Equal Pay Day & Internationaler Frauentag – Gleiches Geld für gleichwertige Arbeit?

Wie steht es um die Entgeltgerechtigkeit an der HTW Berlin, und wie hat die Hochschule das festgestellt?

Dr. Sünne-Maria Andresen: Ungleiche Eingruppierung von gleicher Arbeit ist heutzutage eher selten, viel häufiger vorzufinden ist eine ungleiche tarifliche Eingruppierung von gleichwertiger Arbeit. Das Prüfverfahren eg-check.de kann die Gleichwertigkeit von Arbeit feststellen. Deshalb hat sich die HTW Berlin für dieses Prüfverfahren entschieden. Überprüft wurden in den Jahren 2017 und 2018 das Grundentgelt bei den Tarifbeschäftigten und die Leistungsbezüge bei den W2-Professuren. Bundesweit war die HTW Berlin die erste Hochschule für Angewandte Wissenschaften, die sich diesem Prüfverfahren unterzogen hat. 

Was kam heraus im Teilprojekt zu den Tarifbeschäftigten?

Dr. Sünne-Maria Andresen: Die HTW-interne Steuerungsgruppe kam 2018 zu dem Ergebnis, dass der TVöD-VKA, der Tarifvertrag, der für die HTW Berlin gilt, eine Reihe diskriminierungsanfälliger Regelungen enthält. So wurde z. B. deutlich, dass Verwaltungstätigkeiten und Tätigkeiten im Hochschulrechenzentrum mit zweierlei Maß bewertet werden, was zu einer geringeren Bezahlung der Verwaltungstätigkeiten in der Verwaltung führen kann, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden. Die Steuerungsgruppe war sich über den Handlungsbedarf einig. Die Hochschule müsse sich damit auseinandersetzen, wie der identifizierte systemische Fehler zu beheben sei. Die Hochschule verpflichtete sich damals darauf, die Möglichkeiten des bestehenden Tarifsystems auszuschöpfen. 

Was wurde seitdem konkret getan, um dieser Selbstverpflichtung nachzukommen?

Sylke Kluck: Eine Vereinbarung, die verhältnismäßig leicht umzusetzen war, war ein anwaltliches Gutachten, das eingeholt wurde, um den rechtlichen Handlungsrahmen, der der HTW Berlin hier überhaupt zur Verfügung steht, zu definieren; denn bei allen wichtigen Ergebnissen des Entgelt-Check gilt selbstverständlich nach wie vor die Tarifautonomie und auch die Angemessenheitsvermutung. Eine zweite Vereinbarung, die Tarifvertragsparteien, die letztendlich die Entgeltordnung verhandeln, über das Ergebnis des Entgelt-Checks zu informieren, wurde ebenfalls erfüllt.

Sehr viel schwieriger war und ist, innerhalb des bestehenden Tarifsystems mit all seinen Vor- und Nachteilen vermutete Ungleichbehandlungen zu minimieren. Das kann nur gelingen, indem wir Tätigkeitsgebiete clustern und für diese dann einheitliche BAKs erstellen. [Anmerkung der Redaktion: Die Beschreibung des Aufgabenkreises ist die Grundlage für die Stellenbewertung und die Eingruppierung]

Wie genau können solche Cluster und Vereinheitlichungen helfen, und was ändert sich dadurch beim Erstellen einer BAK?

Sylke Kluck: In der Vergangenheit wurde der Fokus im Interesse der/des einzelnen Beschäftigten sehr stark auf die individuellen Gegebenheiten des Arbeitsplatzes gerichtet. Es ergibt allerdings keinen Sinn, dass Laboringenieur*innen oder Verwaltungsmitarbeiter*innen mit vergleichbaren Aufgabenbereichen unterschiedliche BAKs haben. Das birgt eben eine Ungleichbehandlung von Mitarbeiter*innen. Also haben wir angefangen, einheitliche BAKs zu erstellen, z. B. für die Mitarbeiter*innen der Prüfungsverwaltung und des Immatrikulationsamtes. Es gibt jetzt Muster-BAKs für Laboringenieur*innen, die nach und nach in Absprache mit den Fachbereichen in Kraft gesetzt werden und die auch zu einer gerechteren Eingruppierung beitragen werden. Die nächsten BAKs, die wir überprüfen und vereinheitlichen wollen, sind die BAKs der Dekanatssekretärinnen, eine Gruppe von Mitarbeiter*innen, bei denen sich die Arbeitsaufgaben auf jeden Fall in den letzten Jahren verändert haben und bei denen wir Potential in der Vereinheitlichung sehen. Wichtig für Transparenz und Akzeptanz in diesem Thema ist ein möglichst einheitliches Verständnis der sogenannten unbestimmten Rechtsbegriffe des Tarifwerkes, an dem Personalabteilung, Personalrat und Frauenbeauftragten gerade im letzten Jahr sehr intensiv gearbeitet haben. 

Gibt es weitere Maßnahmen, um die Entgeltgerechtigkeit zu fördern?

Sylke Kluck: Nur der Blick auf die Entgeltordnung ist mir zu wenig beim Thema equal pay. In diesem Zusammenhang ist mir wichtig zu sagen, dass wir in den letzten vier Jahren eine enorme Steigerung der internen Entwicklungsmöglichkeiten geschafft haben. Bausteine hierbei sind das umfangreiche Weiterbildungsprogramm, das sowohl die Entwicklung der fachlichen als auch der sozialen Kompetenzen gleichermaßen im Fokus hat, die besondere Berücksichtigung (und z. T. auch direkte Ansprache) interner Kandidat*innen in Besetzungsverfahren oder auch die probeweise befristete Beschäftigung auf einer neuen (Führungs-)Position, die in den meisten Fällen auch zu einer dauerhaften Beschäftigung auf dieser Position geführt haben. Zwei Drittel dieser internen Entwicklungskandidat*innen sind im übrigen Frauen. 

Was wurde im Teilprojekt zu den Professuren deutlich und welche Schlussfolgerungen wurden daraus gezogen?

Dr. Sünne-Maria Andresen: Bei den Professuren wurden die besonderen Leistungsbezüge nach Leistungsbezügeordnung sowie die Berufungszulagen untersucht. Während bei den besonderen Leistungsbezügen keine Ungleichheit nach Geschlecht festgestellt wurde, erbrachte die Analyse der Berufungszulagen, dass Frauen gegenüber Männern benachteiligt sind. 


Prof. Dr. Carsten Busch: Die Steuerungsgruppe verständigte sich 2017 darauf, der Hochschule die Pflicht aufzuerlegen, regelmäßig die statistischen Daten zur Antrags- und Vergabepraxis der Leistungszulagen nach Geschlechtszugehörigkeit zu erheben und diese auszuwerten. Zudem empfahl sie zu prüfen, inwiefern die Vergabepraxis der Berufungszulagen formalisiert werden kann, indem z. B. die Höhe der Zulagen transparent und verbindlich festgelegt wird, abhängig von z. B. dem Rang auf der Berufungsliste oder der Anzahl der Ausschreibungsrunden. Zukünftig sollte nach dem Willen der Steuerungsgruppe auch die Vergabepraxis von Berufungszulagen dem Gleichstellungscontrolling unterliegen; ein fortlaufendes Monitoring im Sinne der Auflistung der Neuberufungen nach Höhe der Berufungszulagen und Geschlechtszugehörigkeit der Neuberufenen sollte erfolgen.

Wo steht die Hochschule aktuell bei der Umsetzung dieser Vorgaben und Empfehlungen?

Prof. Dr. Carsten Busch: Als ich im April 2019 ins Amt kam, hatte die HTW Berlin eine W-Besoldungsordnung, die seit Jahren von der Aufsichtsbehörde als nicht mehr rechtskonform angemahnt wurde. Dies führte für alle – Professorinnen und Professoren – zu erheblichen Unsicherheiten über die Besoldung. Inzwischen haben wir seit einem Jahr eine neue, rechtskonforme Besoldungsordnung. Im ersten Durchlauf mit über 100 Anträgen nach den neuen Regelungen sind alle Leistungsbezüge-Anträge von Professorinnen bewilligt worden; d.h. bislang ist keine Benachteiligung von Frauen erkennbar.

Bei den Berufungsverhandlungen für neue Professuren gab es früher drei jahrelang eingeschliffene Ungleichheiten: geringere Zulagen und geringere Sachausstattung für Frauen, sowie deutliche Benachteiligung einzelner Fachbereiche. Die Bilanz der Berufungsverhandlungen seit April 2019 zeigt: Alle drei Gaps konnten beseitigt werden, die systematische Diskriminierung bei Berufungszulagen und -ausstattungen wurde abgebaut. Außerdem wurden die Durchschnittsgehälter incl. Zulagen insgesamt nachweislich angehoben.

Warum ist es wichtig, dass die Hochschule weiterhin dranbleibt?

Dr. Sünne-Maria Andresen: Prof. Dr. Katarina Adam, BWL-Professorin und nebenberufliche Frauenbeauftragte, hat in ihrem Fachbereich um Statements zum Equal Pay Day gebeten. In diesen Äußerungen kommt zum Ausdruck, was mir auch in vielen Gesprächen begegnet: die Hochschulangehörigen fordern Fairness ein und äußern ihr Unverständnis für bestehende Entgeltdiskriminierung. 


Sylke Kluck: Die Frage lässt sich einfach beantworten: Wir erreichen die Ziele, die für die Hochschule gesetzt werden, nur mit gut ausgebildeten und motivierten Kolleg*innen. Wir konkurrieren hier auf dem Arbeitsmarkt nicht nur mit anderen Organisationen aus dem öffentlichen Sektor, sondern auch mit Wirtschaftsunternehmen. Das ist im übrigen eine Aufgabe für die gesamte Hochschule. Unsere Anstrengungen werden wahrgenommen, was mich sehr freut. Bei der Mitarbeiter*innen-Umfrage CampusVox 2022 haben wir auf die Fragen "Meine Arbeit wird fair und leistungsgerecht bezahlt" und "Die Bezahlung ist transparent und nachvollziehbar" gute Bewertungen bekommen. Das ist kein Grund, sich auszuruhen, aber motivierend, auf diesem Weg weiterzugehen.  

Prof. Dr. Carsten Busch: Jeder gute Anspruch ist nur so viel wert, wie die Kräfte seiner Durchsetzung. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist richtig. Aber wir leben in einer Welt, in der Ungleichheit und Rücksichtslosigkeit auf Kosten anderer lange Tradition haben. Also heißt es: Wachsam sein und aktiv für eine gerechte Welt zu kämpfen. Dies gilt auch für unsere "HTW-Welt".