anwendungsorientierung im Vordergrund

Die Praxis-Tauglichkeit — wie beim Chatbot — ist generell ein Anspruch der HTW Berlin. Das KI-Werkstatt-Projekt „Generative KI für KMU“ etwa hat ein Modell zur Einführung generativer KI in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) entwickelt. Mit Erfolg und Mehrwert für die Beteiligten, wie die sehr positiven Reaktionen eines beteiligten Unternehmens zeigen. Die praktische Relevanz der weiteren Projekte ist ebenso groß wie deren Bandbreite: „JUDGE-KI“ soll sozial benachteiligten Menschen juristische Unterstützung bieten, „QuaLlamA“ untersucht die Qualität der Sprachmodelle hinter KI-Anwendungen, „ApplFM“ ist anwendungsorientierte Grundlagenforschung an Computermodellen zur Unterstützung von Ärzt*innen bei der Diagnostik, „Fair Enough?“ fragt, wie fair KI in Lernmanagement-Systemen agiert, „SparePartAssist“ mündete in eine App, die mit Hilfe von KI und 3D-Scans Ersatzteile erkennen kann.

KI-Werkstatt als ultimatives Werkzeug

Die Vielfalt der KI-Projekte erklärt Prof. Dr. Kratsch mit der breiten inhaltlichen Aufstellung der HTW Berlin. Ihr geht es in ihrer Forschung darum, wie KI in Unternehmen funktioniert, wie sie dort erfolgreich eingesetzt werden kann. „Dafür ist die KI-Werkstatt das ultimative Werkzeug“, sagt sie, „denn für Gebäudetechnik, Bildbearbeitung, Game Design, Robotertechnik oder jedes andere Projekt gibt es an der HTW Berlin die richtigen Ansprechpartner. Die HTW Berlin ist ein bestens funktionierendes Ökosystem.“ Durch die Kooperation mit Unternehmen ergäben sich auch für die Studierenden „tolle Lehrprojekte, die direkt in die Praxis führen“. In der Lehrveranstaltung zur Softwareentwicklung von Prof. Dr. Kratsch wurde beispielsweise mit einem großen Autohersteller eine Newsletter-Plattform aufgebaut. Zurzeit entwickeln Studierende für eine Berliner Behörde einen Chatbot-Prototypen. Übrigens auch, weil die Daten lokal bearbeitet und nicht in ein anderes Land übertragen würden, so Prof. Dr. Kratsch.

Hochkarätige technische Ausstattung

Ermöglicht wurde die KI-Werkstatt durch zwei Förderungen des Bundes für Künstliche Intelligenz in Forschung und Lehre in Höhe von insgesamt 2,9 Millionen Euro. 900.000 Euro flossen seit 2021 in die Hardware wie Server, KI-fähige Laptops oder Laborgeräte sowie deren Betreuung durch Mitarbeitende. „Das ist sehr starke Hardware“, sagt Chatbot-Entwickler Dewes dazu. Die Technik steht auch den Studierenden kostenlos zur Verfügung. Sie können diese über das Hochschul-WLAN nutzen und müssen kein Geld in die Hand nehmen, um etwa bei Clouddiensten etwas rechnen zu lassen. Außerdem bleiben die Daten sicher auf den Hochschulservern. Die hochkarätige technische Ausstattung hat auch weitere Forschungsförderungen überhaupt erst ermöglicht, wenn beispielsweise vorausgesetzt wurde, dass die Hardware bereits vorhanden ist. 

Akademische Guerillataktik

Die weiteren zwei Millionen Euro der Förderung dienten als Finanzierung des KIWI-Teams zur KI-Lehrunterstützung und der Anschubfinanzierung für die Professur von Dr. Kratsch, die unabhängig davon verstetigt ist. Insgesamt sei man seit 2021 mit einer „Guerillataktik“ vorgegangen, sagt Prof. Dr. Rodner schmunzelnd. „Wir wollten uns nicht extrem hochakademisiert drei Jahre lang bis ins Kleinste überlegen, was wir mit der Förderung machen“, sagt er, „sondern zügig möglichst viele, vielfältige und praxisorientierte Ideen unterstützen, einen guten Mix hinbekommen und Lehrende und Forschende bestmöglich von Tag Eins an unterstützen. Das ist ziemlich gut aufgegangen.“

Entscheidender Standortvorteil

Technik und KI-Community bleiben der HTW Berlin erhalten, wenn Ende des Jahres die Bundesförderung ausläuft. Für die Betreuung der Hardware und die Beratung im Bereich KI gibt es bisher noch keine Anschlussfinanzierung. Die KI-Werkstättler*innen wollen in Zukunft den Wissenstransfer nach außen zu Unternehmen intensivieren, dafür wird gerade ein Transferpartner-Netzwerk für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft aufgebaut. Dieses wird auch Kooperationsangebote wie KI-Sprints, Studierendenprojekte oder Zugang zu Rechenleistung umfassen. „Wir haben die technische Ausstattung buchstäblich hier stehen und das Know-how in den Büros sitzen. Das ist ein klarer Standortvorteil, den auch Unternehmen gerne nutzen können“, betont Claudia Tyborski, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Koordination und Strategieentwicklung der KI-Werkstatt zuständig ist. Um gezielt mit der Wirtschaft ins Gespräch zu kommen, starten ab Anfang Juni die Werkstattgespräche der KI-Werkstatt, bei denen auch das Transferpartner-Netzwerk vorgestellt wird. Ein klarer Beweis für die sehr lebhafte, allumfassende Existenz der KI-Werkstatt.

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